Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Nikolaus II. Aleksandrovič
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Nikolaus II. Aleksandrovič

Nikolaus II. (Nikolaj) Aleksandrovič, Kaiser von Rußland 1894-1917, * St. Petersburg 18.05.1868, † (ermordet) Ekaterinburg (Sverdlovsk) 16./17.07.1918, Sohn Alexanders III. und der Marija Feodorovna (Prinzessin Dagmar von Dänemark), seit 1894 verheiratet mit Aleksandra Feodorovna (Alice von Hessen-Darmstadt).

Leben

N. war der letzte und zugleich der schwächste Herrscher, der in neuerer Zeit Rußlands Thron bestiegen hat. So wie sein Vater auf die Praktiken Nikolaus’ I. zurückgegriffen hatte, die Autokratie unverletzt zu bewahren, so nahm er Zuflucht zu den Methoden Alexanders III.: er hielt sich ganz an dessen autokratisches Vorbild. Wie jener, unterlag auch er dem Einfluß des schon unter dem Vorgänger überaus mächtigen Oberprokurors des Hl. Synod, Konstantin Petrovič Pobedonoscev, eine der unheilvollsten Erscheinungen dieser letzten Jahre des niedergehenden Zarenreiches. Selber wenig befähigt und auch zu labil, die Regierungsentscheidungen tatkräftig in die eigene Hand zu nehmen, überließ er diese außer Pobedonoscev seiner ehrgeizigen, ihm an Willenskraft überlegenen Gemahlin und deren engem Vertrauten, Grigorij Efimovič Rasputin. Außenpolitisch folgte N. traditionellen Tendenzen. Um den russischen Einfluß auf dem Balkan zu erhalten, nahm er bewußt das Kriegsrisiko in Kauf. Nach dem unglücklichen Ende des Russisch-japanischen Krieges (1904/05) war er fürs erste darauf bedacht, ernsthafte Konflikte zu vermeiden. Noch im Jahre 1907 schien sein Außenminister Izvol’skij die Kooperation mit Wien in der Balkanpolitik für unersetzlich zu halten. Der Gegensatz zu dem Hauptrivalen auf der Halbinsel brach auf, als das Sandschakbahn-Projekt des österreichischen Außenministers Aehrenthal 1908 wieder in den Mittelpunkt der Wiener Südostpolitik trat. Er ließ sich für einige Zeit dadurch überbrücken, daß Petersburg bereit war, der Annexion Bosniens und der Herzegowina durch Wien zuzustimmen (Oktober 1908). Zwar versuchte das Rußland verbündete Serbien, das den alle Serben umfassenden Nationalstaat anstrebte, Petersburg zum bewaffneten Vorgehen gegen die Donaumonarchie zu bewegen, zum Kriege aber war das Zarenreich nicht bereit. Uber diesem Mißerfolg der russischen Diplomatie, der die militärische Schwäche Petersburgs offenbarte, stürzte Izvol’skij (1910). Sein Nachfolger Sergej Dmitrievič Sazonov baute die Balkanposition durch den Zusammenschluß der Balkanstaaten weiter aus. Gegen Rußlands Willen führten der Vertrag über Mazedonien zwischen Serbien und Bulgarien (März 1912) und der griechisch-bulgarische Vertrag mit der Verpflichtung wechselseitiger militärischer Unterstützung (Mai 1912) zu einem gemeinsamen Angriff Bulgariens, Griechenlands, Montenegros und Serbiens auf das Osmanische Reich (Oktober 1912). Der Londoner Präliminarfriede (30.05.1913) rief neue russisch-österreichische Kriegsgefahr herauf. Serbien verlangte mit Unterstützung Petersburgs Zugang zur Adria, Wien versagte sich dieser Forderung und konnte seinen Standpunkt mit Hilfe Berlins erfolgreich durchsetzen. Wieder mußte Petersburg einlenken. Mehr und mehr entglitten die Balkanstaaten in der Folgezeit der russischen Bevormundung. Der serbisch-österreichische Konflikt (Sarajevo, Juni 1914) ließ die Gegensätze zwischen dem Zarenreich und der Donaumonarchie erneut deutlich zutage treten. Es entsprach der Tradition in den Beziehungen Rußlands zu Serbien, daß Petersburg zur aktiven Unterstützung des Balkanstaates entschlossen blieb. N. und seine Berater glaubten, nicht noch einmal zurückweichen zu können. Fest überzeugt, daß der Krieg ein rasches, siegreiches Ende finden würde, trat N. in die letzten Jahre seiner Herrschaft ein. Zu den Kriegszielen erklärte er die Annexion Ostgaliziens und des nördlichen Ostpreußen sowie die Einverleibung Istanbuls und der Dardanellen. Die Februarrevolution des Jahres 1917, ausgelöst durch den unglücklichen Kriegsverlauf, die Hungersnot in den Städten, die Mängel der Rüstungsindustrie und der Wirtschaftsorganisation und durch die fortgeschrittene marxistische Beeinflussung der Industriearbeiter, zwang ihn am 15. März 1917 zur Abdankung.

Literatur

Nikolaj II. Materialy dlja charakteristiki ličnosti carja i carstvovanija. Moskva 1917.
Perepiska Nikolaja i Aleksandry Romanovych. 5 Bde. Berlin, Moskva 1922/27.
Perepiska Vil’gel’ma II s Nikolaem II. Moskva 1923.
Padenie carskogo režima. 7 Bde. Moskva, Leningrad 1924/27.
Ol'denburg, Sergej Sergeevič: Carstvovanie Imperatora Nikolaja II. 2 Bde. Beograd 1939/49.
Seraphim, Ernst: Russische Porträts. Die Zarenmonarchie bis zum Zusammenbruch 1917. 2 Bde. Zürich, Leipzig, Wien 1943.
Grunewald, Constantin de: Der letzte Zar. Wien, Berlin 1966 (franz. Ausgabe Paris 1965).

Verfasser

Klaus Appel

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Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd11873492X.html


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Empfohlene Zitierweise: Klaus Appel, Nikolaus II. Aleksandrovič, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 329-330 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1459, abgerufen am: (Abrufdatum)

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