Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Theotokis, Georgios
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Theotokis, Georgios

Theotokis, Georgios, griechischer Politiker, * Kerkyra (Korfu) 22. (10.) 02.1843, † Athen 17. (4.) 01.1916.

Leben

Th. entstammte einer der ältesten Korfioter Adelsfamilien; er war der Vater des 1922 nach dem Militärputsch von Nikolaos Plastiras und Stilianos Gonatas zusammen mit vier führenden Politikern und einem General hingerichteten Ministers Nikolaos Th. Nach dem Studium in Genf und Paris, wo er zum Doktor der Rechte promovierte, war Th. ab 1868 in Kerkyra als Anwalt tätig. 1873 begann er seine Laufbahn als Politiker. 1880 wurde er zum Bürgermeister der Stadt Kerkyra, 1885 als Angehöriger der Partei des Chari-laos Trikupis zum Abgeordneten gewählt. Im Mai 1886 trat er als Marineminister in dessen Kabinett ein und entwickelte in Zusammenarbeit mit der französischen Marinemission unter Admiral Lejeune das Programm der Rüstungen zur See, 1889/90 übernahm er in der Regierung des Charilaos Trikupis das Kultus-, 1892 das Innenressort. 1893 leitete er die griechische Delegation, die in London über eine Ausländsanleihe verhandelte. 1897 berief ihn Dimitrios Rallis als Innenminister in sein Kabinett.
Nach dem Tode des Charilaos Trikupis wurde er zu dessen Nachfolger in der Führung der Partei gewählt, die er in den Wahlen am 19. (7.) Februar 1899 zum Sieg führte. Am 14. (2.) April 1899 bildete er seine erste Regierung und leitete die Reorganisation und Modernisierung der Streitkräfte ein, die nach 1910 von Eleftherios Venizelos abgeschlossen wurde: Das Gesetz BXM vom 27. (15.) Juli 1899 ermöglichte die Berufung ausländischer Militärberater und Ausbilder, die dann unter Venizelos nach Griechenland kamen; durch das Gesetz BPsi vom 7. April (25. III.) 1900 wurde das Heer einem Oberkommandeur unterstellt, der gleichzeitig als Generalinspekteur fungierte, der Thronfolger Konstanti-nos (I.) auf diesen Posten berufen und die innere Organisation der Truppenteile gestrafft. Im Dezember 1900 richtete Th. den Flottenfond ein. Am 24. (11.) November 1901 trat er wegen der blutigen Krawalle um die Übersetzung des Neuen Testaments in die neugriechische Volkssprache zurück. Sein am 26. Juni (13. VI.) 1903 gebildetes Kabinett hielt sich nur zwei Wochen, ohne daß sein Nachfolger Dimitrios Rallis eine stabde Mehrheit im Parlament finden konnte. So bildete wiederum Th. am 18. (5.) Dezember 1903 mit parlamentarischer Unterstützung durch Alexandros Zaimis die Regierung, die am 23. (10.) Dezember 1904 zurücktrat, als Zaimis ihr das Vertrauen entzog. Angesichts der Rivalität zwischen Griechen und Bulgaren in Mazedonien und Thrazien, die sich nach der Errichtung einer vom ökumenischen Patriarchat als schismatisch verurteilten unabhängigen bulgarischen Kirche 1870 (Ilarion Makariopolski) und der Annexion Ostrumeliens durch Bulgarien 1885 immer mehr zuspitzte, sah Th. in den Balkanslawen den Hauptfeind einer künftigen Expansion Griechenlands und entschied sich für eine Außenpolitik, die auf die vorsichtige Annäherung an das Deutsche Reich und die Beruhigung der Beziehungen zur Türkei abzielte. Gleichzeitig reorganisierte er die Konsulate in Mazedonien, förderte die Tätigkeit griechischer Freischärler (Pavlos Melos) und setzte die Rüstungen fort. Der durch die Auswirkungen des unglücklichen Krieges gegen die Türkei 1897 und durch die Ansiedlung von 37.000 Flüchtlingen aus Ostrumelien in Thessalien ohnehin belastete Haushalt, der die zunehmenden Rüstungskosten, den Ausbau des Straßen- und Eisenbahnnetzes sowie der Häfen zu finanzieren hatte, sollte durch rigorose Einsparungen in der Staatsverwaltung und durch neue Steuern ausgeglichen werden. Andererseits bestanden für die Wirtschaftsund Finanzpolitik des Th. insofern günstige Voraussetzungen, als die Devisenüberweisungen griechischer Auswanderer und die solide Politik der Regierung einen wirtschaftlichen Aufschwung ermöglichten, der selbst die Erwartungen der Internationalen Finanzkontrolle übertraf. Am 21. (8.) Dezember 1905 bildete Th. ein neues Kabinett, das nach dem Wahlsieg am 8. April (26. III.) 1906 noch drei Jahre im Amt blieb. Th., der zugleich Heeresminister war, widmete auch jetzt der Rüstung seine besondere Aufmerksamkeit und berief Dimitrios Gunaris zum Finanzminister. Am 7. (4.) Juli 1909 trat er wegen einer Meinungsverschiedenheit mit König Georg I. zurück. Nach der Militärrevolte von 1909 und dem Erscheinen des Eleftberios Venizelos auf der politischen Bühne vergab Th., dessen Partei in den Wahlen am 21. (8.) August 1910 ein Viertel der Mandate errang und zusammen mit den anderen „alten“ Parteien 205 Mandate (gegenüber 150 mit Venizelos sympathisierenden Unabhängigen) kontrollierte, die Chance, eine kräftige Opposition aufzubauen, als er aus verfassungsrechtlichen Bedenken die trotz breiter Mehrheit für das Programm des Venizelos vom König bewilligte Auflösung des Ersten Verfassungsändernden Parlaments mißbilligte und die Neuwahlen am 11. Dezember (28. XI.) 1910 boykottierte. Ab 20. (7.) Oktober 1915 hatte er in den Kabinetten des Alexandros Zaimis bzw. Stefanos Skuludis das Kultusministerium inne.

Literatur

Markezinis, Spiridon V.: Politiki istoria tis neoteras Eliados. 1828-1964. Bd 2. Athen 1966.
Istoria tu Elliniku Ethnus. Bd 14. Athen 1977.

Verfasser

Gunnar Hering (GND: 1078119694)

GND: 133344894

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd133344894.html


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Empfohlene Zitierweise: Gunnar Hering, Theotokis, Georgios, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 307-308 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1774, abgerufen am: (Abrufdatum)

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