Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Vrailas-Armenis, Petros
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Vrailas-Armenis, Petros

Vrailas-Armenis, Petros, griechischer Politiker, Rechtsgelehrter und Philosoph, * Korfu 10.12.1812, † London 15.09.1884.

Leben

V. erhielt seine Grundausbildung in Korfu. Mit 17 Jahren begab er sich mit seinem Bruder Ioannis nach Bologna, wo er das Gymnasium absolvierte. Dann fuhr er nach Genf und Paris (1832) zu Rechtsstudien, wo er aber auch bei Victor Cousin Philosophie hörte. Nach Erlangung der juridischen Doktorwürde kehrte er 1835 nach Korfu zurück und gründete den wissenschaftlichen Zirkel der „Lesegesellschaft“ (Anagnostiki Eteria), bei deren Zusammenkünften juridische und philosophische Fragen erörtert wurden. 1840 wurde er zum Richter an den oberen Gerichtshöfen von Zante bestellt, 1841 zum Hypothekenbewahrer in Korfu. Nach Auflösung dieses Amtes 1842 widmete sich V. seinen philosophischen Studien, griff aber auch aktiv in die politischen Kämpfe der seit 1815 unter britischem Protektorat stehenden Ionischen Republik ein. Er war an der Verfassungsreform von 1848, die Pressefreiheit und Wahlrecht sicherte, maßgeblich beteiligt. Ab 1849 gab er die zweisprachige französisch-griechische Oppositionszeitung „Patris“ (Heimat) heraus, in der er für die Einführung des Griechischen als offizielle Amtssprache eintrat. 1850 wählte ihn das 9. Parlament zum Abgeordneten, der Aufsichtsrat erklärte die Wahl aber für ungültig, da sein Vater nicht Bürger der Ionischen Republik war. 1851 erschien die erste philosophische Schrift „Dokimion peri proton ideon kai archon“ (Essay über Erste Ideen und Prinzipien, Korfu 1861, Athen 1910), die einen Aufsatz über die Prinzipien der Geschichtsphilosophie und einen Artikel über Kantianismus enthielt. 1854 wurde er zum Professor der Philosophie an der Ionischen Akademie ernannt, was er bis 1863 blieb. 1855/57 erschien in drei Bänden V.’ griechische Übersetzung der „Etudes philosophiques sur le Christianisme“ von Jean-Jacques-Auguste Nicolas Im gleichen Zeitraum trat er als Führer der „Reformpartei“ (Metarrythmistiko Komma), deren Ziel eine weitgehende Verfassungsreform war, auf, während die „Radikale“ Partei (Rizospastiko) die bedingungslose und sofortige Einigung mit Griechenland zum Ziel hatte. In der 10. Parlamentsperiode wurde V., nach großen Zugeständnissen an den britischen Gouverneur Alexander Ward, 1856 Pariamentsvorsitzender. Im Jahr darauf wurde er zum Sekretär für Finanzfragen ernannt, 1862 zum Generalsekretär. Gleichzeitig erschienen die „Stoicheia theoritikis kai praktikis philosophias“ (Grundzüge der theoretischen und praktischen Philosophie, Korfu 1862, Athen 1910). Nach dem Anschluß der Ionischen Inseln an Griechenland 1863 gab er in Athen zusammen mit Alexandros Rangavis die französisch-griechische Zeitung „Hellas“ heraus, 1864 in Korfu seine „Philosophikai meletai“ (Philosophische Studien). 1865 wurde er zum Staatsrat ernannt, im selben Jahr wurde er Außenminister in der Regierung Alexandros Kumunduros, trat jedoch bald zurück. Von 1867 bis 1873 diente er als griechischer Botschafter in London, 1868 war er als außerordentlicher Bevollmächtigter zur Beilegung der Grenzfragen in Istanbul. Dieselbe Problematik sollte ihn später (1880) zur Gipfelkonferenz der Großmächte in Berlin führen. 1875 erschien in Korfu seine Studie „Peri enotitas ton logikon stoicheion“ (Uber die Einheit der logischen Elemente). 1876-1880 war er Botschafter in St. Petersburg. 1879 erschien in Istanbul die philosophische Schrift „Abhandlungen über Seele, Gott und moralisches Gesetz“. In den folgenden Jahren diente er als Botschafter in Paris, ab 1882 bis zu seinem Tode wieder in London.
V. war Mitglied verschiedener berühmter Akademien. Als Philosoph gilt er als idealistischer Eklektizist, der Immanuel Kant, Victor Cousin und die christliche Metaphysik zu einem bündigen System schließt, und als einer der bedeutendsten Vertreter neugriechischen Denkens.

Literatur

Vrokinis, A. S.: Viografika schedaria, tefchos A'. Kerkyra 1877, 330-353.
Dusmani, V.: Simvoli eis tin istorian tis enoseos tis Eptanisu. Athen 1924.
Boreas, Th.: Die neugriechische Philosophie. In: Überweg, Friedrich: Grundriß der Geschichte der Philosophie. V. Teil, 12. Augabe von K. Oesterreich. Berlin 1928, 365ff.
Varthis, N.: Silloji epistolon P. Vraila. Kerkyra 1935.
Papanutsos, Eu.: Neoelliniki philosophia. Bd 2. Athen 1956.
Moutsopoulos, E.: Le problème du Beau chez P. Vrailas-Arménis. Aix-en Provence 1960.
Anagnostiki Eteria Kerkyras· Deltion pnevmatikis kai kallitechnikis drastiriotitas kata to etos 1966. Kerkyra 1966.
Petru Vraila-Armeni philosophica erga. Bd 1. Thessaloniki 1969. = Corpus Philosophicorum Graecorum Recentiorum. 1. (mit Bibliographie).

Verfasser

Walter Puchner (GND: 115411496)

GND: 116395605

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd116395605.html


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Empfohlene Zitierweise: Walter Puchner, Vrailas-Armenis, Petros, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 440-441 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1859, abgerufen am: (Abrufdatum)

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