Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Mamarčov, Georgi Stojkov

Mamarčov, Georgi Stojkov (Bujukli), bulgarischer Militär und Revolutionär, * Kotel 1786, † Insel Samos (vermutlich) 16.07.1846.

Leben

 M. entstammte dem ostbulgarischen Schafzüchter-Städtchen Kotel, dem Bulgarien eine imponierende Reihe seiner größten Gestalten verdankt. M. selbst war der Onkel des revolutionären Dichters Sava Rakovski, der aus Verehrung für ihn den Vornamen Georgi annahm. Der temperamentvolle und eigensinnige M. kannte zeitlebens nur ein Ziel: Bulgarien von den Türken zu befreien. Um dieses Ziel zu erreichen, kämpfte er stets auf russischer Seite, erstmals im russisch-türkischen Krieg 1806-1812. Er war einer der Kommandanten der „Bulgarischen Territorialarmee“ (bolgarskoe zemskoe vojsko), die vermutlich Anfang 1810 auf Initiative des russischen Generals Mihail Ilarionovič Kutuzov aufgestellt wurde und die im Mündungsgebiet der Donau operierte. M. zeichnete sich in den Kämpfen gegen die Türken und später gegen Napoleon aus und wurde von den Russen hoch dekoriert, unter anderem mit dem „Kirchenbanner des hl. Georg“. 1821 war M. an der Erhebung des Alexandros Ipsilantis in der Moldau beteiligt, da er mit der Situation, die sich nach dem Krieg ergeben und für Bulgarien nichts bewirkt hatte, unzufrieden war. Ein gewisses Mißtrauen gegen die Russen bestimmte auch seine Haltung im russischtürkischen Krieg 1828/29, in dem er als Führer einer aus Bulgaren, Rumänen, Griechen, Serben und Albanern zusammengesetzten Freiwilligentruppe auf russischer Seite teilnahm. M. rüstete seine Truppe auf eigene Kosten aus und führte sie in erfolgreichen Vorstößen gegen die türkischen Besatzungen der Donaufestungen; die Russen belohnten seine Tapferkeit mit dem Orden der hl. Anna. M. wollte die Gelegenheit des Krieges nutzen, in ganz Bulgarien einen Aufstand auszulösen, was den Russen nicht in die Pläne paßte. M. entschloß sich zu einem radikalen Schritt: mit 500 seiner Soldaten besetzte er Kotei und seine Umgebung bis Sliven. Danach sagte er sich von den russischen Truppen unter Ivan lvanovič Dibič los, legte demonstrativ seinen russischen Offiziersrang ab und heiratete eine Bulgarin aus Sliven, um dadurch seine Verbundenheit mit Bulgarien zu zeigen. M. sammelte in kurzer Zeit zahlreiche Anhänger und beabsichtigte, mit ihnen nach Veliko Tŭrnovo zu ziehen, um dort feierlich die Befreiung Bulgariens zu verkünden. Aus Sorge, daß daraus politische Verwicklungen mit den europäischen Mächten entstehen könnten, ließ Dibič ihn durch eine starke Kosakenabteilung verhaften und nach Bukarest schicken, um ihn dort als russischen Offizier wegen Fahnenflucht vor Gericht zu stellen. Bürger von Kotei und Sliven verwendeten sich in einer langen Bittschrift für ihn; Dibič empfing sie zwar freundlich, ging auf ihr Anliegen jedoch mit keinem Wort ein. Erst im Frühjahr 1830 wurde M. wieder freigelassen, kurze Zeit später wurde er Bürgermeister von Silistra. Dort ging er weiter seinen Aufstandsplänen nach und zog sich um 1835 in ein Kloster bei Veliko Tŭrnovo zurück, um von dort den Aufstand zu leiten. Das Komplott wurde indessen von bulgarischen Čorbadžie verraten, und alle Führer wurden von den Türken festgenommen und sofort hingerichtet. Verschont blieb allein M., der als russischer Staatsangehöriger nach Istanbul gebracht und von dort in die Stadt Konia verbannt wurde. Seine Frau und Sava Rakovski bemühten sich um seine Freilassung, die auch unter der Auflage, künftig Wohnsitz außerhalb Bulgariens in der Walachei zu nehmen, gewährt wurde. M. akzeptierte mit Freuden - alle revolutionär gesinnten Bulgaren befanden sich ohnehin in der Walachei. Das wußte indessen auch Fürst Stefan Bogoridi, der aus Kotei gebürtige hohe türkische Diplomat. Bogoridi verhinderte M.s Freilassung und sorgte dafür,· daß M. auf die Insel Samos, Bogoridis Fürstentum, verschickt wurde. Dort ging es M. zunächst gut, er bekam eine Unterstützung vom türkischen Staat und konnte seine inzwischen fünfköpfige Familie um sich haben. Bogoridis Stellvertreter Gavril Krŭstevič, auch aus Kotei gebürtig, strich jedoch alle diese Vergünstigungen und schickte die Familie nach Kotei zurück. M. blieb allein und schlug in der Hoffnung auf russische Hilfe zahlreiche Fluchtangebote aus. Vereinsamt und vergessen starb er auf Samos.

Literatur

Sojanov, V. D.: Dokumenti za rusko-turskata vojna v 1828-29 g. In: Period, spis. 47 (1894) 794-808.
Romanski, Stojan: Georgi Mamarčov i dobrovolčeskata mu komanda ot 1828-1829. Sofija 1921, 175-207. = Spisanie na BAN. 22.
Velichi, Constantin N.: La contribution de l’émigration bulgare de Valachie à la renaissance politique et culturelle du peuple bulgare (1762-1850). Bucarest 1970. = Bibliotheca historica Romaniae. Études. 28.

Verfasser

Wolf Oschlies (GND: 107216760)


GND: 119061937

Weiterführende Informationen: https://prometheus.lmu.de/gnd/119061937

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Empfohlene Zitierweise: Wolf Oschlies, Mamarčov, Georgi Stojkov, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 85-86 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1287, abgerufen am: (Abrufdatum)

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