Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Mehmed II. Fâtih
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Mehmed II. Fâtih

 Mehmed II. Fâtih (der Eroberer), osmanischer Sultan 1451-1481, * Edirne 30.03.1432, † bei Gebze 03.05.1481, Sohn Murads II.

Leben

 M. war der Schöpfer der Grundlagen des modernen Osmanischen Reiches nach dessen Restauration und Konsolidierung durch seine Vorgänger Mehmed I. und Murad II. Als Kronprinz hatte er die Gouverneur-Stelle in Mağnisa inne, vertrat aber 1444 kurzfristig seinen Vater Murad II. aufgrund noch ungeklärter innerer Vorgänge, die vielleicht mit dem Umbau des Reiches zum Vielvölkerstaat und dem Aufkommen des Renegatentums zusammenhingen. Nach Murads II. Rückkehr auf den Thron wieder zum Prinz-Gouverneur von Mağnisa ernannt, zeigte sich M. als recht eigenwillig. Während seiner Stellvertretung in Adrianopel soll er sogar extrem-schiitischen Gedanken, wie sie die Hurûfîye-Sekte verfocht, zugänglich gewesen sein. Seine Nachfolge auf den Osmanenthron nach dem unerwarteten Tod Murads II. bedeutete einen weltweiten politischen Umbruch, der nach Niederschlagung einer Karamanier-Revolte durch die Eroberung Konstantinopels (29.05.1453) eingeleitet wurde. Durch eine unkluge Provokation gereizt - der byzantinische Kaiser Konstantin XI. drohte, den in seinem Gewahrsam befindlichen Osmanenprinzen Orhan als Thronwerber loszulassen - suchte M. Byzanz durch eine Wirtschaftsblockade (Sperrung des Bosporus durch Erbauung des Forts Rumeli Hisar) abzuwürgen und schritt auf den Protest der Byzantiner hin zum offenen Krieg. Was dem Fall der Stadt folgte, war eine nahezu ununterbrochene Kette von Eroberungen in Ost und West, die zum Teil M.s unbestreitbarer politisch-militärischer Genialität, zum großen Teil aber auch der Dummheit, Unfähigkeit und Uneinigkeit der Gegner vorab im Abendlande zu verdanken waren. Eine gewisse strategisch-politische Systematik, durch geopolitisch-wirtschaftliche Sachzwänge bedingt, ist nicht zu verkennen. Die Erledigung des genuesischen Levantereiches wurde eingeleitet durch die Wegnahme von Enos und Lemnos (1455), der 1462 die von Lesbos folgte. Ein weiteres großes Anliegen des Eroberers war die Festigung der Balkanstellung und der dadurch bedingten Festsetzung auf der Peloponnes. Im Hintergrund der Kämpfe der Jahre 1455/56 gegen die Koalition des Serbenfürsten Georg Branković, des Ungarn Johann Hunyadi und des Kreuzfahrerheeres unter der anfeuernden Führung des Minoritenpredigers Johannes von Capestrano stand der Drang nach dem Totalbesitz der transbalkanischen Straße und dem Besitz der Festung Belgrad als dem Tor nach Ungarn und zu der den Weg nach Oberitalien öffnenden Save-Linie. Die erfolgreiche Abwehr des osmanischen Ansturms gegen Belgrad war zwar eine der wenigen Niederlagen M.s, ihre Ausnützung durch die Gegner wurde aber durch das Hinscheiden der Hauptakteure, Johann Hunyadis, Georg Brankovićs und Johannes von Capestranos, vereitelt, zumal Papst Pius II. bei seinen Kreuzzugsbemühungen keinen Erfolg hatte. So konnte M. Serbien zur unmittelbaren osmanischen Provinz erklären (1458/59) und 1460 die letzte paläologische Herrschaft auf der Peloponnes beseitigen. Ein auf zehn Jahre geplanter Waffenstillstand mit dem ab 1458 von Venedig, Neapel und dem Papst unterstützten albanischen Freiheitshelden Georg Kastriota (Skanderbeg), dessen Bekämpfung eine Hinterlassenschaft Murads II. war, verschaffte M. Rückenfreiheit für die Annexion von Sinope (Kleinasien) und des letzten kleinasiatischen Byzantinerreiches der Trapezunter Komnenen (1461). Die Eroberung des bosnischen Königreiches 1463/64 ermöglichte den ersehnten Vorstoß zur Adria, der vervollständigt wurde durch die Unterjochung Albaniens nach dem Tode Skanderbegs (1467). Mit der Errichtung der Sperrfestung Elbasan brachte M. die wesentlichsten Übergänge zwischen dem transbalkanischen Straßennetz und der Küste des Adriatischen und Ionischen Meeres unter seine Kontrolle und bedrohte damit auch die Straße von Otranto, den neuralgischen Punkt des Venezianischen Handelsimperiums. Ein zunächst noch diplomatisch bereinigter, aber weiterschwelender Zwist mit dem Herrn der Horde vom Weißen Hammel, Uzun Hasan, der aufgrund seiner Komnenen-Verwandtschaft Anspruch auf Trapezunt erhob, wurde akut, als Venedig mit Uzun Hasan einen Zweifrontenkrieg gegen M. versuchte. M. antwortete mit der Wegnahme des venezianischen Levante-Bollwerks Negroponte (1470), wandte sich aber dann der Ausschaltung Uzun Hasans zu, der bei Erzincan geschlagen wurde (1473). Durch die Eroberung der genuesischen Kolonie Kaffa (Feodosia) auf der Krim erhielt das niederbrechende genuesische Handelsimperium in der Levante den Todesstoß (1475), das Krim-Chanat als Satellit des Osmanenreiches bedeutete eine gewaltige machtmäßige Stärkung. Venedig, praktisch allein auf sich gestellt, war dem erschöpfenden Krieg nicht länger gewachsen. Nach dem Fall des venezianischen Skutari mußte es 1479 in einen kostspieligen Frieden einwilligen. Es verblieb ihm von seinen albanischen Besitzungen nur wenig, ebenso von den peloponnesischen Besitzungen. Nur gegen exorbitante Zahlungen vermochte es seinen Osthandel aufrecht zu erhalten. Mißgeschick hatte M. gegen die Rhodeser Ritter, die ihre Insel erfolgreich gegen ihn verteidigten. Die Landung osmanischer Truppen in Unterhalten (Otranto 1480) wurde zur vergessenen Front, als M. im Mai 1481 im Feldlager auf der Kaiser-Wiese (Hünkâr Çayiri) eines noch heute ungeklärten Todes starb. Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß sein Sohn Bayezid (II.) die Hand im Spiele hatte, der um sein Leben bangen mußte, wenn auch das Ziel des Feldzuges bis heute ungeklärt geblieben ist. Das Bild M.s schwankt in der Geschichte zwischen Bewunderung und Abscheu. Was an negativen Charakterzügen ihm eigen war (Grausamkeit und Skrupellosigkeit), teilte er mit nicht wenigen seiner fürstlichen Standesgenossen in Ost und West, seine Tatkraft und politisch-militärische Tüchtigkeit ist nicht zu leugnen. Seine Macht stützte er auf die islamisch-orthodoxe Geistlichkeit, bei den sufischen Gruppen (Derwischen) war er unbeliebt, beliebt aber bei den von ihm stark begünstigten Juden. Persönlich war er Atheist und glaubte nach dem Zeugnis des eigenen Sohnes nur an die Gewalt, doch zeigte er abergläubische Züge. Wenn dennoch eine lebhafte Bautätigkeit unter ihm herrschte, so teils aufgrund des orientalischen Herrscherklischees, das Moscheebauten und andere fromme Mäzenentätigkeit erforderte (z. B. Mehmed Fâtih-Moschee, Achter-Medresen), teils im militärischen Interesse (Festungsbauten). Seine ihm angedichteten klassischen Interessen bezogen sich auf Militaria. Darin war er ausgesprochen modern, - artilleristische Großeinsätze mit Hilfe abendländischer Geschützgießer zeugen davon. Zur Erhaltung und Mehrung der Macht war ihm jedes Mittel recht, sogar der Brudermord; zum Aus- und Aufbau zog er Nicht-Türken (Genueser, Griechen, Slawen, Albaner, Juden, Italiener usw.) ohne Hemmungen heran. Er ließ sich gegen Ende seines Lebens sogar von dem Italiener Gentile Bellini porträtieren. Seine Herkunft mütterlicherseits ist umstritten, zur Auswahl stehen Serbin, Italienerin und Jüdin, doch ist auch in dieser Hinsicht, wie für vieles andere über ihn Behauptete, Propaganda weitgehend verantwortlich. Eine aus dynastischen Gründen geschlossene Ehe mit einer Dulkadr-Prinzessin (Sitt Hatun) verlief kinderlos. M.s drei Söhne (Mustafa, Cem und Bayezid II.) stammten von Sklavinnen. M.s Hauptleistungen im zivilen Sektor waren juristische Reformen (Kanunname), Förderung von Dichtern und wirtschaftliche Organisationstätigkeit (Pachtsystem mit ausländischen Geldgebern). Jedenfalls war M. eine der „verwirrendsten Gestalten der Weltgeschichte“ (Franz Babinger).

Literatur

Babinger, Franz: Mehmed der Eroberer und seine Zeit. Weltenstürmer einer Zeitenwende. München 1953, 1959(2) (auch in französischer, italienischer und serbokroatischer Übersetzung).

Verfasser

Hans-Joachim Kißling (GND: 118723251)

GND: 118583166

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd118583166.html


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Empfohlene Zitierweise: Hans-Joachim Kißling, Mehmed II. Fâtih, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 138-140 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1320, abgerufen am: (Abrufdatum)

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