Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Haynau, Julius Freiherr von

Haynau, Julius Freiherr von, österreichischer Feldzeugmeister, * Kassel 14.10. 1786, † Wien 14.03.1853, illegitimer Sohn des Kurfürsten Wilhelm I. von Hessen-Kassel aus dessen Verbindung mit der Haynauer Apothekerstochter Dorothea Rosette (Rosalie) Ritter (ab 1783 Ritter von Lindenthal).

Leben

Bereits 1801 in das österreichische Heer eingetreten, konnte sich H. in der Folgezeit auf verschiedenen Kriegsschauplätzen besonders auszeichnen. In den Jahren 1848/49 kämpfte er unter Graf Johann Joseph Radetzky in Italien, wo er 1849 das aufständische Brescia mit schonungsloser Härte niederzwang. Dieses Kriegsgeschehen brachte ihm von italienischer Seite den Beinamen „Hyäne von Brescia“ ein. Am 30. Mai 1849 erhielt General H. als Nachfolger Ludwigs Freiherrn von Welden die Ernennung zum Feldzeugmeister und Militäroberkommandierenden in Ungarn. Mit den österreichischen Hauptkräften konnte H. die Truppen Artúr Görgeys im Juni bei Zsigárd und Pered an der Waag und schließlich kriegsentscheidend die ungarische Armee unter Józef Bem am 9. August 1849 bei Temeschwar schlagen. Nachdem die militärischen Auseinandersetzungen beendet waren, wurde H. Generalgouverneur in Ungarn; sogleich begann er das Pazifikationswerk beim „Rebellen“ Ungarn. Ein freilich äußerst zweifelhaftes Mittel zur Befriedung erblickte H. in der als drohende Warnung für alle Zukunft gedachten „Statuierung von Exempeln“. Ein solches war z. B. die Hinrichtung von 13 ungarischen Generälen des Freiheitskampfes in Arad und des ersten ungarischen Ministerpräsidenten Graf Lajos Batthyány in Pest am 6. Oktober 1849; diese Hinrichtungen stellten den Höhepunkt der Vergeltungsmaßnahmen Wiens wie besonders H.s dar. Eben jetzt verdiente er sich seinen zweiten Beinamen „General Henkauf“. Meinungsverschiedenheiten zwischen H. und der Wiener Regierung führten schließlich am 6. Juli 1850 zu seiner Enthebung und der sofortigen Versetzung in den Ruhestand.
H. besaß zweifellos in hohem Maße von niemandem bestrittene militärische Eigenschaften: er war ein tapferer Soldat, ein kühner Führer und Draufgänger, bei seiner Truppe wegen seiner Fürsorglichkeit beliebt. Andererseits war er wegen seiner unerbittlichen Härte und nicht weniger wegen seiner zahllosen Konflikte mit Vorgesetzten Befehlsstellen armeebekannt. Seine Transferierungen aus verschiedenen Dienststellen sind meist Zwangsversetzungen wegen Unverträglichkeit. Er war ein starrsinniger, rücksichtsloser, einer Lenkung kaum zugänglicher Mensch, der in Ungarn eine grausame Militärjustiz führte. Radetzky charaktersierte H. einmal folgendermaßen: er gleiche „einem scharfen Rasiermesser, welches nach dem Gebrauche sofort verwahrt werden müsse ...“.
Geltungssucht und Eigensinn verleiteten H. dazu, vor allem während seiner Tätigkeit in Ungarn auch eine politische Rolle spielen zu wollen, zu der er in keiner Weise befähigt war. Er erschwerte durch einzelne von ihm getroffene Maßnahmen die Politik der Wiener Regierung, ja er gefährdete sie geradezu. Die Eigenmächtigkeiten und Übergriffe H.s, die oft genug auch politische Fehlgriffe waren, führten schließlich zu seiner Entlassung. Vor allem wurden die Minister der H.schen Strafpraxis gegenüber immer bedenklicher. So legte z. B. H. den ungarischen Judengemeinden, vor allem in Pest und Altofen, eine Strafkontribution auf, mit dem Argument, daß die Juden sich als eines der wirksamsten Mittel der Revolution hingegeben und diese aus allen Kräften materiell und geistig unterstützt hätten. Dieses Vorgehen führte zu schweren Konflikten H.s mit der Regierung und zu einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen Wien und Pest. Zum völligen Bruch kam es allerdings erst durch einen unvermittelten Umschwung in der Einstellung des Feldzeugmeisters zum ungarischen Volk. H. warb plötzlich um Sympathien beim ungarischen Volk, und strebte dieses Ziel mit größter Unbekümmertheit an, wie z. B. durch willkürliche und selbstherrliche Begnadigung und Amnestierung von Reichstagsmitgliedern. Das Fehlen an politischem Weitblick wird hier ganz deutlich. Diese Begnadigungspraxis und weitere Ungehorsamsakte gaben dann den Ausschlag, daß H., unter dessen Oberbefehl die Reibungen zwischen Militär- und Zivilgewalt ihren Höhepunkt erreichten, endgültig fallengelassen wurde.
Militärisch hatte H. wohl den in ihn gesetzten Erwartungen durchaus voll entsprochen, aber Ungarn zu befrieden, war ihm nicht geglückt. In der Enthebung H.s wurde vielfach der „erste Schritt zur Emanzipation der Zivilgewalt“ erblickt, allerdings war auch der nun einsetzende, von Polizei und Gendarmerie geübte Druck des Neoabsolutismus kaum leichter erträglich.

Literatur

[Schönhals, Karl Ritter von]: Biografie des k. k. Feldzeugmeisters Julius Freiherrn von Haynau von einem seiner Waffengefährten. Graz 1853.
Walter, Friedrich: Von Windischgrätz über Weiden zu Haynau. Wiener Regierung und Armee-Oberkommando in Ungarn 1849/50. In: Walter, Friedrich und Harold Steinacker: Die Nationalitätenfrage im alten Ungarn und die Südostpolitik Wiens. München 1959, 68-161 (mit Bibliographie).

Verfasser

Friedrich Gottas (GND: 105731153)

GND: 116553693

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd116553693.html


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Empfohlene Zitierweise: Friedrich Gottas, Haynau, Julius Freiherr von, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 137-139 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=943, abgerufen am: (Abrufdatum)

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