Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Vázsonyi, Vilmos

Vázsonyi, Vilmos (eigentlich Wilhelm Weißfeld), ungarischer bürgerlich-demokratischer Politiker, Rechtsanwalt, * Sümeg (Komitat Zala) 22.03.1868, † Baden (bei Wien) 2.05.1926, Sohn eines Lehrers.

Leben

V. besuchte ab 1886 die juristische Fakultät der Budapester Universität. Bereits hier entfaltete sich seine politische Persönlichkeit. Mit seinen Kommilitonen berief er eine Groß Versammlung ein, um die Staatsangehörigkeit des in der Emigration lebenden Ludwig Kossuth, die durch das Staatsangehörigkeitsgesetz bedroht war, zu inartikulieren. 1894 wurde er Rechtsanwalt in Budapest, wo er den Demokratischen Kreis (Demokratikus Kör) gründete, aus dem die Demokratische Partei erwuchs. Im selben Jahr wurde er Mitglied des Munizipalrates der Hauptstadt. Zu dieser Zeit hatte V. bereits einige seiner bedeutendsten Werke geschrieben: „önkormányzat“ (Selbstverwaltung, 1890), „A választási elv a külföldi közigazgatásban“ (Das Wahlprinzip in der ausländischen Verwaltung, 1891) und „A királyi placetum a magyar alkotmányban“ (Das königliche Plazet in der ungarischen Verfassung, 1893). Im Jahre 1896 kandidierte V. zum erstenmal als Abgeordneter für den Wahlbezirk Olaszliszka-Tolcsva, bekam aber keine Stimmenmehrheit. 1901 wurde er zum erstenmal mit dem Programm der Demokratischen Partei zum Abgeordneten der Nationalversammlung gewählt. Einen großen politischen Erfolg errang er bei dem - bereits außerhalb des Parlaments begonnenen - Kampf um die Rezeption der jüdischen Religion, die dann im Gesetzartikel XLII vom Jahre 1895 formuliert wurde. Im Jahre 1904, zur Zeit des Eisenbahnerstreiks, führte er die Verhandlungen zwischen den Streikenden und der Regierung, danach wurde er Verteidiger im Prozeß der Eisenbahner. V. war ein guter Jurist des öffentlichen Rechts, doch liebte er die staatsrechtlichen Kämpfe zu Anfang des 20. Jh.s nicht, da sie die Aufmerksamkeit der Macht und der Parteien, die gegen die Macht kämpften, von den sozialen und wirtschaftlichen Fragen ablenkten. Als Abgeordneter kämpfte er für das demokratische Wahlrecht. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges hatte er die Möglichkeit dazu, denn vom 15. Juni bis 18. August 1917 (Regierung Graf Moritz Esterházy) und vom 25. Januar bis 8. Mai 1918 (3. Regierung Alexander Wekerle) war er Justizminister, dazwischen Minister ohne Portefeuille für das Wahlrecht. Sein Gesetzesvorschlag über das Wahlrecht bedeutete gegenüber dem letzten Wahlrechtsgesetz (Gesetzartikel XIV) von 1913 einen Schritt vorwärts; trotzdem hatten die Frauen noch immer kein Wahlrecht und der Zensus (Steuer, Grundbesitz, selbständiger Beruf, ständige Anstellung oder Kriegsauszeichnungen) verhinderte die Ausübung des politischen Rechts. Zu diesem Themenkomplex verfaßte V. seine Studie „Miért kell és milyen lesz a választójog reformja?“ (Warum ist die Reform des Wahlrechtes notwendig, und wie wird sie sein?, 1918).
Ende des Ersten Weltkrieges war V. ein entschiedener Gegner der Revolutionsbewegungen und widersetzte sich dem Abschluß eines Friedensvertrages mit dem revolutionären Rußland. Zur Zeit der bürgerlich-demokratischen Revolution von 1918 emigrierte er nach Wien, dann nach München und schließlich in die Schweiz, von wo er erst nach dem Sturz der Räteregierung, am 13. März 1921, zurückkam. Damals gründete er mit bürgerlichen Abgeordneten der Linke die „Nationale Demokratische Bürgerliche Partei“ (Nemzeti Demokrata Polgári Párt). Diese Partei unterstützte - wie V. selbst - die Legitimisten. V. nahm aktiv an der Arbeit der Opposition im Parlament und im Munizipalrat der Hauptstadt teil. Im Jahre 1924 wurde die linke Opposition unter dem Namen „Demokratischer Block“ zusammengefaßt, und in dessen Tätigkeit übernahm V. den Hauptanteil. Die Linke erlangte 1925 im Munizipalrat von Budapest die Mehrheit. Bei der Parlamentsverhandlung über die Frankenfälscher-Affäre 1926 war V. einer der Verfasser des Minderheitsvotums. Darum wurde er seitens der extremen und chauvinistischen Kreise schweren Angriffen ausgesetzt. 1926 reiste er zur Kur nach Baden, wo ihn plötzlich der Tod ereilte.
V.s Reden und Schriften (Vázsonyi Vilmos beszédei és Írásai) erschienen 1927 in zwei Bänden in Budapest.

Literatur

Pethő, Sándor: Vázsonyi Vilmos. In: Viharos emberöltő. Budapest 1928.
Vázsonyi, Vilmosné: Az én uram. Budapest 1931.

Verfasser

Andor Czismadia (GND: 128111216)

GND: 1015957021

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd1015957021.html


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Empfohlene Zitierweise: Andor Czismadia, Vázsonyi, Vilmos, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 396-397 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1836, abgerufen am: (Abrufdatum)

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