Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Starhemberg, Ernst Rüdiger Graf
Bild: Wikimedia Commons
Wikidata: Q551615

In den Suchergebnissen blättern

Treffer 
 von 1526

Starhemberg, Ernst Rüdiger Graf

Starhemberg, Ernst Rüdiger Graf, kaiserlicher Feldmarschall, * Graz 12.01.1638, † Wesendorf in der Wachau (Niederösterreich) 04.01.1701, Sohn des Conrad Balthasar Graf St. und der Anna Elisabeth von Zinzendorf.

Leben

Gebürtig aus einem alten oberösterreichischen Adelsgeschlecht, das zum ältesten „verburgrechteten“ Adel Wiens zählt, gewann St. anläßlich seiner Teilnahme an der Belagerung Stettins im Feldzuge 1659 des Nordischen Krieges eine leidenschaftliche Vorliebe für den Soldatenberuf, für den er sich bald endgültig entschied. Im Türkenkrieg 1664 Hauptmann einer Kompanie, wurde St. zur Anerkennung seiner militärischen Leistung das Kommando zu Tokaj und Szathmar übertragen und 1669 zum Oberst ernannt. 1670 vermochte St., von Franz I. Rákóczi bei Tokaj überraschend gefangengenommen, sein Leben dadurch zu retten, daß er sich am Wiener Hof mit allen Mitteln für Rákóczi und seine Begnadigung einsetzte. Im Jahre 1680 ernannte Kaiser Leopold I. St. zum Stadtkommandanten von Wien, das nun von St. angesichts des bevorstehenden Türkenkrieges durch zahlreiche Festungsbauten in Verteidigungsbereitschaft gesetzt wurde. Im Jahre 1683 anfänglich als Kommandeur des Fußvolkes der kaiserlichen Armee tätig und vorgesehen zum Oberbefehl über die Festung Raab, berief ihn der Kaiser beim Herannahen der Türken als Oberbefehlshaber über die Stadt und Festung nach Wien, in der St. am 7. Juli eintraf. St. fand die größte Festung des Reiches in einem militärisch immer noch unbefriedigenden, an wichtigsten Stellen ziemlich ungerüsteten Zustand vor. Seiner ungeheuren Tatkraft sowie seiner rücksichtslosen Härte gegenüber seiner Person wie der seiner Untergebenen im gleichen Maße ist es wohl zuzuschreiben, daß binnen der einen noch zur Verfügung stehenden Woche bis zum Beginn der Belagerung am 14. Juli alle Versäumnisse gutgemacht, die Befestigungen vollendet und die zweimonatige Belagerung Wiens trotz mancher höchst kritischer Momente mit einer bewundernswerten Zähigkeit durchgehalten werden konnte. Vom Kaiser nach der Befreiung Wiens mit der Ernennung zum Feldmarschall ausgezeichnet, machte St. als Befehlshaber der gesamten Infanterie die anschließenden Feldzüge gegen die Türken bis zum Jahre 1686 mit.
Ab 1688 als Vizepräsident Leiter der Geschäfte des Hofkriegsrates erlangte St. 1691, nach dem Tode des Markgrafen Hermann von Baden, das Amt des Präsidenten dieser für die weitere Kriegsführung höchst wichtigen Behörde. St. betrieb die Reorganisation des kaiserlichen Heerwesens, indem er die vom Grafen Raimund Montecuccoli geforderte Einrichtung eines stehenden Heeres auch in kampflosen Zeiten endgültig durchzusetzen und zu organisieren verstand (so erfolgte u. a. die erstmalige Einrichtung dreier, den Kürassieren gleichgestellter ungarischer Husarenregimenter), womit die Schlagkraft und die Kriegstauglichkeit der Armee entscheidend gesteigert werden konnte. Im Jahre 1697 erreichte St. die Ernennung des Prinzen Eugen zum Oberbefehlshaber über die kaiserlichen Truppen und unterstützte diesen mit recht energischen organisatorischen Maßnahmen, die den entscheidenden Sieg bei Zenta (11.09.1697) über die Türken ermöglichten. Der gleichfalls 1697 angeordnete Ausbau der Stadt Arad zur Festung geht auf St. zurück. Nach dem glücklichen Abschluß des sechzehnjährigen Türkenkrieges (Friede von Karlowitz 26.01.1699) starb St. inmitten der Vorbereitungen zum Spanischen Erbfolgekrieg - von zahlreichen Regenten, wie z. B. vom Papst und von dem russischen Zaren Peter dem Großen im Rahmen seines Wienbesuches (1698) auf das höchste geehrt.
St.s tapfere Verteidigung Wiens vor dem Ansturm der Türken und des Islams, ein Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung, hat die Grundvoraussetzungen für die große Wende mit der Schlacht am Kahlenberg geschaffen; beides, das Standvermögen des Verteidigers und der Sieg der Befreier, leiteten den Fall des Osmanischen Reiches in Europa und mit diesem den Aufstieg des Habsburgerreiches zur herrschenden Macht an der Donau und in Südosteuropa ein.

Literatur

Schwerdling, Johann: Geschichte des Hauses Starhemberg. Linz 1830.
Thürheim, Andreas Graf: Feldmarschall Ernst Rüdiger Graf Starhemberg. Wien 1882.
Newald, Johann: Beiträge zur Geschichte der Belagerung von Wien durch die Türken. 2 Bde. Wien 1883/84.
Lorenz, Reinhold: Türkenjahr 1683. Wien, Leipzig 1933.
Barker, Thomas M[ack]: Double eagle and crescent. Vienna’s second Turkish siege and its historical setting. Albany/N.Y. 1967.

Verfasser

Gerhard Seewann (GND: 1069961280)

GND: 117216402

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd117216402.html


RDF: RDF

Vorlage (GIF-Bild):  Bild1   Bild2   

Empfohlene Zitierweise: Gerhard Seewann, Starhemberg, Ernst Rüdiger Graf, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 174-175 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1684, abgerufen am: (Abrufdatum)

Druckerfreundliche Anzeige: Druckerfreundlich

Treffer 
 von 1526
Ok, verstanden

Website nutzt Cookies, um bestmögliche Funktionalität bieten zu können. Mehr Infos