Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

In den Suchergebnissen blättern

Treffer 
 von 1526

Mustafa Pascha, Bayrakdar

Mustafa Pascha, Bayrakdar, Alemdar (der Fahnenträger), osmanischer Großwesir, * Rustschuk (Ruse) 1765 (nach dem 1814 geschriebenen ungedruckten Werke von Arabyan Efendi), † Istanbul 16.(?) 11.1808, Sohn eines Janitscharen.

Leben

M. diente im Janitscharen-Corps (42. Bölük). Anschließend stand er als Aga im Dienst des Feudalherren Tirsinikli Ismail Aga von Rustschuk, dessen Finanzen er als Hazinedâr verwaltete und wo er auch zum Bayrakdar aufstieg. Zum Dank für die erfolgreiche Verteidigung von Rustschuk gegen den rebellischen Pazvandoğlu von Vidin verlieh ihm die Pforte den Rang eines Hassa Haseki und ernannte ihn zum Salâhşor-u Hassa. Der Wunsch seines Herrn Tirsinikli, ihm das 1800 freigewordene Lehen von Hezargrad zu überlassen, wurde jedoch von der Pforte abgewiesen, obwohl die örtlichen Notabein (âyan) ihn gewählt hatten. Nach neuerlicher Bewährung gegen Anhänger des Pazvandoğlu wurde M. 1803 durch Vermittlung des walachischen Woiwoden Constantin Ipsilanti zum Pfortenkämmerer (Kapıcıbaşı) ernannt, und 1804 wurde ihm das Hezargrader Lehen bestätigt. Nach vorübergehender Verungnadung wegen seiner Übergriffe in der Dobrudscha (1805) akzeptierte die Pforte 1806 seine von den Âyan getroffene Wahl zum Nachfolger des ermordeten Tirsinikli Ismail Aga in Rustschuk. Da er dem Wali von Silistra Bekir Pascha gegen die aufsässigen Âyan um Yılıkoğlu Süleyman Aga zum Recht verhalf, ernannte ihn die Pforte zum Oberstallmeister (Mîrahûr-u evvel). Erst auf dringendes Zureden seines Landsmannes Behiç Efendi nahm er 1806 den Posten eines Wali von Silistra und Oberbefehlshabers des unteren Donaugebietes an, den ihm die Pforte wegen der seit 1804 andauernden Unruhen in diesem Gebiet angetragen hatte. 1806 erhielt er auch den Wesirstitel. Anläßlich des Einmarsches der Russen in die Donaufürstentümer (1807) wurde M. zum Oberbefehlshaber (Serasker) ernannt, da er den russischen Vormarsch allein mit seinen eigenen Truppen vor der Feste Ismail aufgehalten hatte. Für seine Feistungen verlieh ihm der Großwesir Hilmi Ibrahim Pascha die „Ehrenfahne“ (Livây-ı Şerîf). In den Wirren im Zusammenhang mit dem Sturz Selims III. (29.05.1807) durch den Rebellenführer Kabakçi Mustafa Aga griff er mit seinen Truppen ein und stellte bis zum Eintreffen des neuen Großwesirs Çelebi Mustafa Pascha die Ordnung wieder her. Zusammen mit fünf Reformfreunden (Tahsin, Refik, Galib, Behiç und Ramiz) gründete er den Geheimbund „Rustschuker Freunde“ (Rusçuk Yârânı) zugunsten einer Wiedereinsetzung Selims III. Unter Ausnützung der durch den Tilsiter Waffenstilstand (07.07.1807) entstandenen Lage gelang es M., in Zusammenarbeit mit der Rustschuker Geheimgesellschaft und dem ahnungslosen Großwesir, nach Istanbul zu kommen, wo er von Sultan Mustafa IV. vor der Stadt empfangen wurde, da die Etikette dies wegen der „Ehrenfahne“ erforderte (1808). M.s Putschplan scheiterte, da er die Ermordung Selims III. nicht verhindern konnte. Immerhin gelang ihm die Rettung und Inthronisierung des Prinzen Mahmud (II.) (28.07.1808), der ihn auf der Stelle zum Großwesir ernannte. Ein strenges Strafgericht erging über die an der Ermordung Selims III. Verantwortlichen. Durch Reformen in der Armee (Sekbân-ı Cedîd), im Finanzwesen und in der Verwaltung versuchte M. das angefangene Reformwerk Selims III. fortzusetzen, zog sich aber dadurch bald die Gegnerschaft der reformfeindlichen Janitscharen, Ulemas und Anhänger Mustafas IV. zu. Mitte November 1808 (27. Ramazan 1223) fand M. dann einen grausamen Tod durch die meuternden Janitscharen, die auch unter M.s Anhängern ein furchtbares Blutbad anrichteten. Erst 1826, nach der Liquidierung der Janitscharengarde, fand M. eine würdige Grabstätte in Yedikule. Fast hundert Jahre später wurden seine Gebeine dann auf den Friedhof der Zeyneb Sultan-Moschee überführt. Das Stambuler Stadtviertel Alemdar ist nach ihm benannt.

Literatur

Necib, Mustafa: Sultan Selim-i sâlis Asrı Vekayii. Istanbul 1863.
Efdaleddın: Alemdar Mustafa Pascha. In: Tarih-i Osmānī Encümeni Mecmuası (1911-1913) H. 10-21.
Uzunçarşılı, Ismail Hakkı: Alemdar Mustafa Pascha. Istanbul 1942.
Ders.: Mustafa Paşa, Bayrakdar. In: Islam Ansiklopedisi. Bd 8. Istanbul 1957, 720-727.
Miller, Anatolij Filippovic: Mustafa Paşa Bajraktar. Moskva, Leningrad 1947 (Neuauflage Bucarest 1975).
Andreasyan, Hrand D.: Georg Oğlukyan’ın Ruznamesi, 1806-1810 Isyanları, III. Selim, IV. Mustafa, II. Mahmud ve Alemdar Mustafa Paşa. Tercüme ve Notlar. Istanbul 1972.  

Verfasser

Buğra Atsız (GND: 103703985)


RDF: RDF

Vorlage (GIF-Bild):  Bild1   Bild2   

Empfohlene Zitierweise: Buğra Atsız, Mustafa Pascha, Bayrakdar, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 273-274 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1421, abgerufen am: (Abrufdatum)

Druckerfreundliche Anzeige: Druckerfreundlich

Treffer 
 von 1526
Ok, verstanden

Website nutzt Cookies, um bestmögliche Funktionalität bieten zu können. Mehr Infos