Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

K’oseivanov, Georgi Ivanov
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K’oseivanov, Georgi Ivanov

 K’oseivanov, Georgi Ivanov, bulgarischer Politiker, * Peštera 19.01.1884, † La Tour- de-Peilz (Schweiz) 27.07.1960.

Leben

 Nach dem Jurastudium in Paris und nach Erwerbung des Doktorgrades (1909) durchlief K. eine bewegte und glanzvolle Diplomatenkarriere, die ihn nach Paris, Rom, Istanbul, Bern, als Geschäftsträger nach Berlin (1920-1923) und als Gesandten nach Bukarest, Athen und Belgrad führte.
 K. gehörte als parteiloser Berufsdiplomat bald zu den engsten Vertrauten des Zaren Boris III. 1934 wurde er zum Chef der königlichen Kabinettskanzlei, am 21. April 1935 zum Außenminister im Kabinett Andrej Tošev und am 23. November 1935 zum Ministerpräsidenten (und gleichzeitig zum Außenminister) ernannt. Die Kabinette von K. hatten vor allem den Auftrag, die Stellung des Zaren, der Anfang 1935 die politische Führung Bulgariens übernommen hatte, zu konsolidieren und auf dieser Grundlage ein stabileres Regierungssystem zu schaffen. Mit dem Prozeß gegen oppositionelle Offiziere im Dezember 1935 und mit der Auflösung des Militärbundes am 3. März 1936 wurde die Armee „entpolitisiert“ und in ihrer Loyalität gegenüber der Krone gestärkt. - Die Aufnahme von zwei Mitgliedern der rechtsextremen Cankov-Bewegung (Todor Kožucharov und Dimitŭr Ivanov Mišajkov) in das zweite Kabinett von K. im Juli 1936 rief heftige Proteste hervor. Als schließlich Aleksandŭr Cankov wieder diktatorische Ambitionen zeigte, mußten die beiden Cankov-Anhänger im Kabinett von K. zurücktreten (Oktober 1936). Mit dem dritten Kabinett von K., das am 23. Oktober 1936 gebildet wurde, nahm das Regime des Zaren festere Formen an: Die Parteiorganisationen (einschließlich der Cankov- Bewegung) blieben weiterhin vom politischen Leben ausgeschlossen. Dem Drängen der Öffentlichkeit nach Wiederherstellung der Konstitution von Tŭrnovo kam der Zar durch die Fferanziehung von kooperationswilligen Politikern der verschiedenen Parteien an die Regierung und durch die Verbindung seines Regimes mit einigen Elementen der parlamentarischen Demokratie entgegen. Von den Kommunalwahlen im März 1937 und den Parlamentswahlen im März 1938 erhoffte sich die bulgarische Führung eine „Legalisierung“ des Regimes. Jedoch fiel der Sieg der Regierungskandidaten bei den Parlamentswahlen mit 27 Prozent der Stimmen so dürftig aus, daß die Regierung auch weiterhin gezwungen war, innen- und außenpolitisch zu „lavieren“. In der Außenpolitik war die Regierung K. (gemeinsam mit Zar Boris III.) bemüht, Bulgarien aus der Isolation auf dem Balkan herauszuführen und die strittigen Fragen durch Verständigung mit den Nachbarstaaten zu lösen. Die sichtbarsten Erfolge dieser Politik waren die Annäherung an Jugoslawien, die im Freundschaftspakt vom 24. Januar 1937 und in der Begegnung zwischen K. und Milan Stojadinović am 31. Oktober 1938 in Niš ihre Flöhepunkte fand, und das Abkommen von Saloniki vom 31. März 1938, das den Weg zum Beitritt Bulgariens in den Balkanpakt ebnen sollte. Die bulgarischen Hoffnungen auf einen freien Zugang zur Ägäis (Dedeağaç, heute Alexandrupolis) und auf eine freiwillige Rückgliederung der Süddobrudscha durch Rumänien wurden jedoch enttäuscht. Trotz der handelspolitischen Abhängigkeit Bulgariens von Deutschland suchten Zar Boris III. und die Regierung K. eine einseitige politische Bindung an eine der Großmächte zu vermeiden. Erst der Besuch von K. in Berlin im Juli 1939 leitete eine sichtbare (politische) Annäherung Bulgariens an Deutschland ein. Hierbei zielte K. auf deutsche Hilfe bei der Aufrüstung der bulgarischen Armee und auf deutsche Unterstützung der bulgarischen Revisionsforderungen. Deutschem Druck in der Frage des bulgarischen Beitritts zur Achse wußte die Regierung K. jedoch geschickt auszuweichen. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges proklamierte Bulgarien seine Neutralität (Erklärung vom 24.10. 1939). K. betrieb eine Politik des Abwartens und war bestrebt, eine Verwicklung in den Krieg zu vermeiden. Differenzen mit Boris III. führten am 16. Februar 1940 zur Ablösung von K. durch Bogdan Filov. Noch im gleichen Jahr wurde K. als Gesandter nach Bern „externiert“. Erst im Juli 1943 fand in Sofia die große „Versöhnung“ von K. mit dem Zaren statt. Im Frühjahr 1944, als die Umorientierung Bulgariens (weg vom Bündnis mit Deutschland) akut wurde, traf K. auf eigene Faust mit Allen Dulles in Bern mehrere Male zusammen, um eine Garantie der Westmächte für die Grenzen Bulgariens zu erwirken. Aus Furcht vor einer massiven Reaktion Deutschlands gegen Bulgarien wurde ihm verboten, diese Kontakte fortzuführen. Am 19. September 1944 wurde K. von der Regierung der „Vaterländischen Front“ von seinem Gesandtenposten in Bern entlassen. Bis zum Spätsommer 1951 verblieb K. in der Schweiz (Genf). Um in der Nähe der Königinmutter Giovanna und des jungen Zaren Simeon II. zu sein, siedelte er nach Madrid über. Im Sommer 1956 kehrte er in die Schweiz zurück.

Literatur

La Bulgarie, Sofia, Nr. 3497 vom 22.04.1935.
Busch-Zantner, Richard: Bulgarien. Leipzig 1941.
Dimitrov, Ilčo: Bŭlgarskata demokratična obštestvenost, fašizmŭt i vojnata 1934-1939. Sofija 1972 (God. Sof. Univ., filos.-ist. Fak. 64 (1970) T. 2).
Mančev, Krast’o: Germanija i bŭlgaro-jugoslavskite otnošenija v navečerieto na vtorata svetovna vojna. In: Bŭlgarsko-germanski otnošenija i vrŭzki. Izsledvanija i materiali. Bd 1. Sofija 1972, 347-371.
Genčev, Nikolaj: Bŭlgarsko-germanski diplomatičeski otnošenija (1938-1941). In: Ebd., 391-434.

Verfasser

Hans-Joachim Hoppe (GND: 143931040)

GND: 1053684487

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd1053684487.html


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Empfohlene Zitierweise: Hans-Joachim Hoppe, K’oseivanov, Georgi Ivanov, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 487-489 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1186, abgerufen am: (Abrufdatum)

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