Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Buol-Schauenstein, Karl Ferdinand Graf
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Buol-Schauenstein, Karl Ferdinand Graf

Buol-Schauenstein, Karl Ferdinand Graf, österreichischer Diplomat und Staatsmann, * Wien 17.05.1797, † ebd. 28.10.1865, Sohn des Diplomaten Johann Rudolf B.

Leben

B. wirkte seit 1816 im diplomatischen Dienst. In den Jahren 1821-1827 war er Botschaftssekretär in Paris und London und 1828-1837 Gesandter in Karlsruhe und Darmstadt. 1838 ging B. in gleicher Eigenschaft nach Stuttgart und von 1844-1848 nach Turin. Von Dezember 1848 bis Dezember 1850 war er Gesandter in St. Petersburg. Aus seiner Diplomatenzeit am russischen Kaiserhof nahm B. vor allem die Erkenntnis mit, daß sich Rußland früher oder später durch eine aktive Orientpolitik in einen natürlichen Gegensatz zu seinem bisherigen Allianzpartner Österreich setzen würde. Das augenfällige Werben St. Petersburgs um die Gunst Englands sah B. schon damals im Zusammenhang mit Rußlands Interessen im Nahen Osten und am Balkan. Die Abberufung B.s aus Rußland kann als Folge der allgemeinen Verschlechterung der Beziehungen zwischen den beiden Kaiserhöfen angesehen werden.
Noch als Gesandter in Rußland wurde B. mit der Leitung der Dresdener Konferenzen (1850) betraut, auf denen das Projekt des österreichischen Ministerpräsidenten und Außenministers Schwarzenberg, die Gesamtmonarchie in den Deutschen Bund einzugliedern, endgültig zerbrach. Vom Juli 1851 bis April 1852 war B. Gesandter in London. Auch seine Mission in England hatte er, so wie jene in St. Petersburg, in engster Zusammenarbeit mit Schwarzenberg ausgeführt. Die Ansichten der beiden Staatsmänner deckten sich weitgehend: sie sahen eine Allianz zwischen England und Österreich als sicherste Garantie für die Erhaltung des Osmanischen Reiches und somit für die Aufrechterhaltung des europäischen Gleichgewichtes in Europa.
Als Nachfolger Schwarzenbergs war B. von 1852 bis 1859 Außenminister. Am Ende des Jahres 1852 ergab sich jene europäische Mächtekonstellation, die für die Haltung B.s im Orientkonflikt bestimmend werden sollte: einerseits die Distanzierung von Rußland, von dem man noch 1849 unterstützt worden war, andererseits die vorsichtige Hinwendung zum europäischen Westen. Die Mißhelligkeiten zwischen Österreich und Rußland auf dem Balkan zeigten sich schon in der bosnisch-montenegrinischen Krise der Jahre 1852-1853, in der Österreich in dem Konflikt zwischen der Türkei und dem Fürstentum Montenegro intervenierte. Zu Beginn des Jahres 1853 brach die Orientkrise aus, in der B. von Anfang an auf der Seite der seit 1852 eng zusammenarbeitenden Westmächte stand. Im Zuge der russisch-türkischen Krise wurden die Fürstentümer Moldau und Walachei von russischen Truppen besetzt. B. sah in dieser Entwicklung eine Gefährdung Österreichs in einem Gebiet, das mit den Interessen der Monarchie engstens verbunden war. Um in dieser Krise nicht in eine Isolierung unter den europäischen Mächten zu geraten, wurde auf Betreiben B.s in Wien ein Allianzvertrag zwischen England, Frankreich und Österreich unterzeichnet (2.12.1854). Bedenklich war dabei, daß Österreich zu keinem Einvernehmen mit Preußen und den anderen deutschen Bundesstaaten gelangen konnte. Auch fand B.s antirussische Politik 1853/54 am Wiener Hof, besonders in Militärkreisen, harten Widerstand. Nach dem Abzug der Russen aus der Moldau und der Walachei waren gemäß einer im Juni 1854 mit der Pforte geschlossenen Konvention österreichische Truppen in die Donaufürstentümer eingerückt. B. wünschte, daß durch eine zeitlich begrenzte Besetzung Österreich den vorherrschenden politischen und komerziellen Einfluß in den Fürstentümern erringt und damit Ruhe an den Südostgrenzen der Monarchie geschaffen wird.
Am 30. März 1856 wurde der Friede in Paris, der den Krimkrieg beendete, unterzeichnet. Der weitgespannte Versuch Österreichs, seine Ansprüche in Deutschland und Italien zu halten und zu festigen, seine Einflußsphäre in Südosteuropa auszudehnen und seine Stellung als Großmacht im Kreise der europäischen Mächte durch dauerhafte Verbindungen zu England und Frankreich zu sichern, war gescheitert. Die Signatarmächte des Pariser Friedens verpflichteten sich, die Unabhängigkeit und Integrität des Osmanischen Reiches zu respektieren. Das Schwarze Meer wurde neutralisiert, die freie Donauschiffahrt garantiert, Rußland trat das südliche Bessarabien an das Osmanische Reich bzw. an das Fürstentum Moldau ab, die Fürstentümer Moldau und Walachei und auch das Fürstentum Serbien blieben unter der Suzeränität der Pforte. Das Übergewicht Rußlands in Südosteuropa und im Schwarzen Meer war abgebaut.
In den Jahren nach dem Krimkrieg mußte B. den Aufstieg Italiens hinnehmen. In der Krise von 1859 zeigte sich deutlich Österreichs Isolierung. Der durch B.s Ultimatum an Sardinien eingeleitete Krieg führte am 4. Mai 1859 zu seinem Rücktritt.

Literatur

Zu der Luth, H. R. Charlotte: Joseph Christian Freiherr von Zedlitz als Offiziosus des Ministeriums Buol-Schauenstein und seine Berichterstattung an die Augsburger Allgemeine Zeitung während des Krimkrieges, 1853-1856. (Diss.) Wien 1953.
Kraehe, Enno E.: Foreign Policy and Nationality Problem in the Habsburg Monarchy, 1800-1867. In: Austrian Hist. Yearb. III/3 (1967) 3-36.
Schroeder, Paul W.: Bruck versus Buol: The Dispute over Austrian Eastern Policy, 1853-1855. In: J. mod. Hist. 40 (1968) 193-217.
Ders.: Austria and the Danubian Principalities, 1853-1856. In: Centr. Europ. Hist. 2 (1969) 216-236.
Unckel, Bernhard: Österreich und der Krimkrieg. Studien zur Politik der Donaumonarchie in den Jahren 1852-1856. Lübeck, Hamburg 1969. = Historische Studien. 410.
Heindl, Waltraud: Graf Buol-Schauenstein in St. Petersburg und London (1848-1852). Zur Genesis des Antagonismus zwischen Österreich und Rußland. Wien, Köln, Graz 1970. = Studien zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie. 9.

Verfasser

Friedrich Gottas (GND: 105731153)


GND: 118665022

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Empfohlene Zitierweise: Friedrich Gottas, Buol-Schauenstein, Karl Ferdinand Graf, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 270-272 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=631, abgerufen am: (Abrufdatum)

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