Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Alexander I. Karadjordjević
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Alexander I. Karadjordjević

Alexander I. (Aleksandar) Karadjordjević, König des „Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen“ bzw. seit 1929 „Jugoslawiens“ 1921-1934, * Cetinje 17.12.1888, † Marseille 9.10. 1934, Sohn König Peters I. Karadjordjević und Ljubica-Zorkas, einer Tochter Nikolaus' von Montenegro.

Leben

A.s Jugendjahre waren durch familiäre Schwierigkeiten (Zerwürfnis des Vaters mit dem montenegrinischen Herrscherhaus nach dem Tode der Mutter 1890) und die politischen Gegensätze zur regierenden Dynastie der Obrenovići in Serbien erheblich belastet. Der Vater mußte mehrere Jahre unter schwierigen finanziellen Bedingungen im Schweizer Exil verbringen. Dort bzw. seit 1899 in St. Petersburg erhielt der junge A. eine höhere Schulbildung, 1904 trat er in das Pagenkorps am Petersburger Hof ein. In Serbien mußte er nach der Thronbesteigung seines Vaters im Jahre 1903 in der Armee sich vom einfachen Soldaten bis zum Leutnant empordienen (1903-1909), ehe er nach dem Thronverzicht seines älteren Bruders Djordje am 29. März 1909 offiziell zum Thronfolger erklärt wurde. Zwei Jahre später folgte die Ernennung zum Generalinspektor des Heeres.
Während der Balkankriege 1912/13 befehligte er die 1. serbische Armee (Teilnahme an der Schlacht von Kumanovo [23.-24.10. 1912]), im 1. Weltkrieg stellte er in seiner Eigenschaft als Oberbefehlshaber der serbischen Truppen in den kritischen Phasen des Rückzuges durch Albanien und der Evakuierung nach Korfu seine Führerqualitäten unter Beweis. Noch vor Ausbruch des Krieges war er von König Peter am 24. Juni 1914 zum Prinzregenten berufen worden. Als faktischer Leiter der Staatsgeschäfte nahm er nach dem Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie maßgeblichen Anteil an der Verwirklichung des südslawischen Einheitsgedankens, den er in dem folgendem Jahrzehnt gegen sich immer mehr radikalisierende Gegenkräfte entschieden vertreten hat.
Im Sinne der von Ante Trumbić und Nikola Pašić ausgehandelten Deklaration von Korfu vom 20. Juli 1917 proklamierte er am 1. Dezember 1918 als Antwort auf eine entsprechende Adresse des Agramer Nationalrates die Vereinigung Serbiens mit den bisher im habsburgischen Staatsverbande lebenden Kroaten, Slowenen und Serben und trat zunächst als Prinzregent, am 16. August 1921, nach dem Tode seines Vaters, als König an die Spitze dieses „Königreiches der Slowenen, Kroaten und Serben“ (SHS).
Dank seines diplomatischen Geschicks konnte er diesem durch innere und äußere Widersprüche vorbelasteten politischen Einigungswerk zur notwendigen außenpolitischen Absicherung verhelfen. Dazu wurde das kollektive Sicherheitssystem im Rahmen der antirevisionistischen „Kleinen Entente“ unter französischer Ägide, wodurch die drei „Nachfolgestaaten“ Tschechoslowakei, Rumänien und das südslawische Königreich seit 1921 insbesondere gegen ungarische Restaurationsversuche abgeschirmt werde sollten, durch eine Reihe zweiseitiger Vereinbarungen ergänzt. Die Vermählung A.s mit Maria, der Tochter König Ferdinands von Rumänien, im Jahre 1922 festigte die Beziehungen zum Nachbarn und Verbündeten; der mit Mussolini vereinbarte sogenannte „Adria-Pakt“ oder Pakt von Rom vom 27. Januar 1924 brachte eine zumindest vorläufige Bereinigung der strittigen Grenzprobleme im Adriaraum (Fiume wurde Italien zugesprochen); der Ausgleich mit Griechenland wurde im Zeichen einer wachsenden Bedrohung des balkanischen Staatensystems durch das Übergreifen Italiens nach Albanien und eine vom nationalsozialistischen Deutschland geförderte Revisionspolitik der Pariser Vorortsverträge im sogenannten Balkanpakt vom 9. Feberuar 1934 (kollektiver Sicherheitspakt zur Wahrung des territorialen Status quo zwischen Jugoslawien, Griechenland, Rumänien und der Türkei) erreicht. Kurz vor seinem tragischen Tode gelang dem König auch noch die schwierige Verständigung mit dem Nachbarn im Osten, Bulgarien.
Vergleichbare Erfolge waren dem König auf dem Gebiete der Innenpolitik nicht beschieden gewesen. Noch bevor er dem Mordanschlag terroristischer separatistischer Verschwörer zum Opfer fiel, mußte er im Jahre 1929 durch die Errichtung einer Königsdiktatur das Scheitern seines Aussöhnungsversuches zwischen den Parteien im Inneren offen eingestehen. Der vielbeschworene Geist von Korfu hatte in dem ersten Jahrzehnt seine Bewährungsprobe im politischen Alltag nicht bestanden. Schon die Verfassung vom 28. Juni 1921 (Vidovdan-Verfassung) trug allzu deutlich die Handschrift des Führers der serbischen Radikalen Partei und Ministerpräsidenten Nikola Pašić, und war bei den Kroaten, insbesondere der Bauernpartei Stjepan Radićs, auf scharfe Ablehnung gestoßen. Nur vorübergehend vermochte der König einen Ausgleich zwischen Serben und Kroaten (gemeinsame Regierung Pašić-Radić 1925) zu vermitteln. Parlamentsboykott, verschärfte Polizeimaßnahmen und ein wachsender Terrorismus radikaler Gruppierungen bildeten die wechselnden Stationen einer erbitterten serbisch-kroatischen Auseinandersetzung, die mit der Ermordung Radićs in der Belgrader Skupština 1928 ihren Höhepunkt erreichte und den König im Interesse der bedrohten Staatseinheit zum Eingreifen zwang. Durch königliches Manifest vom 6. Januar 1929 wurde die Auflösung der Skupština und die Aufhebung der Vidovdan-Verfassung verfügt, Legislative und Exekutive in der Hand des Königs vereinigt und dem Kommandanten der Garde, General Petar Živković, die Regierungsverantwortung übertragen. Vergeblich versuchte der König in den folgenden Jahren durch eine Neueinteilung des Landes (in 9 Banate, die schon in der Namensgebung Anklänge an historische Landschaften vermeiden sollten), durch ein Verbot sämtlicher Vereine auf konfessioneller, stammesmäßiger oder regionaler Grundlage, durch die Förderung gesamtstaatlicher politischer Institutionen (Gründung der „Jugoslawischen Radikalen Bürgerlichen Demokratie“, später unter dem Namen „Südslawische Nationalpartei“, als Staatspartei, Verstaatlichung der Jugendorganisation des „Sokol“ im Dezember 1929 und Umwandlung in eine Jugendbewegung zur Förderung des jugoslawischen Gesamtstaatsgedankens) und Symbole (1929 Umbenennung des Staates in „Jugoslawien“, 1930 Ersetzung der alten serbischen Heeresfahnen durch blau-weiß-rote südslawische Trikoloren) die südslawische Idee über alle Gegensätzlichkeiten hinweg zu retten. Doch nur durch sein autoritäres Regime, zu dem die neue Verfassung vom 3. September 1931 die Grundlagen legte, vermochte er dem Terrorismus noch Einhalt zu gebieten. Als Opfer dieses unversöhnlichen Hasses ist der König anläßlich eines Staatsbesuches in Frankreich am 9. Oktober 1934 gemeinsam mit seinem Gastgeber, dem französischen Außenminister Barthou, einem Revolverattentat erlegen.

Literatur

Eylan, Claude (Pseud. für Baroneß Henriette Josephine Francisca van Boecop): La Vie et la mort d’Alexandre Ier, Roi de Yougoslavie. Paris 1935.
Faure-Biguet, Jacques Napoléon: Le Roi Alexandre Ier de Yougoslavie. Paris 1936.
Graham, Stephen: Alexander of Yougoslavia. Strong man of the Balkans. London 1938. New Haven/Conn. 1939.
ln der Maur, Gilbert: Die Jugoslawen einst und jetzt. 3 Bde. Leipzig 1936/38.
Pribićević, Svetozar: Diktatura kralja Aleksandra. Belgrad 1953(2).
Milićević, Vladeta: Der Königsmord von Marseille. Das Verbrechen und seine Hintergründe. Bad Godesberg 1959.
Čulinović, Ferdo: Jugoslavija izmedju dva rata. 2 Bde. Belgrad 1961.

Verfasser

Edgar Hösch (GND: 105823724)

GND: 118647970

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd118647970.html


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Empfohlene Zitierweise: Edgar Hösch, Alexander I. Karadjordjević, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 35-37 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=421, abgerufen am: (Abrufdatum)

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