Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Velčev, Damjan Damjanov

Velčev, Damjan Damjanov, bulgarischer Militär und Politiker, * Gabrovo 20.02.1883, † Frankreich 25.01.1954.

Leben

V.,, ,der vielleicht geschickteste militärische Verschwörer in der neueren osteuropäischen Geschichte“, ist eine der schillerndsten Figuren der Balkan-Politik, zugleich auch eine der am schwersten faßbaren: in praktisch jedes Ereignis seit Ende des Ersten Weltkriegs aktiv eingeschaltet, hielt V. sich dennoch immer so im Hintergrund, daß seine wahre Rolle meist nur unzulänglich zu ermessen ist.
Die politische Szene betrat V., der als Führer des Verbandes der Reserveoffiziere und ehemaliger Kommandant der bulgarischen Kadettenschule über beträchtlichen Einfluß in Militärkreisen verfügte, nach dem Ersten Weltkrieg. Unter der Regierung Aleksandür Stambolijski (1919-1923) aus dem Militärdienst entfernt, übernahm er die faktische Leitung der 1919 gegründeten geheimen „Offiziersliga“, die sich 1933 in „Militär-Bund“ (Voennija süjuz) umbenannte. Bereits 1923 hatte V. die Organisation an die Seite der Verschwörer gegen Stambolijski geführt und damit entscheidend zum Erfolg des Staatsstreichs vom 9. Juni 1923 beigetragen. 1927 wurde die Liga aufgelöst, 1929 von V. als Geheimbund reorganisiert und in engsten Kontakt zu dem 1928 gegründeten rechten „Zveno-Kreis“ gebracht. V. übernahm in der Folgezeit die außenpolitischen Hauptforderungen des „Zveno“ - die Normalisierung der Beziehungen zu Jugoslawien und zur Sowjetunion - und stimmte das „Zveno“ auf die neuerlichen Putschpläne seiner Organisation ein. Im Mai 1934 beschlossen die Militärs, V. solle nach erfolgtem Umsturz die Regierung bilden, doch dieser lehnte ab; diese Aufgabe übernahm dann nach dem Putsch vom 19. Mai 1934 V.s enger Mitkämpfer Kimon Georgiev. Damit erweiterte sich V.s Macht beträchtlich: die neue Regierung galt allgemein als „Zveno-Kabinett“, doch - wie „Zveno“-Gründer Dimo Kazasov später in seinen Memoiren schrieb - „stand hinter dem Kabinett die Armee. Aber nicht die gesamte Armee, sondern der Militär-Bund. Und nicht der ganze Militär- Bund, sondern der Velcev-treue Teil von ihm“. Gleichzeitig aber geriet V. durch seine antimonarchistische Einstellung - die sich mehr gegen den Zaren als für eine Republik ausdrückte - in Widerspruch zur Mehrheit des Bundes und gewann in Zar Boris III. einen persönlichen Feind. V. geriet in die Isolation, da ihm allseits mißtraut wurde: er wolle Oberhaupt einer bulgarischen Republik oder gar Diktator nach Art Józef Pikudskis werden argwöhnte man, und am 8. Februar 1935 wurde er aus dem Militär-Bund ausgeschlossen. Im Mai wieder aufgenommen, ließ ihn der Zar unter Polizeiaufsicht stellen, worauf V. im Juli 1935 nach Jugoslawien flüchtete. Dort knüpfte er Kontakte zur Offiziersvereinigung „Weiße Hand“ (Bela ruka) und versuchte, im September 1935 mit deren Hilfe nach Bulgarien zurückzukehren; er wurde an der Grenze gefaßt, vor das Sofioter Militärgericht gestellt und am 22. Februar 1936 zum Tode verurteilt. Der Zar, dem die Uneinigkeit der Putschisten von 1934 längst eine allmächtige Position in der bulgarischen Politik verschafft hatte, ließ am 3. März 1936 den Militär-Bund auflösen und konnte daraufhin V. leichten Herzens zu lebenslänglicher Haft begnadigen.
V. blieb nicht lange in Haft und schloß sich während des Krieges aktiv der Opposition an, und zwar der sozialistischen, die in der 1942 auf kommunistische Initiative geschaffenen „Vaterländischen Front“ vereinigt war. Für diese arbeitete V. Warnschreiben an den Zaren aus, in denen er u.a. die bulgarische Politik gegenüber der Sowjetunion als „dumme und freche Herausforderung“ bezeichnete, und für diese trat er auch am 9. September 1944 als Kriegsminister in die neue Regierung der „Vaterländischen Front“ ein. In seinen Händen - der allgemein als Repräsentant des als „Volksbund“ restituierten „Zveno“ galt, obwohl er formal nicht bei diesem Mitglied war - lag nun die Leitung von Bulgariens Beteiligung am Endkampf gegen Deutschland. Die in Bulgarien militärisch präsenten Russen und die Kommunisten betrachteten ihn mit Mißtrauen, da sie in ihm den Wortführer der „Zveno“- Rechten und den Gegner ihres Einflusses im Militär vermuteten. In der Armee wurden Offiziersverschwörungen aufgedeckt, die V. toleriert haben sollte, und der Belgrader Prozeß gegen Titos Gegenspieler Draża Mihailovic brachte angebliche Verbindungen zwischen V. und Mihailovic aus dem Krieg zur Sprache, die V. jedoch energisch bestritt. Am 2. Juli 1946 beschloß die „Nationalversammlung“ eine Säuberung in der Armee, die das Offizierskorps um ein Drittel dezimierte. V. wurde zu einem einmonatigen Urlaub veranlaßt, nach dessen Ende er nicht mehr in die Regierung zurückkehrte.
Die Kommunisten benötigten ihren Helfer, das „Zveno“, nicht mehr und trieben es zielstrebig in Richtungskämpfe, die zunächst seinen politischen Einfluß verringerten und schließlich im Februar 1949 in dessen Selbstauflösung gipfelten. Schon Jahre vorher waren die führenden Köpfe dieser Organisation als Botschafter ins Ausland geschickt worden, wo sie weit vom Schuß waren; Ende 1946 verließ auch V. Bulgarien, um Botschafter seines Landes in der Schweiz zu werden. Von hier aus versuchte er ein letztes Mal, einen Umsturz in Bulgarien zu organisieren. Nach dem Scheitern seiner Pläne blieb er im westlichen Ausland.

Literatur

Bulharsko v roce 1946. In: Slovanský přehled 1-2 (1947) 56-59.
Kazasov, Dimo: Burni godini 1918-1944. Sofija 1949.
Lendvai, Paul: Der Rote Balkan. Zwischen Nationalismus und Kommunismus. Frankfurt/M. 1969.
Dimitrov, Ilčo: Buržoaznata opozicija v Bŭlgarija 1939/1944. Sofija 1969.
Ders.: Naroden sŭjuz „Zveno“. In: Ist. Pregled 5 (1970) 3-33.

Verfasser

Wolf Oschlies (GND: 107216760)

GND: 1099966698

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd1099966698.html


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Empfohlene Zitierweise: Wolf Oschlies, Velčev, Damjan Damjanov, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 397-398 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1837, abgerufen am: (Abrufdatum)

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