Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Bél, Matej
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Bél, Matej

Bél, Matthias (Matej), slowakischer evangelischer Theologe, Historiker, Geograph und Philologe, * Ocsova (Očova) 22.03.1684, † Preßburg 29.08.1749, aus einer evangelischen Metzgerfamilie seines Geburtsortes, mütterlicherseits aus der magyarischen Adelsfamilie Cseszneky.

Leben

B. absolvierte seine Studien zwischen 1693 und 1704 in den Schulen von Losonc, Sztregova, Neusohl, Preßburg, Weszprim und Pápa. Er war der erste Vertreter der evangelischen slowakischen Intelligenz, der ganz unter Magyaren erzogen wurde. In Neusohl war der berühmte evangelische Pastor Ján Pilarik sein Lehrer, der seine Fähigkeiten erkannte und ihn zu einem Studium in Deutschland in Halle und Leipzig überredete. An diesen damals berühmten deutschen Universitäten studierte B. neben Theologie auch Geschichte und Geographie und geriet ganz in den Bannkreis des deutschen Pietismus um Jakob Philipp Spener und Augvist Hermann Francke. Außerdem kam er mit den Ideen von Thomasius über das Vernunftrecht in Berührung. B. beteiligte sich aktiv an der deutschen Pietistenbewegung und wurde Direktor des Gymnasiums in Bergen.
Als überzeugter Pietist kehrte B. nach Ungarn zurück, wo er seit 1708 als Lehrer am Gymnasium in Neusohl tätig war. Vom slowakischen orthodoxen lutherischen Bürgertum Neusohls wurde der pietistische Schulmeister ungnädig aufgenommen. Das pietistische Gedankengut B.s, vor allem seine Toleranzgedanken, fanden nur Anklang bei den deutschen Patrizierfamilien von Neusohl. Daher lernte B. auch in diesen Bürgerkreisen seine Frau kennen. Zu seinen Gegnern unter den slowakischen Protestanten gehörte nicht nur Daniel Krman sondern auch Stephan Petróczy und Nikolaus Szirmany, der Führer der ostslowakischen protestantischen Stände. Zu den Freunden und Förderern B.s gehörte Ján Radvánszky, der ihm die Erziehung seiner Söhne anvertraute und ihn zum Bibliothekar und Archivar in Radvány machte. Obwohl die Familie Radvánszky zum magyarisch sprechenden Komitatsadel gehörte, setzte sie sich immer für die Förderung des protestantisch-slowakischen Schrifttums ein. Die Stelle eines Feldpredigers bei den Truppen des Fürsten Rákóczy schlug B. wegen seiner pietistischen Grundhaltung aus. Dieser Entschluß war um so schwerwiegender, weil sowohl die deutschen als auch die slowakischen Protestanten Neusohls mit der Politik Rákóczys sympathisierten. Dennoch wurde B. als einer der Führer der evangelischen Gemeinde Neusohls vom kaiserlichen Oberkommandierenden im westlichen Oberungarn, General Heister, zum Tode verurteilt, aber kurz darauf begnadigt.
Im Jahre 1714 wurde B. an das evangelische Lyceum in Preßburg versetzt. Die deutsche evangelische Gemeinde wählte ihn dort 1719 zu ihrem ersten Pfarrer. In Preßburg wurde er zur zentralen Figur des slowakischen, magyarischen und deutschen Kulturlebens der Barockzeit. Im Jahre 1721 gründete er die erste Zeitung Ungarns, die „Nova Posoniensia“. Außerdem edierte er historische Quellen und schrieb geschichtliche Abhandlungen, die für die Entwicklung der ungarischen Geschichtsschreibung von Bedeutung waren. Mit einer modernen magyarischen Grammatik gab er der magyarischen Wiedergeburt einen mächtigen Auftrieb. Daher wird B. von der nationalen magyarischen Geschichtsschreibung als einer ihrer Wiedererwecker betrachtet. Er selbst bezeichnete sich als einen Mann der „lingua Slavus, natione Hungarus, eruditione Germanus“.
In seinen Werken verherrlichte er die patriotische Rolle der ungarischen Stände. Zu seinen wichtigsten Aufgaben zählte er die Verbreitung der deutschen pietistischen Literatur in slowakischer Sprache. Als Pädagoge bemühte er sich in Preßburg um eine Verbesserung des Unterrichts, die Vertiefung der pietistischen Frömmigkeit und des Toleranzgedankens.
Mit Krman gab er, nachdem er sich mit ihm versöhnt hatte, eine verbesserte Ausgabe der Kralicer Bibel heraus, die er vorher vom kalvinistischen Geist der böhmisch-mährischen Brüdergemeinschaft gereinigt hatte. In seinen slowakisch geschriebenen Werken gehört B. zu den Anregern einer tschechoslowakischen Orientierung der slowakischen Protestanten. Das von der deutschen Kultur geprägte Preßburger Lyceum wurde unter seiner Leitung zu einer Erziehungsanstalt für den slowakischen Protestantismus. Nach B. wurde das Lyceum mit František Polacký, Ján Šafarík und Ján Kollár zu einem Zentrum des großslawischen Ideenguts.
Obwohl von dem katholischen Klerus angefeindet, namentlich wegen seiner Ausgabe von Thomas a Kempis’ „De imitatione Christi“, behauptete er sich ehrenvoll auf seinen Posten und wurde von Kaiser Karl VI. zu seinem Geschichtsschreiber ernannt und geadelt. Die Akademien der Wissenschaft von St. Petersburg, London und Berlin ernannten den Gelehrten zu ihrem Mitglied. Sein großer Plan einer vollständigen geographischen und geschichtlichen Darstellung des Königreichs Ungarn wurde vom kaiserlichen Hof begrüßt und gefördert. Sein Tod verhinderte die Vollendung und Krönung seines Werkes. Ein Teil dieser Abhandlung erschien in vier Quartbänden unter dem Titel „Notitia Hungariae Novae“ (Wien 1735/42). Nach seinem Tod erhielt B. den Beinamen „magnum decus Hungariae“ und „Historicus patruus“. Seine Hauptleistung ist in einer Synthese der slowakischen, magyarischen und deutschen Kultur zu suchen.

Literatur

Oberuc, Ján: Mathieu Bel, un piétiste en Slovaquie au 18-e siècle. Strasbourg 1936.
Winter, Eduard: Die tschechische und slowakische Emigration in Deutschland im 17. und 18. Jahrhundert. Berlin 1955.
Gogolák: Bd 1, 152-170.

Verfasser

Horst Glassl (GND: 128931752)

GND: 119315416

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd119315416.html


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Empfohlene Zitierweise: Horst Glassl, Bél, Matej, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 171 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=548, abgerufen am: (Abrufdatum)

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