Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Miklosich, Franz von
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Miklosich, Franz von

Miklosich (Miklošić), Franz von, slowenischer Philologe und Slawist, * Pichelberg bei Luttenberg (Radomerščak bei Ljutomer, Untersteiermark) 20.11.1813, † Wien 07.03.1891, Sohn eines Gastwirts und Kaufmanns.

Leben

M. besuchte des Gymnasium in Waraschdin (1824-1826) und Marburg a. d. Drau (1826-1830) und studierte in Graz Philosophie (1838 Promotion zum Dr. phil.) und in Wien ab 1838 Jura (Promotion zum Dr. jur. 1840). 1840-1844 war M. Konzipient in mehreren Anwaltskanzleien, ab 1844 Bibliothekar an der Wiener Hofbibliothek. Bereits in seinen Grazer Studienjahren hatte M. auf Anregung von Stanko Vraz das Selbststudium der slawischen Sprachen aufgenommen, das er in Wien unter dem Einfluß Kopitars - dieses außerordentlich verdienstvollen, philologisch und historisch gebildeten Anregers und ,censors graeco-slavicus' - fortsetzte und intensivierte. Schon vor dem durch Kopitar vermittelten Eintritt in die Hofbibliothek war M. mit einer Rezension von Franz Bopps „Vergleichender Grammatik“ (Berlin 1833/40) als Slawist an die wissenschaftliche Öffentlichkeit getreten (in: Jahrbücher der Literatur 105 (1844), 43-70) und hatte auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung slawischen Sprachmaterials in der aufblühenden Indogermanistik hingewiesen. 1845 folgte sein kirchenslawisches etymologisches Wörterbuch „Radices linguae slavicae veteris dialecti“ und nach mehreren Editionen alter Handschriften 1847 seine vielbeachtete Rezension von Aleksandr Christoforovič Vostokovs Ausgabe des Ostromir-evangeliums (1843), in der er mit sicherem Blick das höhere Alter der Sprache des Glagolita Clozianus und des Cod. Suprasliensis hervorhob. M. vertrat die später widerlegte pannonische Hypothese über den Ursprung des Altkirchenslawischen. Unermüdlicher Fleiß und eine außergewöhnliche philologische Begabung ließen M. zum bedeutendsten Slawisten und Grammatiker der folgenden Jahrzehnte werden, in denen er die slawischen Sprachen in Lehr- und Handbüchern philologisch erschloß und in das große Gebäude der Indogermanistik gleichberechtigt einfügte. Als 1849 an der Wiener Universität ein Lehrstuhl für slawische Philologie eingerichtet wurde, erhielt M. den Ruf (1849 apl., 1850 o. Professor, 1851 o. Akademiemitglied, 1854 Rektor, 1864 geadelt). So wurde Wien zum Zentrum slawistischer Studien. Die Hauptwerke M.s (es sind insgesamt 34 Bücher in 44 Bänden, dazu 108 z. T. umfangreiche Aufsätze) sind seine „Vergleichende Grammatik der slavischen Sprachen“ (2 Bde, Wien 1852/56, 2. erw. Aufl. in 4 Bden Wien 1875/83), das noch heute unentbehrliche „Lexicon palaeoslovenico-graeco-latinum“ (Wien 1862/65, Nachdrucke 1922, 1963), die drei Teile der „Albanischen Forschungen“ (in den Denkschriften der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Bd 19-20, 1870/71), das „Etymologische Wörterbuch der slavischen Sprachen“ (Wien 1886) und die Aufsätze über slawische Elemente im Rumänischen (Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Bd 12, 1861) und türkische Elemente in den slawischen Sprachen (Wien 1884/90), womit M. bereits balkanologische Probleme berührte. Bekannt wurde M. auch als Herausgeber der „Monumenta Serbica spectantia historiam Serbiae, Bosnae, Ragusii“ (1858, Neudruck 1964). Am Wiener Treffen zur Regelung der Schriftsprachenfrage zwischen Kroaten und Serben nahm M. teil (Bečki književni dogovor, 16. März 1850). Nach der ersten Hälfte des 19. Jh.s, die durch Gelehrte wie Josef Dobrovský, Aleksandr Ch. Vostokov, Ján Kollár, Vuk St. Karadžić u. a. ein aus nationalem Bewußtwerden gefördertes Verständnis für viele Fragen der slawischen Völker weckte, bedeutet der mit M. einsetzende Abschnitt eine eher nüchterne, systematischphilologische Erforschung und Darstellung der sprachlichen Fakten, also den Beginn der wissenschaftlichen Slawenkunde. Hier war M. die unbestrittene Autorität, seine wissenschaftliche Persönlichkeit war „das Resultat einer originellen Synthese zwischen einem nationalen Bewußtsein, das der konkreten historischen und kulturellen Situation eines Volkes Rechnung trug, und einem Denken, das in europäischen übernationalen Traditionen, in liberaler Gesinnung und in der Tatsachenforschung des 19. Jahrhunderts verankert war“ (Hafner).

Literatur

Maretić, Tomislav: Život i književni rad F. Miklošića. Zagreb 1892. = Rad JAZU. 112.
Murko, Mathias: Miklosichs Jugend- und Lehrjahre. In: Forschungen zur slawischen Literaturgeschichte. Festgabe für Richard Heinzel. Weimar 1898, 493-567.
Kolarič, Rudolf: Miklošič. In: Slovenski biografski leksikon. Bd 2. Ljubljana 1933/52, 118-122.
Hafner, Stanislaus: Über Miklosichs Weltbild und das Verhältnis zum Deutschtum. In: Ostdeutsche Wissenschaft 9 (1962) 228-255.

Verfasser

Peter Rehder (GND: 128962550)

GND: 119065932

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd119065932.html


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Empfohlene Zitierweise: Peter Rehder, Miklosich, Franz von, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 201-202 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1362, abgerufen am: (Abrufdatum)

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