Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Bauer, Otto
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Bauer, Otto

Bauer, Otto, österreichischer Politiker, * Wien 5.09.1881, † Paris 4.07.1938, aus einer reichen jüdischen Familie.

Leben

B. wandte sich früh dem wissenschaftlichen Sozialismus zu; durch umfangreiche rechts- und wirtschaftswissenschaftliche Studien profilierte er sich zu einem der tiefsten marxistischen Theoretiker seiner Zeit und wurde zum Haupt der austromarxistischen Schule. In seinem 1907 erschienenen Buch „Die Nationalitätenfrage und die Sozialdemokratie“ entwickelte er eine Konzeption für die Lösung der nationalen Auseinandersetzungen, die auf eine weitgehende Autonomie für die einzelnen Nationen bzw. Minoritäten hinauslief, wobei aber die Erhaltung der politischen Schlagkraft der internationalen Arbeiterbewegung oberste Norm blieb. B. glaubte an die systemsprengende Kraft des sich allenthalben regenden demokratischen Autonomiegedankens und hielt bürokratische Maßnahmen für dessen Vorwärtstreibung für wirkungslos; die Sozialdemokratie müßte ihren ganzen Einfluß aufbieten, um die in Gang gekommene Bewegung zu fördern. Indem B. die Verschleierung der sozialen Kämpfe durch den bürgerlichen Nationalismus anprangerte, wies er jeden „nationalen Revisionismus“ zurück; doch dessen Hauptmerkmal, das Zusammenwirken bürgerlicher und proletarischer Parteien einer Nation gegen eine gleichgerichtete Koalition anderer Nationen traf auch für jene erste republikanische Koalitionsregierung zu, deren Staatssekretär für Äußeres B. von November 1918 bis Juli 1919 war. Eingekeilt zwischen einer maßvollen und doch ablehnenden Einschätzung der Methoden (nicht des Zieles) der russischen Revolution einerseits und einer ebenso kritischen Beurteilung des Reformismus Kautskyscher Prägung, versuchte B. einen eigenen Weg zu gehen: Mit seinem „Programm der Linken“ befürwortete er 1917 die Konstituierung von Nationalversammlungen in Altösterreich und setzte sich damit von der mit dem österreichischen zentralistischen Kriegssystem aufs engste verbundenen Parteilinie ab. Gegen die kommunistische Linke führte er 1918/1919 einen harten Kampf, nicht aus grundsätzlichen Überlegungen, sondern aus taktischen, wie er an Béla Kun schrieb: um die österreichische Arbeiterbewegung nicht in einen blutigen Kampf gegen die in- und ausländische Reaktion zu stürzen, in dem sie unterliegen müßte. In den 20er Jahren war B. in der Verfolgung dieses dogmatischen Attentismus noch konsequenter. Er legte die Parteilinie solange auf eine Verhinderung von politischen Auseinandersetzungen fest, bis das Bürgertum 1934 zum entscheidenden Schlag ansetzen konnte. Zugleich lieferte er aber diesem durch das grundsätzliche Bekenntnis zur Diktatur des Proletariats - als letzten Ausweg zur Errettung der Demokratie nach dem Rekurs des Bürgertums auf faschistische Methoden - die Legitimation für gewaltsames Vorgehen. B. starb in der Emigration in Paris.
B. war 1907 Mitbegründer des theoretischen Organs der Sozialdemokratischen Partei Österreichs »Der Kampf“ und Verfasser wichtiger publizistischer Werke wie: „Die österreichische Revolution“ (Wien 1923; Neuaufl. 1965), „Kapitalismus und Sozialismus nach dem Weltkrieg“ (Wien 1931) und „Zwischen zwei Weltkriegen?“ (Preßburg 1936).

Literatur

Bourdet, Yvon: Otto Bauer et la Révolution. Paris 1968.
Leser, Norbert: Zwischen Reformismus und Bolschewismus. Wien 1968.
Leichter, Otto: Tragödie oder Triumph. Wien 1970.

Verfasser

H. Haas (GND: 116752769)


GND: 118507346

Weiterführende Informationen: https://prometheus.lmu.de/gnd/118507346

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Empfohlene Zitierweise: H. Haas, Bauer, Otto, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 162-163 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=539, abgerufen am: (Abrufdatum)

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