Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Grivas, Georgios
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Grivas, Georgios

Grivas, Georgios, griechischer Offizier und Politiker, unter dem Decknamen „Digenis“ Führer der zypriotischen Untergrundbewegung EOKA, * Trikomo bei Famagusta (Ammochostos) 23.05.1898, † Limassol 27.01.1974.

Leben

Als Sohn eines verarmten Getreidehändlers trat G. 1914 in die Athener Offiziersschule ein, nahm 1920-1922 an der Kleinasienexpedition teil und diente anschließend als Kompaniechef in Thrazien. Danach wurde er an der École de tir, der École d’infanterie in Versailles, als Stabsoffizier der 8. französischen Division und an der École de guerre in Paris weitergebildet. 1940 diente er als Oberstleutnant im Generalstab, dann als Chef des Stabes der 2. Division. 1943 bildete er die rechtsextreme royalistische Untergrundorganisation X (Chi), die in erster Linie die rasch anwachsende, kommunistisch geführte Widerstandsbewegung EAM/ELAS (Elliniko Apeleftherotiko Metopo/ Ellinikos Laikos Apeleftherotikos Stratos) bekämpfte; militärische Aktionen gegen die Besatzungsmächte seien angeblich wegen fehlender britischer Unterstützung unterblieben. Von ihrem Hauptstützpunkt um das Athener Theseion aus unternahmen bewaffnete X-Gruppen Anschläge auf kommunistische Widerstandsgruppen; durch immer rücksichtsloseren Terror auch gegen nichtkommunistische republikanische Organisationen trug die Bewegung nach dem Abzug der Deutschen erheblich zur innenpolitischen Verschärfung bei. 1946 gründete G. die „Partei der Chiten des Nationalen Widerstands“, die 1946 mit 15 Kandidaten in zwei Wahlkreisen jedoch nur 0,17 % der Stimmen erhielt. 1950 als „Nationale Bauernpartei der Chiten“ neugebildet, errang sie in den Wahlen dieses Jahres trotz wesentlich verbreiterter organisatorischer Basis (106 Kandidaten in 20 Wahlkreisen) nur 0,84 % der Stimmen; an den Wahlen von 1951 nahm G. als Kandidat der Volkspartei erfolglos teil.
Trotz der Zurückhaltung des griechischen Kabinetts gegenüber seinen Plänen organisierte G. mit Unterstützung des Athener Erzbischofs Spiridon, des Admirals Alexandros Sakellariu und später auch des Erzbischofs von Zypern und ehemaligen Mitarbeiters der Organisation Chi, Makarios, den Widerstand gegen die britische Herrschaft auf Zypern mit dem Ziel, die Weltöffentlichkeit auf die Forderung der Zyprioten nach Selbstbestimmung, d. h. nach Anschluß an Griechenland, aufmerksam zu machen und die Engländer an den Verhandlungstisch zu zwingen. Die „Nationale Organisation Zypriotischer Kämpfer“ (Ethniki Organosis Kiprion Agoniston = EOKA), die am 31. März 1955 mit Sprengstoffanschlägen in Erscheinung trat, führte mit ihren Hilfsorganisationen unter straffer Führung durch G. einen wirkungsvollen Bandenkrieg gegen das nur gelegentlich erfolgreiche britische Militär sowie gegen griechische Zyprioten, die mit den Engländern zusammenarbeiteten, schließlich gegen politische Gegner überhaupt. Das wachsende Engagement der türkischen Minorität und der Türkei in der Zypernfrage führte zum Kampf auch gegen die türkischen Organisationen. Die Morde an Polizisten, Soldaten, Zivilpersonen, politischen Gegnern und Geiseln diskreditierte die Unabhängigkeitsbewegung, der Anspruch des G. auf selbstherrliche und kompromißlose Durchsetzung seiner Vorstellungen brachte ihn in Gegensatz zur griechischen Regierung. Durch die ohne ihn geführten Zürcher Verhandlungen, die zum Londoner Abkommen vom 19. Februar 1959 (Unabhängigkeit ohne Anschluß) führten, sah er sich zur formellen Beendigung der Kämpfe am 9. März 1959 gezwungen; in Griechenland wurde er begeistert empfangen und zum Generalleutnant befördert.
Als erbitterter Gegner der für die Kompromißlösung der Zypernfrage verantwortlichen Nationalradikalen Union des Ministerpräsidenten Karamanlis versuchte er im November 1960 ohne Erfolg, das zersplitterte Zentrum in einer „Bewegung der nationalen Wiedererstehung“ (Kinisis Ethnikis Anadimiurgias = KEA) zu einen, für die ihm der Führer der Liberalen, Sofoklis Venizelos, 15 Abgeordnete zur Verfügung stellte.
Die Auseinandersetzungen zwischen dem griechischen und dem türkischen Bevölkerungsteil führten ihn 1964 wieder nach Zypern, wo er zunächst als Berater, vom 13. August an als Kommandeur der Streitkräfte auf Zypern für den sofortigen Anschluß der Insel an Griechenland auf Grund eines von der NATO zu vermittelnden Abkommens und gegen die vom Präsidenten Makarios beabsichtigte und durch die UdSSR geförderte „Internationalisierung“ der Zypernfrage im Rahmen der UNO auf trat. Als G. 1967 bei einer von ihm selbst geleiteten „Patrouillenfahrt“ größerer griechischer Truppenabteilungen auf Warnschüsse von Türken hin die Türkenviertel von Kofinu und Agios Theodoros zusammenschießen ließ, brachte die dadurch zugespitzte Krise Griechenland und die Türkei an den Rand des Krieges. G. wurde sofort abberufen, kehrte aber 1971 nach Zypern zurück, um im Untergrund gegen die legale Regierung Makarios zu operieren („EOKA II“).

Literatur

Grivas-Dighenis, Georgios: Partisanenkrieg heute. Lehren aus dem Freiheitskampf Zyperns. Frankfurt 1964.
The Memoirs of General Grivas. Hrsg. Ch. Foley. New York, Washington 1965.

Verfasser

Gunnar Hering (GND: 1078119694)

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Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd119208725.html


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Empfohlene Zitierweise: Gunnar Hering, Grivas, Georgios, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 91-92 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=909, abgerufen am: (Abrufdatum)

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