Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Svolos, Alexandros

Svolos, Alexandros, griechischer Rechtsgelehrter und Politiker, * Krušovo (Kerdyllion) 1892, † Athen 23.02.1956, verheiratet mit Maria Svolu, die in der griechischen Frauenbewegung hervorgetreten ist.

Leben

Nach dem Schulbesuch in Bitola (Monastir) studierte S. an der Universität Athen Rechtswissenschaft, promovierte 1915 mit einer Dissertation über das Koalitionsrecht (Peri tu dikeomatos tu sineterizesthe), war 1917-1920 als Direktor der Abteilung für Arbeit und Sozialfürsorge im Ministerium für Volkswirtschaft tätig. In dieser Zeit entstand seine Abhandlung über politische Amtsgewalt und Souveränität (Peri politikis ke exusias kiriarchias, 1917) und die Zwangsenteignung zur Ausstattung besitzloser Bauern (Peri anangastikis apallotrioseos pros apokatastasin aktimonon georgon, 1918). 1920 habilitierte er sich für politische Wissenschaften und stand 1921/22, während des griechischen Kleinasien-Feldzugs, an der Spitze der Verwaltung von Prusa (Bursa). 1921 erschien seine vergleichende Untersuchung über die deutsche und die sowjetische Verfassung (Peri tu germaniku ke sovietiku sintagmatos). Nachdem der Präsident der Republik, Admiral Pavlos Kunturiotis, am 15. März 1926 zurückgetreten war, um die Position des Diktators Theodoros Pangalos zu schwächen, wollte dieser die Gelegenheit zur Einführung eines Präsidialsystems nach amerikanischem Vorbild, jedoch ohne dessen demokratische Grundlagen, benutzen und konsultierte neben anderen führenden Juristen auch S., den er für die Ausarbeitung der diesbezüglichen Erlasse gewinnen wollte. Ebenso wie die anderen Gesprächspartner lehnte S. ab. Pangalos gab daraufhin seinen Plan auf. 1929 wurde S., der sich in seinen Forschungen immer mehr dem Verfassungsrecht zugewandt hatte, auf den Lehrstuhl dieses Faches an der Athener Universität berufen; eine stattliche Reihe grundlegender Werke waren die Frucht seiner Tätigkeit bis zum Ende der Republik 1935. Vor allem sind zu nennen: Über die neue Verfassung und die Grundlagen des Regierungssystems (Peri tu neo sintagmatos ke ton vaseon tu politevmatos. 1928), Über die Probleme der parlamentarischen Demokratie (Peri ton provlimaton tis kinovuleftikis dimokratias, 1931), Die Verfassungsrevision (I anatheorisis tu sintagmatos, 1933), Verfassungsrecht (Sintagmatikon dikeon. 2 Bde. 1934/35). Nach dem mißglückten Putsch republikanischer Offiziere vom 1. März 1935 führten die umfangreichen Säuberungen in Heer, Verwaltung, Justiz und Universitäten auch zur Entlassung von S., die Anfang 1936 widerrufen wurde. Unter der Diktatur des Ioannis Metaxas wurde er verhaftet und bis 1939 auf die Insel Anafi verbannt.
Nach der Besetzung Griechenlands durch Deutschland, Italien und Bulgarien war S. im Widerstand tätig. 1944 trat er in engen Kontakt zur Nationalen Befreiungsfront EAM (Ethniko Apeleftherotiko Metopo), die trotz ihrer kommunistischen Führung und ihres Terrors gegen rivalisierende Widerstandsgruppen und die Zivilbevölkerung viele nichtkommunistische Linke aus zwei Gründen anzog: Erstens bot sie als schlagkräftigste Organisation der Resistance die Gewähr wirkungsvollen Einsatzes der Kräfte, zweitens stand sie jedermann offen, so daß mancher sich wie S. Chancen ausrechnete, durch Mitarbeit nicht nur effektiven Widerstand gegen die Besatzungsmächte zu leisten, sondern auch Zielsetzung und Taktik der Organisation zu beeinflussen. Als das EAM am 14. März 1944 das Politische Komitee der Nationalen Befreiung (Politiki Epitropi Ethnikis Apeleftheroseos, PEEA) als provisorisches ziviles Repräsentationsorgan ohne wirkliche Machtbefugnisse bildete, wurde zuerst der linksrepublikanische Oberst Evripidis Bakirdzis und wenige Tage später S. Präsident dieses Gremiums. Seine Ohnmacht wurde während der Libanon-Konferenz (17.-20.05.1944) deutlich, als die demokratischen Politiker seine auf Koordination aller militärischen und politischen Kräfte durch Kompromiß und Ausgleich gerichteten Bemühungen angesichts der kommunistischen Politik in Griechenland kaum honorierten und die Kommunisten ihn schließlich durch ihre Haltung zu den Konferenzbeschlüssen desavouierten. Als auch auf sowjetisches Drängen das EAM einlenkte und in das Kabinett unter Georgios Papandreu eintrat, wurde S. Finanzminister. Vergeblich versuchte er, mit britischer Hilfe die durch Krieg und Besatzung völlig zerrütteten Finanzen zu sanieren (09.11.1944 Einführung der neuen Währung). Nach dem kommunistischen Aufstand vom Dezember 1944 trat S. aus dem EAM aus. Im Januar übernahm er die Führung der als Sammelbecken der verschiedenen nichtkommunistischen linken Gruppen neugegründeten Sozialistischen Partei/Union der Volksdemokratie (Sosialistikon Komma/Enosis Laikis Dimokratias), die sich wie die gesamte Linke an den Wahlen von 1946 nicht beteiligte. Am 5. März 1950 erhielt die Wahlkoalition, der seine Partei angehörte, 9,7% der Stimmen und 18 Mandate, in den Wahlen vom 9. September 1951 0,23% der Stimmen und keinen Sitz; die Partei konnte aber durch ein Bündnis mit den Liberalen und der Nationalen Fortschrittsunion des Zentrums (Ethniki Proodeftiki Enosis Kentru, EPEK) des Nikolaos Plastiras nach den Wahlen des 16. November 1952 wieder ins Parlament einziehen. Nach Plastiras’ Tod (26.07.1953) vereinigte sich die Sozialistische Partei mit dem linken Flügel der EPEK unter Georgios Kartalis zur Demokratischen Partei des Arbeitenden Volkes (Dimokratikon Komma tu Ergazomenu Lau) unter dem Vorsitz von S.; in den Wahlen vom 19. Februar 1956 sicherte sie sich 20 Mandate. S., der 1946 wiederum aus der Universität entlassen worden war, vertrat bis zu seinem Tode den Wahlkreis Thessaloniki im Parlament. In seinen letzten Lebensjahren entstand das zweibändige Werk ,,To sintagma tis Eliados“ (Die Verfassung Griechenlands, 1954/55), das S. mit G. Vlachos verfaßte. Aus seinem Nachlaß erschienen 1972 „Provlimata tu Ethnus ke tis Dimokratias“ (Probleme der Nation und der Demokratie, 2 Bde) und ,,I sintagmatiki istoria tis Eliados“ (Verfassungsgeschichte Griechenlands).
Über Voraussetzungen, Chancen und Folgen des politischen Engagements von S. während der Besatzungszeit streiten die Historiker, nicht jedoch über seine persönliche Lauterkeit; unbestritten zwischen seinen Bewunderern und Gegnern ist, daß S. zu den bedeutendsten Verfassungsrechtlern gehört, die das Land hervorgebracht hat.

Literatur

Michalojannis, G.: Alexandros Svolos. Athen 1957.
Tsirimokos, Ilias: Alexandros Svolos. Athen 1963.

Verfasser

Gunnar Hering (GND: 1078119694)

GND: 142039071

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd142039071.html


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Empfohlene Zitierweise: Gunnar Hering, Svolos, Alexandros, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 239-241 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1725, abgerufen am: (Abrufdatum)

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