Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Kunfi, Zsigmond

Kunfi, Zsigmond, ungarischer Politiker, * Nagykanizsa 28.04.1879, † Wien 18.11.1929, Sohn eines kleinen Beamten.

Leben

 Nach dem Universitätsstudium in Klausenburg, wo er das Doktorat der Philosophie erwarb, wurde K. Lehrer am Obergymnasium in Temeschwar. Da er sich der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung angeschlossen hatte und darin sehr aktiv war, mußte er den Schuldienst verlassen und wurde 1907 Redakteur beim sozialdemokratischen Parteiorgan „Népszava“ (Volksstimme), wo er bald wegen seiner hervorragenden Artikel zum führenden Leitartikler wurde. 1908-1914 war er Herausgeber der theoretischen Zeitschrift „Szocializmus“, die er nicht nur redigierte, sondern in der er unter verschiedenen Namen auch die Mehrzahl der Artikel schrieb. Während dieser Zeit war er bereits Mitglied des Vorstandes der „Ungarländischen Sozialdemokratischen Partei“ (Magyarországi Szociáldemokrata Párt = MSZDP). Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges überraschte ihn auf einer Agitationsreise durch die Vereinigten Staaten. Im Herbst 1918 wurde K. Mitglied des „Nationalrates“ (Nemzeti Tanács). In der Regierung des Grafen Mihály Károlyi übernahm er das Ressort für Arbeit und Volkswohlfahrt (1.11.1918 - 18.01.1919), im Berinkey-Kabinett wurde er Unterrichtsminister (18.01.1919 - 20.03.1919). Als Volkskommissar hatte er zunächst auch im „Revolutionären Regierenden Rat“ (Forradalmi Kormányzótanács) der Räterepublik dieselbe Funktion inne. K. war in der Führungsspitze einer der Wortführer der gemäßigten Richtung, wendete sich vor allem gegen das Kopieren des russischen Rätesystems und gegen den Terror, mit dem die Räteregierung viele ihrer radikalen Reformen durchführte. Dadurch geriet K. immer mehr in Gegensatz zu Béla Kun und dem linken, kommunistischen Flügel der Staatsführung. Dies war auch der Grund für sein Ausscheiden aus dem „Regierenden Rat“ nach der „Landesversammlung der Räte“ (Tanácsok Országos Gyűlése) im Juni 1919. Durch seine guten Kontakte zu verschiedenen maßgeblichen Persönlichkeiten der Nachbarstaaten und zu Politikern der Entente fungierte K. in der Folge als Verhandlungsträger mit dem Ausland. Als die Räteregierung am 1. August 1919 stürzte, blieb K. in Ungarn, um für die sozialdemokratische Partei weiterzuarbeiten. Die Verfolgungen der „weißen Gegenrevolution“ zwangen ihn jedoch zur Flucht nach Wien, wo er Redakteur der „Arbeiter Zeitung“, der sozialdemokratischen Monatsschrift „Kampf“ sowie der in ungarischer Sprache erscheinenden Zeitschrift „Világosság“ (Licht) wurde. Daneben lehrte K. an der Wiener Arbeiterhochschule Geschichte. Der hochsensible Politiker und Journalist machte seinem Leben durch Selbstmord ein Ende. Im Laufe seiner Tätigkeit schrieb K. auch eine Reihe gesellschaftswissenschaftlicher und literarhistorischer Werke, u. a. über die „Sünden der Volkserziehung“ (Népoktatásunk bűnei, 1908), den „anderen“, sozialdemokratischen Weg (A másik út, 1911), das allgemeine Wahlrecht (Az általános választójog, 1912) und das Verhältnis zwischen Proletardiktatur und Proletarkunst (Proletárdiktatúra - proletárművészet, 1919). In den ideologischen Werken vor dem Ersten Weltkrieg vertrat K. die Ansichten Karl Kautskys, in der Emigration stand er den Austromarxisten nahe. Auch als Übersetzer von Karl Marx, Ferdinand Lassalle, Karl Kautsky, Emile Zola und Anatole France in das Ungarische machte er sich einen Namen.  

Literatur

Horváth, Zoltán: Magyar századforduló. Budapest 1961.
Nemes, Dezső [u. a.] (Hrsg.): A magyar forradalmi munkásmozgalom története. Bd 1. Budapest 1966.

Verfasser

Gerald Schlag (GND: 12396556X)

GND: 128628960

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd128628960.html


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Empfohlene Zitierweise: Gerald Schlag, Kunfi, Zsigmond, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 529-531 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1216, abgerufen am: (Abrufdatum)

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