Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Sofulis, Themistoklis
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Sofulis, Themistoklis

Sofulis, Themistoklis, griechischer Politiker,* Vathi auf Samos 1860, † Athen 24.06.1949, Sohn des Honoratioren Panajotis S..

Leben

 S. studierte in Athen und an deutschen Universitäten Archäologie, promovierte mit einer Dissertation über „Hades in der antiken Kunst“, habilitierte sich 1887 in Athen mit einer Arbeit über die älteste attische Werkstatt und war als Inspektor des Denkmalspflegeamtes tätig. Im Jahre 1900 wurde er in das Parlament seiner ab 1832 autonomen Heimatinsel Samos als Abgeordneter der Radikalen Partei gewählt, die gegen die Konzentration der staatlichen Machtbefugnisse in den Händen des von der Pforte ernannten christlichen Fürsten opponierte und die Vereinigung der Insel mit Griechenland anstrebte. Als Fürst Andreas Kopasis 1908 die türkische Garnison verstärken ließ, kam es zu blutigen Zusammenstößen der Truppen mit den Samiern; der nach Griechenland geflohene S. wurde als Rädelsführer in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Im September 1912 kehrte er mit einer Freischar zurück und zwang die türkische Garnison, die während des sogenannten Tripoliskrieges mit Italien auf sich allein gestellt blieb, nach mehreren Gefechten zum Abzug. Die Nationalversammlung der Samier wählte S. zum Präsidenten und proklamierte am 24. (11.) November 1912 die Vereinigung mit dem Königreich, die Athen erst später anerkannte: Am 15. (2.) März 1913 landeten griechische Truppen auf Samos. S. blieb Chef der Provisorischen Regierung bis zum April 1914 und wurde dann Generalgouverneur von Mazedonien, schied aber nach dem Rücktritt des Eleftherios Venizelos wegen des Konfliktes mit Konstantin I. in der Frage des Kriegseintritts Griechenlands aus seinem Amt aus. In den Wahlen vom 20. (7.) Mai 1915 setzte sich S. in Samos durch. Das vom König im selben Jahr im Widerspruch zum Sinn der Verfassung zum zweiten Male aufgelöste Parlament, das Venizelos nach der Abreise Konstantins I. und der Etablierung seiner Gegenregierung in Athen wieder einberufen ließ („Parlament der Lazarusse“), wählte S. am 1. August (19.07.) 1917 zu seinem Präsidenten. Am 11. Januar 1924 wurde S. Innenminister im Kabinett Venizelos. Am 12. März 1924 spaltete sich die Partei der Liberalen in der Frage, ob die Regierung des Republikaners Alexandros Papanastasiu, die durch einen Parlamentsbeschluß die Republik proklamierte und diesen Akt erst nachträglich in einer Volksbefragung bestätigen lassen wollte, unterstützt werden sollte. S. entschied sich mit 61 Abgeordneten für diese Lösung. Am 24. Juli 1924 bildete er sein erstes Kabinett, in dem er auch das Marineministerium übernahm, um einer Insubordination von Marineoffizieren entgegenzutreten. Sein Rücktritt am 1. Oktober sollte die Bildung einer breiten Koalition ermöglichen. In den wenigen Monaten seiner Regierung wurden 35 000 ha Land zur Ausstattung kleinasiatischer Flüchtlinge und besitzloser Bauern enteignet und Impulse zur Belebung der Wirtschaft gegeben. Mutig stimmte er 1925 im Parlament gegen den Diktator Theodoros Pangalos. Am 4. Juni 1928 berief ihn Venizelos zum Heeresminister. Im November 1930 trat er wegen einer Offiziersverschwörung zurück und wurde am 19. November 1930 sowie am 4. November 1932, nach den Neuwahlen, wieder zum Parlamentspräsidenten gewählt. Am 30. März 1933 zog er in den Senat ein. An dem von Venizelos unterstützten Putsch von 1935 war er nicht beteiligt. Nach der mit Verfassungsbruch, Terror und einem gefälschten Plebiszit vom Militär erzwungenen Restauration des Königtums war S. trotz seiner rechtlichen Vorbehalte bereit, sich mit der neuen Situation abzufinden, wenn Georg II. nach einer Generalamnestie verfassungsgemäße Zustände wiederherstelle und freie Wahlen abhalten lasse, und betrachtete nach den Wahlen von 1936 die Verfassungsfrage als erledigt. Auf Grund seiner vertraulichen Vereinbarung mit der KP-Fraktion wurde er am 6. März 1936 im zweiten Wahlgang zum Präsidenten des Parlaments gewählt, in dem die Liberalen einerseits, die Volkspartei und die Radikale Volksunion andererseits fast gleichstark vertreten waren. Die Veröffentlichung der Abmachungen rief eine Welle der Erregung hervor, obwohl S. nur zugestanden hatte, was sich mit dem Regierungsprogramm der Liberalen vertrug. Nach dem Tode des geschäftsführenden Ministerpräsidenten Konstantinos Demertzis vereinbarte er mit Panajis Tsaldaris die Bildung eines Koalitionskabinettes, das im letzten Moment am Einspruch des Georgios Kafantaris, des Führers der Progressisten, scheiterte. Der Regierung des Ioannis Metaxas sprach er für eine kurze Übergangszeit sein Vertrauen aus, wobei er dem Wort des Königs, keine Diktatur zuzulassen, Glauben schenkte. Nach der Errichtung der Diktatur am 4. August 1936 wartete er zunächst ab, ob Metaxas seine Zusage, gemaßregelte republikanische Offiziere zu reaktivieren, einhalten würde, und protestierte schließlich am 29. Dezember 1936 gegen das Regime. Eine gewaltsame Beseitigung der Diktatur lehnte S. ab, nahm aber eindeutig gegen Metaxas Stellung. Nach der Befreiung Griechenlands 1944 warnte S. wie schon während der Okkupation vor einer Rückkehr Georgs II. ohne vorausgehenden Volksentscheid und protestierte zusammen mit Georgios Kafantaris und Nikoalos Plastiras gegen den ausufernden Terror rechter Extremisten. Als 85jähriger wurde er in der kritischen Situation zwischen dem kommunistischen Dezemberaufstand 1944 und dem Wiederbeginn des Bürgerkrieges Ministerpräsident einer breiten Koalition der demokratischen Parteien (21.11.1945). Er ermöglichte eine demokratische Reorganisation der Gewerkschaften und griff gegen die Banden der Organisation X (Chi) des Georgios Grivas durch. In den Wahlen am 31. März 1946 erhielt die von S. geführte Liberale Partei, eine der drei liberalen Parteien, nur 14,39% der Stimmen und 48 Mandate. Vom 7. September 1947 bis zu seinem Tode, während der schwersten Jahre des Bürgerkrieges, war S. Ministerpräsident von Koalitionsregierungen der Liberalen und der Volkspartei und ging gegen die kommunistischen Aufständischen unerbittlich vor.

Literatur

Woodhouse, Christopher Montague: Apple of Discord. A Survey of Recent Greek Politics in their International Setting. London 1948.
Dafnis, Grigorios: I Ellas metaxi dio polemon 1923-1940. 2 Bde. Athen 1955.
Meynaud, Jean: Les forces politiques en Grèce. Montreal 1965.
Iatrides, John O.: Revolt in Athens. The Greek Communist „Second Round“, 1944-1945. Princeton, N. J. 1972.
Woodhouse, Christopher Montague: The Struggle for Greece 1941-1949. London 1976.  

Verfasser

Gunnar Hering (GND: 1078119694)

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Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd1050519140.html


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Empfohlene Zitierweise: Gunnar Hering, Sofulis, Themistoklis, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 154-155 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1672, abgerufen am: (Abrufdatum)

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