Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Pavlov, Todor Dimitrov

Pavlov, Todor Dimitrov, bulgarischer Kommunist und Philosoph, * Štip (Mazedonien) 14.02.1890, † Sofia 08.05.1977.

Leben

Nach dem Studium der Philosophie und Pädagogik an der Universität Sofia (bis 1914) war P. zunächst wie sein Vater als Lehrer tätig. Wegen Mitgliedschaft in der Bulgarischen Kommunistischen Partei (BKP), in die er bereits kurz nach ihrer Gründung im Mai 1919 (als Nachfolgepartei der Engsozialisten) eingetreten war, wurde er 1922 von der Pädagogischen Lehranstalt in Lom entlassen. 1922-1923 redigierte er die Zeitung des „Bulgarischen Kommunistischen Jugendbundes“ (Bŭlgarski Komunističeski Mladežki Sŭjuz = BKMS) „Mladež“ (Die Jugend). Nach dem erfolglosen kommunistischen Aufstand im September 1923 gehörte er zu den Mitbegründern der „Partei der Arbeit“ (Partija na truda), die den Anhängern der im Exil weilenden BKP-Führer Kolarov und Dimitrov eine legale Plattform bieten sollte, jedoch schon am 4. April 1924 auf Grund des Staatsschutzgesetzes wieder aufgelöst wurde. Daraufhin wurde P. mit der Leitung der illegalen Parteikonferenz auf dem Vitoša-Gebirge (17.-18.05.1924) betraut, die u. a. trotz heftiger Kritik innerhalb und außerhalb der Partei den Septemberaufstand nochmals ausdrücklich billigte. Von den Delegierten wurde P. ins Zentralkomitee der im Untergrund agierenden Partei gewählt. 1925 fiel P. den Kommunistenverfolgungen zum Opfer, die die Regierung Aleksandŭr Cankov nach dem Sveta-Nedelja-Attentat vom 16. April inszenierte; P. war bis 1926 und von 1927 bis 1929 in Haft.
1932-1936 lehrte P. in Moskau als Professor für dialektischen Materialismus an zwei Parteischulen: am „Institut der roten Professur“ (Institut krasnoj professury) und am Philosophieinstitut der „Kommunistischen Akademie“ (Kommunističeskaja akademija). Während seines Aufenthaltes in der UdSSR verfaßte er sein 1936 in russischer Sprache erschienenes Werk über die Theorie der Widerspiegelung (Teorija otraženija), das bei der ideologischen Ausrichtung der BKP im Sinne des 7. Kominternkongresses von 1935 eine große Rolle spielte. P. verarbeitete in seiner Widerspiegelungstheorie auch die Erkenntnisse des russischen Physiologen Ivan Petrovič Pavlov (1849-1936).
Nach Bulgarien zurückgekehrt, bestimmte P. hier maßgeblich die theoretische Auseinandersetzung der bulgarischen Kommunisten mit dem Regime des Zaren Boris III. Auch beteiligte er sich an Protestaktionen angesehener bulgarischer Persönlichkeiten verschiedener politischer Couleur. Besonders zu würdigen ist seine Mitwirkung an einem 1937 erschienenen Sammelband gegen Rassismus und Antisemitismus (Bŭlgarskata obštestvenost za rasizma i antisemitizma. Anketa meždu vidni predstaviteli na bŭlgarskata obštestvenost, nauka, literatura, izkustvo. Redakteur: B. Piti. Sofija 1937). Im Herbst 1939 schrieb P. ein Buch zur Rechtfertigung des Hitler-Stalin-Paktes. 1941-1943 wurde P. von den bulgarischen Behörden interniert.
Nach dem kommunistischen Umsturz vom 9. September 1944 wurde P. zusammen mit Venelin Ganev und Cvetko Boboševski zum Regenten für den minderjährigen Zaren Simeon II. bestimmt. Dieses Amt hatte er bis zur Abschaffung der Monarchie am 15. September 1946 inne. 1947-1954 und wiederum ab 1962 gehörte P. dem Präsidium des bulgarischen Parlaments an. 1954 wurde er Kandidat, 1957 Vollmitglied des Zentralkomitees und 1966-1976 war er auch Mitglied des Politbüros der BKP. Entscheidend trug P. zur „sozialistischen Umgestaltung“ der bulgarischen Wissenschaft und Kultur bei: Seit ihrer Gründung im Jahre 1945 war P. Chefredakteur der philosophischen Zeitschrift „Filosofska misŭl“; seit 1946 lehrte P. an der Universität Sofia, ab 1948 als ordentlicher Professor; seit 1947 war P. Vorsitzender, seit 1962 Ehrenvorsitzender der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften (BAN); 1949 bis 1952 und erneut ab 1960 war P. Direktor des Philosophieinstituts der Akademie; außerdem war er Ehrenvorsitzender des bulgarischen Schriftstellerverbandes. 1944 bis 1949 war P. Vorsitzender der bulgarisch-sowjetischen Gesellschaft.
Nach einer Beurteilung des Auswärtigen Amtes aus dem Jahre 1940 galt P. damals als ein „gemäßigter und vorsichtiger Kommunist“. Heute rechnen ihn seine Kritiker zur Generation der dogmatisch denkenden Altkommunisten. Vom offiziellen kommunistischen Bulgarien wird P. als führender Philosoph gewürdigt. Einige seiner wichtigsten Werke sind: Remkeanstvo i materializŭm (Die Philosophie von Johannes Rehmke und der Materialismus, 1930), Teorija otraženija (Theorie der Widerspiegelung, 1. Aufl. in russischer Sprache 1936), Obšta teorija na izkustvoto (Allgemeine Theorie der Kunst, 1937), Osnovni vŭprosi na estetika (Grundfragen der Ästhetik, Bd 1, 1949), Ravnosmetka na edna idealističeska reakcionna filosofija (Bilanz einer idealistischen reaktionären Philosophie, 1953), Dialektičeskata materialističeska filosofija i častnite nauki (Die dialektische materialistische Philosophie und die Teilwissenschaften, 1956), Informacija, otraženie, tvorčestvo (Information, Widerspiegelung, Schaffen, in russischer Sprache 1965).

Literatur

Zaimov, Jordan u. Lilijana Velinova: Todor Dimitrov Pavlov. Biobibiliografija. Sofija 1957.
Popov, N. u. Zdr. Petrov: Todor Pavlov. Kratŭk očerk. Sofija 1958.
Rothschild, Joseph: The Communist Party of Bulgaria. Origins and Development 1883-1936. New York 1959.
Kalošin, F. I.: Todor Pavlov. Moskva 1960.
Istorija: Bd 3.
Ognjanoff, Christo: Bulgarien. Nürnberg 1967.
Božkov, Stojko: Bŭlgarska Akademija na Naukite. Kratŭk očerk 1869-1969. Sofija 1969.
Petrov, Metodi: Akademik Todor Pavlov na 80 godini. In: Ist. Pregled 26 (1970) 3, 158-163.
Dimitrov, Ilčo: Bŭlgarskata demokratična obštestvenost, fašizmŭt i vojnata 1934-1939. Sofija 1972.

Verfasser

Hans-Joachim Hoppe (GND: 143931040)

GND: 123881544

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd123881544.html


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Empfohlene Zitierweise: Hans-Joachim Hoppe, Pavlov, Todor Dimitrov, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 414-416 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1507, abgerufen am: (Abrufdatum)

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