Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Sturdza

Sturdza (auch Sturza, Stourza), rumänisches Großbojarengeschlecht aus der Moldau, das vielleicht auf den „Großpan Bârlă von Hîrlău“ zurückgeht (zwischen 1387 und 1411 als Mitglied des Fürstlichen Rats erwähnt) oder - etwas wahrscheinlicher - auf Ion St. (Sturzevici), der im Jahre 1540 Hofmarschall (mare postelnic) und zwischen 1540 und 1552 Burggraf (pîrcălab) von Hotin und Suceava sowie Hetman war und am Athos als Stifter im Kloster Vatoped auftrat.

Leben

Im Jahre 1672 lehnte der Truchseß Ilie St., der auch andere Hofämter bekleidet hatte und Schwager des Fürsten Grigore Ghica war, den Fürstenstuhl ab. Zusammen mit seinem Bruder, dem Marschall und Diplomaten Toderaşco St., wanderte der kinderlose Ilie nach Siebenbürgen aus, wo Fürst Mihály Apafi die beiden im Jahre 1679 adelte. Der dritte Bruder, Chiriac St. († 1682), der Schatzmeister war, dann unter anderem auch Burggraf von Hotin (1656), ist der Stammvater der beiden späteren Zweige der Familie St.
Von den Erben des ältesten Sohnes des Chiriac St., Ion, stammt Dimitrie St. ab, * Miclăuşeni 27.12.1756, † Jassy 04.04.1846, der Kanzler (mare logofăt) und Verfasser einer aristokratisch-demokratischen Verfassung (Constituţie aristo-democraticească) war, die Napoleon überreicht wurde.
Constantin Sturdza-Scheianu, * Miclăuşeni 05.04.1799, † Jassy 27.10.1827, Sohn des Dimitrie St., legte eine reichhaltige und bedeutende Sammlung von Dokumenten und Handschriften in altrumänischer Sprache an.
Dimitrie C. Sturdza-Scheianu, * Jassy 19.05.1839, † Bukarest 06.02.1920, Sohn des Dimitrie St., war Mitbegründer der Rumänischen Akademie, Justizminister (1891 und 1907) sowie, als Historiker, Mitherausgeber der „Acte şi Legiuiri privind chestiunea ţărănească“ (Akten und Gesetzesbestimmungen, die Bauernfrage betreffend). Er schenkte der Akademie seine Sammlungen und war seit 1907 ihr Ehrenmitglied.
Dimitrie A. St., * Miclăuşeni 10.03.1833, † Bukarest 08.10.1914, Vetter ersten Grades von Dimitrie C. Sturdza-Scheianu. Seine politische Laufbahn begann mit dem Amt des Sekretärs des moldauischen Divan-ad-hoc von 1857. Später war er Minister für öffentliche Angelegenheiten (1859, 1861, 1866, 1876), der Finanzen (1870, 1877-1878, 1878-1882, 1888), Minister für Auswärtige Angelegenheiten (1882-1885) und für Erziehung (1885 bis 1887). Nach dem Tode von Ion C. Brătianu übernahm er den Vorsitz der Liberalen Partei und des Ministerrates. In den Jahren 1895-1896, 1897-1899 und 1907-1908 wirkte er wieder als Außenminister sowie zwischen 1901 und 1905 als Ministerpräsident. Als Wissenschaftler widmete sich Dimitrie A. St. insbesondere der Numismatik und Geschichte. Auf seine Bemühungen geht in großem Maße die Veröffentlichung der Aktenpublikation „Documente Hurmuzaki“ zurück sowie weitgehend auch der Reihe „Acte şi Documente privind renaşterea naţională a României“ (Akten und Dokumente, die nationale Wiedergeburt Rumäniens betreffend). Er verfaßte mehrere Schriften über das rumänische Finanzwesen, die freie Schiffahrt auf der Donau, über die Eisenbahnen, das Erdöl u. a. m. Er war Mitbegründer der „Societatea Academică Română“ und der Spiritus rector bei der Gründung der Rumänischen Akademie, der er vom Jahre 1879 bis zu seinem Tod als Stellvertretender Präsident und Generalsekretär Vorstand.
Demselben Zweig der Familie gehören auch die folgenden fünf Personen an:
Alexandru Scarlat St., * 1791, †  Manzîr (Bessarabien) 25.06.1854, der unter Zar Alexander I. Wirklicher Geheimrat war und diesen im Jahre 1818 zum Kongreß nach Aachen begleitete. Hier schrieb er das „Mémoire sur l’état de l’Allemagne“, welches, von der britischen Presse verbreitet, an deutschen Universitäten antirussische Unruhen auslöste. Bei der Abfassung des Projekts der Heiligen Allianz leistete er bedeutsame Formulierhilfe. Er war außerdem einer der wichtigsten Vertreter der orthodoxen Mystik und Verfasser verschiedener religionsphilosophischer Schriften, wie „Considérations sur la doctrine et l’esprit de l’Eglise Orthodoxe“ (Stuttgart 1816), die die Ausweisung der Jesuiten aus Rußland zur Folge hatte.
Roxandra St., durch Heirat eine Gräfin von Edling, * Istanbul 12.10.1786, † Manzîr 16.01.1844, Schwester von Alexandru Scarlat St., war Ehrendame der russischen Kaiserin Elisabeth. Sie führte Mme Swetchine bei Hofe ein und unterhielt eine weitläufige Korrespondenz mit Joseph de Maistre, dem Baron von Stein, mit Sainte-Beuve, Franz von Baader und Jung-Stilling.
Mihail Grigore St., * 1794,  † Paris 25.04.1884, Vetter von Alexandru Scarlat St. und Roxandra St., wurde 1828 Innenminister (mare vornic) und 1829 einer der Mitverfasser des Reglement Organique. Von 1834 bis 1849 war er Fürst der Moldau. Er war ein begabter Verwalter und kundiger Neuerer. Zu seinen Reformen gehörten die Verbesserungen im Finanzwesen und Binnenhandel und die Gesetze zur Befreiung der fürstlichen Zigeunersklaven. Auch begründete er die Universität zu Jassy (Academia Mihăileană). Seine politischen Gegner warfen ihm vor, allzu autoritär geherrscht und sich während seiner Regierungszeit persönlich bereichert zu haben.
Grigore St., * Sculeni bei Jassy 11.03.1821, † Bukarest 15.01.1901, Sohn des Mihail Grigore St., war im Krimkrieg unter dem Namen Muhlis Pascha General im osmanischen Heer. In seiner Heimat wirkte er als Politiker auf seiten der Konservativen.
Maria St., * Jassy 13.06.1849, † Monte Carlo 13.03.1905, Schwester des Grigore St., stammte aus der zweiten Ehe des Fürsten Mihail Grigore St. mit Smaranda, der Tochter des Bey von Samos, Stefan Bogoridi. Sie heiratete den Sohn des russischen Kanzlers, Fürst Konstantin Gorčakov.
Der zweite Zweig der Familie stammt vom jüngeren Sohn des Burggrafen Chiriac St. ab. Aus dieser Linie sind zu erwähnen: Ion Sandu St., * 1761/62, † Jassy 2.02.1842, der im Jahre 1816 das Amt des Marschalls und 1821 das eines Kanzlers innehatte. Von 1822 bis 1828 war er Fürst der Moldau. Seine Herrschaft wurde durch zahlreiche innere Schwierigkeiten und die feindselige Haltung Rußlands ihm gegenüber getrübt. Die Russen setzten ihn gewaltsam ab. Dieser Fürst sympathisierte mit dem Gedankengut der Carbonari (cărvunari) und wollte die Privilegien des Großbojarentums verringern.
Pulcheria St., * Istanbul 1825, † Genf 20.09.1874, Enkelin von Ion Sandu St., war die Gattin des bessarabischen Bojaren und russischen Offiziers Petre Keşko und die Mutter der späteren serbischen Königin Natalija Obrenović.
Vasile St., Răcăcini bei Bacău 08.11.1811, † ebd. 11.01.1870, war fürstlicher Stellvertreter (Kaymakam) 1858 und Premierminister 1859. Als Politiker setzte er sich für die Union der Donaufürstentümer ein. Von seinen Enkelkindern sind Mihai St., * Bacău 13.01.1886, † Madrid 05.02.1980, der 1940 Außenminister des Legionären Regimes war und mehrere Schriften politischen Inhalts verfaßte, sowie die bekannte Bukarester Schauspielerin Lucia Sturdza-Bulandra, * Jassy 28.08.1873, † Bukarest 19.11.1961, zu erwähnen.

Literatur

Stourdza, Alexandre A. C.: Règne de Michel Stourdza, prince régnant de Moldavie. Paris 1907.
Iorga, Nicolae: Un om de severă muncă, Dimitrie Sturdza. In: Academia Română, Memoriile Secţiei Istorice, seria III, tom. XIV, mem. 5 (1933).
In memoria lui Dimitrie Sturdza cu prilejul centenarului dela naşterea sa. Bucureşti 1933.
Vârtosu, Emil: Napoleon Bonaparte şi proiectul unei republici aristodemocraticeşti. Bucureşti 1947.
Susini, Eugène: Lettres inédites de Franz von Baader. Bd 1. Paris 1942, 82-102; Bd 2. Paris 1951, 485-499.
Petri, Hans: Alexander und Ruxandra Stourdza. Zwei Randfiguren europäischer Geschichte. In: Südost-Forsch. 22 (1963) 401-436, 28 (1969) 280-283.

GND: 119416697

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd119416697.html


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Empfohlene Zitierweise: Mihail-Dimitrie Sturdza, Sturdza, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 219-222 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1712, abgerufen am: (Abrufdatum)

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