Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Justinian I.
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Justinian I.

Justinian I., byzantinischer Kaiser 527-565, * Tauresium (bei Niš oder Skopje) 482/3, † Konstantinopel 15. XI. 565, Neffe Justins I. (518-527).

Leben

Durch Vermittlung seines Onkels, der sich mit der Zähigkeit seiner illyrischen Vorfahren vom Schweinehirten bis zum Kommandanten der Palastgarde emporgedient hatte, ehe er zum Kaiser ausgerufen wurde, kam J. in jungen Jahren nach Konstantinopel, wo er offenbar die bestmögliche Erziehung genoß. Bereits unter der Regierung Justins I. an den politischen Entscheidungen maßgeblich beteiligt, wurde er 521 Konsul, am 1. April 527 Mitkaiser und am 1. August 527 Kaiser. Um 524 heiratete er Theo dora, die, als Tochter des Bärenwärters im Hippodrom, in der freizügig-derben Welt des Zirkus und des Tingel-Tangels groß geworden und gelegentlich auch als Schauspielerin aufgetreten war, weshalb sie von J. durch eine Gesetzesänderung erst hoffähig gemacht werden mußte. Die Schule ihres harten, nur selten pikanten Vorlebens machte sich bei der späteren „consors imperii“ bezahlt: sie kannte die Menschen und die Welt und besaß diplomatisches Fingerspitzengefühl und politischen Weitblick. Ihre Kaltblütigkeit war es auch, die J. 532, als sich die politischen Parteien mit dem Schlachtruf „nika“ im Hippodrom erhoben, von der überstürzten Flucht zurückhielt und den Aufstand durch die Generäle Beiisar und Narses niederschlagen ließ. Dieser gefährlichen Krise folgte eine Reihe von erfolgreichen Expeditionen in den Westen: 533 besiegte Beiisar die Wandalen unter Gelimer und eroberte dann (535 bis 540) Italien; der danach von dem Ostgoten Totila organisierte Widerstand wurde durch Narses 555 endgültig gebrochen. Ein Jahr zuvor war die Südostecke Spaniens den Westgoten entrissen worden. Der alte Traum vom „mare nostrum“ war so gut wie verwirklicht. Parallel dazu liefen andere Projekte: das geltende Recht wurde unter der Redaktion von Trihonian im Corpus Iuris Civilis kodifiziert, der Handel wurde aktiviert (Einführung der Seidenraupenzucht), vom Katharinenkloster auf dem Sinai bis zu den Festungen an der Donau und nach Ravenna ließ J. neue Bauten errichten, die alle von der Hagia Sophia in Konstantinopel, dem Werk der Architekten Anthemios von Tralles und Isidor von Milet, übertroffen wurden.
Das alles kann über Schwächen in der Politik des J. nicht hinwegtäuschen. Die einseitige Expansion nach Westen vernachlässigte die anderen Grenzen: im Norden drangen die Slawen bis nach Korinth vor, und die Awaren konnten nur mit Mühe und Not noch hinter der Donau zurückgehalten werden. Im Osten mußte von dem persischen König Chosrau I. ein brüchiger Waffenstillstand erkauft werden - J. hinterließ seinen Nachfolgern eine gewaltige Hypothek und ein leeres Staatssäckel, für dessen Auffüllung der Prätorianerpräfekt Johannes von Kappadokien, der meistgehaßte Mann im Reich, zu sorgen hatte. Elinzukommen, um nur einige Beispiele zu nennen, seine herrische und unglückliche Kirchenpolitik, die 553 in dem fünften ökumenischen Konzil von Konstantinopel ihren Gipfelpunkt fand, ferner sein unerbittliches Vorgehen gegen Heiden (529 Schließung der Universität Athen) und Häretiker, wo Theodora allerdings einiges, was gegen die Monophysiten ging, noch abbiegen konnte. J. hat in Prokopios von Kaisareia den Herold seiner Siege und Bautätigkeit gefunden. Derselbe Prokopios schrieb aber auch die „Anekdota“, eine üble Schmähschrift über J. und Theodora, der zumindest zu entnehmen ist, daß J. seinen Zeitgenossen nicht geheuer war, was man negativ oder positiv auslegen kann. Daß der „Römer“ J. und die „Griechin“ Theodora in die Weltgeschichte eingegangen sind, können die Kritiker nicht mehr verhindern, und das ist gut so - dafür waren beide zu groß.

Literatur

Vasiliev, A. A.: Justin the First. An Introduction to the Epoch of Justinian the Great. Cambridge/Mass. 1950.
Rubin, Bertold: Das Zeitalter Justinians. Bd 1. Berlin 1960.
Ostrogorsky: S. 57-66 (mit Bibliographie).
Barker, John W.: Justinian and the later Roman Empire. Madison, London 1966 (mit Bibliographie).
Meyendorff, Jean: Justinian, the Empire and the Church. In: Dumbarton Oaks Papers 22 (1968) 43-60.
Browning, Robert: Justinian and Theodora. London 1971.

Verfasser

Erwin Fenster (GND: 106391216)

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Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd11855896X.html


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Empfohlene Zitierweise: Erwin Fenster, Justinian I., in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 313-314 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1071, abgerufen am: (Abrufdatum)

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