Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Boris III.
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Boris III.

Boris III., „Zar der Bulgaren“ 1918-1943, * Sofia 30.01.1894, † ebd. 28.08.1943, ältestes der vier Kinder (B., Kiril, Eudoxie, Nadežda) von Ferdinand I. und Maria Luisa von Bourbon-Parma.

Leben

B. erhielt bei seiner Geburt den Titel des „Prinzen von Tŭrnovo“, 1896 wurde seine Religion von römisch-katholisch in orthodox geändert. An der Militärakademie in Sofia erhielt B. eine gründliche Ausbildung und diente in den Balkankriegen 1912-1913 als Verbindungsoffizier des Generalstabs, im Ersten Weltkrieg im persönlichen Stab seines Vaters, nachdem Ferdinand im Herbst 1915 den Kriegseintritt auf Seiten der Mittelmächte beschlossen hatte. Als Gast des deutschen Hauptquartiers besichtigte B. 1916 den Kriegsschauplatz in Verdun. Zwei Jahre später bildeten die ursprünglich gegen den Krieg eingestellten Demokraten und Radikalen eine Regierung unter Malinov, die nunmehr jedoch die Kampfhandlungen fortsetzte: Bulgarien kam unter die Verlierer des Krieges. Ferdinand dankte ab, und am 3. Oktober 1918 bestieg B. den Thron.
Die ersten Jahre des Monarchen gestalteten sich stürmisch: Malinov trat zurück, und unter Teodorov formierte sich am 28. November 1918 eine Koalitionsregierung aus Nationalen, Progressiven, Demokraten, Radikalen, Sozialdemokraten und Agrariern. Teodorov leitete auch die bulgarische Delegation bei den Pariser Friedensverhandlungen; die harten Bedingungen der Alliierten desillusionierten ihn soweit, daß er im Oktober 1919 zurücktrat. Am 6. Oktober 1919 übernahm Stambolijski die Regierung, der Chef der Agrar-Union, die in den Wahlen vom Sommer 1919 zur stärksten bulgarischen Partei aufgestiegen war und im April 1920 die absolute Mehrheit im Parlament erreichte. Stambolijski signierte am 27. November 1919 den für Bulgarien sehr ungünstigen Friedensvertrag von Neuilly (Abtretung der Dobrudscha an Rumänien, Westthraziens an Griechenland und einiger strategisch wichtiger Orte im Westen an Jugoslawien) und errichtete im Lande ein „régime de dictature paysanne, dirigé contre les citadins, inspiré par l’antagonisme entre les villages et les villes, que les démagogues paysans prêchaient“ (Nikolaev). B. hatte sich zwar stets im Umgang mit den Agrariern um Takt und Geduld bemüht, billigte jedoch stillschweigend den militärischen Staatsstreich, der am 9. Juni 1923 die Regierung Stambolijski stürzte. Ein von linken Agrariern und Kommunisten im September 1923 in Süd- und Nordwestbulgarien begonnener Aufstand wurde niedergeschlagen. Die „Demokratische Eintracht“ unter A. Cankov übernahm die Macht und ließ speziell die Kommunisten scharf verfolgen; diese antworteten mit Terroranschlägen, denen 1924/25 der Monarch mehrfach knapp entrann.
Anfang 1926 trat Cankov zurück, und unter seinem Nachfolger Ljapčev kehrte langsam in Bulgarien wieder Ruhe ein. Auch die Agrarier - gespalten in die gemäßigte „Vrabča“- und die radikale „Pladne“-Gruppe - aktivierten sich wieder politisch. In den Wahlen vom Juni 1931 trat der „Demokratischen Eintracht“ der aus Demokraten, Liberalen, Radikalen und gemäßigten Agrariern gebildete „Nationale Blöde“ entgegen, der einen überwältigenden Sieg davontrug, die Regierung Ljapčev zum Rücktritt zwang und eine neue Regierung unter Malinov stellte. Die innere Uneinigkeit des „Nationalen Blocks“ begünstigte das Aufkommen republikanischer Gruppen wie des „Zveno“ und der „Militär-Liga“, die gemeinsam für den Staatsstreich vom 19. Mai 1934 verantwortlich zeichneten. „Zveno“-Chef Georgiev bildete die neue Regierung, die alle Parteien verbot, die Pressezensur einführte und nur durch englischen Einspruch an der Abschaffung der Monarchie gehindert werden konnte. Gleichzeitig entwickelte Bulgarien erstmals wieder außenpolitische Aktivitäten im größeren Umfang: 1934 wurden diplomatische Beziehungen zur Sowjetunion aufgenommen und freundschaftliche zu Jugoslawien angeknüpft.
Georgiev überwarf sich mit seinen Freunden aus der „Militär-Liga“ und mußte am 22. Januar 1935 demissionieren. Der König nutzte die Gelegenheit, im April 1935 ein Kabinett unter dem parteilosen Diplomaten Tošev einzusetzen, das völlig unter seinem Einfluß stand, und diesen Einfluß bis zu seinem Tode nicht mehr aufzugeben. Auch die folgenden Kabinette Kjoseivanov und Filov handelten nur auf Anweisung des Königs.
Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges bemühte sich B., sein Land von den kriegführenden Parteien fernzuhalten. Die Schwierigkeit dieser Aufgabe charakterisierte er 1940 mit folgendem Bonmot: „Mes généraux sont germanophiles, mes diplomates anglophiles; la reine [= Giovanna, die Tochter Viktor Emanuels III. von Italien, die B. 1930 geheiratet hatte] est italophile et mon peuple russophile. Je suis seul neutre en Bulgarie.“ Am 1. März 1941 trat Bulgarien jedoch der Achse Berlin-Rom-Tokio bei, und deutsche Truppen bekamen freie Hand in Bulgarien. Rasche Siege der deutschen Truppen in Griechenland und Jugoslawien und territoriale „Geschenke“ von über 50 000 km2 an Bulgarien banden das Land sehr eng an Deutschland, und am 13. Dezember 1941 erklärte - nach einer teilweise tumultartig verlaufenen Kabinettssitzung - die Regierung „platonisch“ England und den USA den Krieg. Einen totalen deutschen Einfluß gab es in Bulgarien jedoch nicht: das diplomatische Geschick des Königs konnte sowohl eine bulgarische Kriegserklärung an die Sowjetunion als auch Deportationen bulgarischer Juden verhindern. Mit dem vorrückenden Krieg, der in Bulgarien der bürgerlichen und der sozialistischen Opposition großes politisches Gewicht verschaffte, ging B. wieder auf Distanz zu den Deutschen; er lehnte zahlreiche Ansinnen Hitlers (Engagement an der Ostfront, Okkupation von Teilen Albaniens usw.) ab. Das führte während eines Deutschlandaufenthaltes des Königs am 15. August 1943 zu einer heftigen Kontroverse zwischen ihm und Hitler, und als B. einige Tage später starb, wurde sein Tod oftmals mit diesem Besuch in Verbindung gebracht, wobei zahlreiche Verdächtigungen geäußert wurden. Inzwischen sind sich bulgarische und westliche Historiker weitgehend darin einig, daß B. eines natürlichen Todes starb. Sein Nachfolger wurde sein sechsjähriger Sohn Simeon. Bulgarien war auch im Zweiten Weltkrieg wieder auf der Seite der Verlierer, es wurde am 8. September 1944 von sowjetischen Truppen besetzt und zu einer „Volksrepublik“ unter kommunistischer Herrschaft umgewandelt. Am 8. September 1946 entschieden sich 92,72% der Bulgaren in einem Referendum für die Abschaffung der Monarchie, und im November 1946 ging der noch minderjährige Simeon II. mit seiner Mutter ins ägyptische Exil.

Literatur

Kamtchiyski, Nicolai: Boris III roi des Bulgares et son pays. Sofia 1936.
Iliev, Nenčo: Boris III, car na Bŭlgarite. Iz života na edin naroden car. Sofija 1973(3).
Atanasov, Nikola: Carŭt govori, rečite na N. V. car Boris III. Sofija 1938.
Nikolov, Živko: Carŭt-Obedinitel. Sofija 1941.
Nikolaev, N. P. (Hrsg.): La destinée tragique d’un roi. La vie et le règne de Boris III, roi des Bulgares. Uppsala 1952.
Heiber, Helmut: Der Tod des Zaren Boris. In: Vjh. Zeitgesch. 4 (1961) 384-416.
Dimitrov, Ilčo: Smŭrtta na car Boris III. In: Ist. Pregled 2 (1968) 40-59.
Oschlies, Wolf: Der „Volksbund Zveno“ - Nahtstellen der bulgarischen Parteiengeschichte. T. I (1923-1944), T. II (1944-1949). Köln 1971. = Ber. Bundesinst. ost-wiss. u. internat. Stud. 9. 12.  

Verfasser

Wolf Oschlies (GND: 107216760)


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Empfohlene Zitierweise: Wolf Oschlies, Boris III., in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 239-241 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=604, abgerufen am: (Abrufdatum)

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