Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Stefan

Stefan (weltlicher Name Stojan Popgeorgiev), bulgarischer Exarch, * Široka lŭka (Kreis Devinsko) 19.09.1878, † Banja (Kreis Karlovo) 14.05.1957.

Leben

St. besuchte die Volksschule in Široka lŭka, das Progymnasium in Orjahovo und das Priesterseminar in Samokov, das er 1898 beendete. Danach war er drei Jahre Dorfschullehrer in Solišta. Im Jahre 1900 wurde er Student an der Geistlichen Akademie in Kiev, die er 1904 mit dem Rang eines „Kandidaten der Theologie“ beendete. Nach der Rückkehr aus Rußland wurde St. Lehrer am Knabengymnasium in Plovdiv, danach Lehrer am Priesterseminar in Istanbul, wo er auch den Posten eines Sekretärs des bulgarischen Exarchen Josif I. ausübte.
Am 16. Oktober 1910 wurde St. Mönch und erhielt den Namen Stefan. Er blieb aber auch weiterhin beim Exarchen Josif und wurde am 8. September 1911 zum Archimandriten erhoben. Als Josif I. im Jahre 1913 nach Sofia übersiedelte, ging St. mit ihm. 1918 ging St. in die Schweiz, wo er an der Universität von Fribourg seine Studien fortsetzte. Er erlangte hier 1919 mit der Arbeit „Za bogomilite i prezviter Kozma“ (Über die Bogomilen und Presbyter Kozma) den Grad eines Doktors der Philosophie und Literatur. Nach der Rückkehr aus der Schweiz wurde St. am 20. März 1921 zum Bischof von Martianopolis (ein Ehrentitel) und am 26. März 1922 zum Metropoliten von Sofia gewählt. Am 7. April 1922 wurde er inthronisiert, wodurch er unter den bulgarischen Bischöfen primus inter pares wurde. Nach dem Tode des Exarchen Josif 1915 wurde kein neuer Exarch gewählt, was mit den territorialen Veränderungen durch den ersten und zweiten Balkankrieg Zusammenhängen dürfte. Am 15. Oktober 1944 wurde St. zum Stellvertreter des Präsidenten des Heiligen Synods gewählt (unter dem Präsidenten verstand man den Exarchen, den es damals nicht gab), und am 21. Januar 1945 erfolgte seine Wahl zum bulgarischen Exarchen. Auf diesem Posten blieb er bis zum 8. September 1948, als er durch politische Umstände zum Rücktritt gezwungen wurde. Er wurde im Dorfe Banja, Kreis Karlovo, interniert, wo er auch verschied. Er wurde im Kloster Bačkovo beigesetzt.
Da der Metropolit St. stets ein Gegner der Dynastie und besonders des Königs Boris III. gewesen war, konnte man erwarten, daß er vom neuen Regime eine gute Behandlung erfährt. Es fiel St. nicht schwer, am 8. September 1946 gemeinsam mit dem Heiligen Synod eine Erklärung abzugeben, derzufolge sich die bulgarische Kirche für die Republik aussprach. Als im Jahre 1947 das Kominform gegründet wurde, begrüßte St. seine Gründung „als einen weiteren Schritt zur Erhaltung der slawischen Solidarität“. Auf dem Allorthodoxen Kongreß in Moskau (08.-18.07.1948) wurde ihm große Aufmerksamkeit erwiesen.
Die panslawistische Einstellung des Exarchen St. wurde jedoch vom neuen Regime in Bulgarien falsch verstanden. St. war im Grunde demokratisch und prowestlich orientiert. Im Jahre 1948 gab er zusammen mit Georgi Šavelski ein Buch unter dem Titel „Socialnijat vŭpros v svetlinata na Evangelieto“ (Die soziale Frage im Lichte des Evangeliums) heraus, das als antikommunistisch empfunden wurde. Die Verfasser wurden von der kommunistischen Presse angegriffen, was am 8. September 1948 zum Rücktritt des Exarchen führte. Offiziell wurde sein schlechter Gesundheitszustand als Ursache seines Rücktrittes angegeben.
In der Geschichte der bulgarischen orthodoxen Kirche nimmt Exarch St. einen wichtigen Platz ein. Ihm ist es mit Unterstützung der russisch-orthodoxen Kirche gelungen, bei dem ökumenischen Patriarchen Benjamin II. am 22. Februar 1945 die Aufhebung des Schismas zu erwirken, das im Jahre 1872 über die bulgarische orthodoxe Kirche verhängt worden war. Außerdem wurde vom ökumenischen Patriarchen ein „Tomos“ erlassen, mit dem der bulgarischen orthodoxen Kirche volle Autokephalie zuerkannt wurde.
Exarch St. war ein vielseitig gebildeter Mann, der vor allem als guter Kirchenverwalter und Prediger bekannt war, was besonders in seinem Hirtenbrief „Sŭština na pastirskoto služenie“ (Das Wesen des Priesteramtes, 1935) zum Ausdruck kam. Er war auch ein aktiver Kirchenpolitiker, der sich für die Ausbreitung der ökumenischen Idee in Bulgarien einsetzte. St. unterhielt besonders gute Beziehungen zur Altkatholischen Kirche der Schweiz und zur Anglikanischen Kirche. Er vertrat die bulgarische orthodoxe Kirche auf der Konferenz für das praktische Christentum, die 1937 in London abgehalten wurde. In der Zusammenarbeit der orthodoxen Kirchen sah St. die Erhaltung des Friedens auf dem Balkan gewährleistet. Unter seiner Mitwirkung wurde 1935 ein Komitee für Frieden und Zusammenarbeit durch die Kirche auf dem Balkan gegründet, an dessen Spitze Stefan Cankov stand. Während des Zweiten Weltkrieges setzte sich St. gegen die Verfolgung der serbischen orthodoxen Kirche in den okkupierten Gebieten ein, wie er überhaupt eine Annäherung zwischen Bulgarien und Jugoslawien befürwortete.

Literatur

Slijepčević, Djoko: Die bulgarische orthodoxe Kirche 1944-1956. München 1957.
Kiril, patriarch: Nadgrobno slovo ... na negovo Blaženstvo preždebivšija ekzarch Bŭlgarski i mitropolit Sofijski Stefan na 18 maj 1957 v Bačkovskija Manastir. In: Cŭrkoven Vestnik 58 (1957) 23, 2-4.
N. R. Bŭlgarija i religioznite izpovedanija v neja. Sofija 1966.

GND: 10433598X

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd10433598X.html


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Empfohlene Zitierweise: Đoko Slijepčević , Stefan, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 188-189 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1693, abgerufen am: (Abrufdatum)

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