Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Ungnad, Hans III.

Ungnad von Weißenwolf, Hans (III.), Freiherr von Sonnegg, Förderer der Reformation bei den Südslawen, * 19.11.1493, † Winteritz (Vintiřov, Böhmen) 27.12. 1564.

Leben

U., der Sohn des kaiserlichen Kämmerers Hans II. Ungnad, wurde am Hofe Maximilians I. erzogen. Sein Großvater war 1462 zum Freiherrn erhoben und mit der Herrschaft Sonnegg im Jauntal (Kärnten) belehnt worden. Nachdem er sich im diplomatischen und militärischen Dienst bewährt hatte, wurde U. 1525 Hauptmann und Vizedom der Grafschaft Cilli, 1535 Landeshauptmann der Steiermark, bald darauf Statthalter der niederösterreichischen Länder und 1540 oberster Feldhauptmann (Generalkapitän) der niederösterreichischen, windischen und kroatischen Länder. König Ferdinand I. verlieh im die Gespanschaft Waraschdin.
Auf dem Augsburger Reichstag 1530 war U. mit den Ideen der Reformation vertraut geworden, für die er sich in den folgenden Jahren als führender Vertreter des österreichischen Adels und der Stände beim König einsetzte. Zwei Reisen nach Wittenberg führten dazu, daß er 1556 seine Ämter niederlegte und freiwillig die Heimat verließ. Mit seiner (zweiten) Gattin Magdalena und den jüngeren Kindern begab er sich nach Sachsen, den reichen Besitz in Österreich übertrug er seinen älteren Söhnen. In Wittenberg und Eisleben, wo er zwei Jahre in engem Kontakt mit Melanchthon und führenden Persönlichkeiten der Reformation verbrachte, fühlte sich U. von den zahlreichen theologischen Streitigkeiten so abgestoßen, daß er 1557 nach Württemberg übersiedelte. Dort bestellte ihn Herzog Christoph zu seinem Rat und überließ ihm den Amanden- oder Mönchshof in Urach als Wohnstätte. Mit Primoz Truhar, dem Reformator der Slowenen, war U. vielleicht schon als Vizedom von Cilli bekannt geworden. Seit 1555 wußte er sicher von dessen Bemühungen um den südslawischen Buchdruck und im Frühjahr 1560 wandte sich Truhar selbst aus seinem Exil in Kempten brieflich an U. In den ersten Januarwochen 1561 kam es in Tübingen zwischen U., Truhar und dessen Mitarbeiter Stjepan Konzul zu jenen entscheidenden Verhandlungen, deren Ergebnis die Errichtung der „Uracher Bibelanstalt“ war. U. übernahm die Organisation und Finanzierung des Unternehmens, Truhar war der „Prinzipal“ der übersetzungs- und drucktechnischen Arbeiten, Konzul und Antun Dalmatin fungierten als kroatische Dolmetscher und Korrektoren. Den Bemühungen U.s gelang es, in Urach eine eigene Druckerei für den slawischen Buchdruck einzurichten. Insgesamt sind dort 25 kroatische Bücher in glagolitischer, kyrillischer, deutscher (Fraktur) und lateinischer Schrift, drei slowenische und sechs italienische Bücher gedruckt worden. Mit Hilfe des kyrillischen Drucks sollte die Reformation nicht nur bei den Südslawen sondern auch bei den Russen Eingang finden. Vor allem aber hofften U. und Truhar auf einen Missionserfolg bei den von den Türken beherrschten Völkern und damit auch bei den Türken selbst. U. hat sich bei den protestantischen Fürsten und Reichsstädten mit Erfolg um Spenden für den südslawischen Buchdruck bemüht, den weitaus größten Teil aber aus seinen eigenen Mitteln finanziert.
Primoz Truhar, der neben U. die Seele dieses Unternehmens war, ging im Mai 1562 endgültig als Superintendent der protestantischen Kirche nach Laibach (Ljubljana). Obwohl er von dort aus weiter mitarbeitete, vertiefte sich sein Zerwürfnis mit Stjepan Konzul derart, daß es am 20. September 1564 auch zum Bruch zwischen ihm und U. kam, der den Druck slowenischer Texte in Urach einstellte. Dieser Gegensatz zu Truhar hat dazu geführt, daß von der slowenischen Historiographie sowohl am Charakter als auch an der Leistung U.s zuletzt übermäßige und ungerechte Kritik geübt wurde. Wie hoch das Wirken U.s, für den eine moderne Biographie leider fehlt, einzuschätzen ist, wurde deutlich, als mit dem Tode des Freiherrn auch die von ihm errichtete und finanzierte Uracher Bibelanstalt zerfiel. Weder U.s Söhne noch Konzul und Dalmatin waren fähig, dieses Werk fortzuführen, dem noch die letzte Sorge des Verstorbenen gegolten hatte. Das Druckereimaterial kam zunächst nach Kärnten auf das Ungnadsche Schloß Waldenstein, später nach Graz und wurde von Kaiser Ferdinand II. der Kongregation de propaganda fide geschenkt, die 1648 in Rom damit ein Brevier drucken ließ.

Literatur

Bučar, Franjo: Povijest hrvatske protestanske književnosti. Zagreb 1910.
Zimmermann, Bernhard Hans: Hans Ungnad, Freiherr von Sonneck, als Förderer reformatorischer Bestrebungen bei den Südslawen. In: Südostdeutsche Forschungen 2 (1937) 36-58.
Benz, Ernst: Hans von Ungnad und die Reformation unter den Südslawen. In: Zeitschrift für Kirchengeschichte 58 (1939) 387-475 (Wiederabdruck in: Ders.: Wittenberg und Byzanz. Marburg 1949, München 1971(2). = Forum Slavicum. 6, 141-208).
Stökl, Günther: Die deutsch-slavische Südostgrenze des Reiches im 16. Jahrhundert. In: Schriften des Südosteuropa-Institutes zu Breslau. Neue Reihe Heft 12 (1940) 91-140.
Thierfelder, Franz: Hans von Ungnad und Primoš Trubar. In: Ders.: Männer am Balkan. Graz 1961, 67-78.
Rupel, Mirko: Primus Truber. Deutsche Übersetzung und Bearbeitung von Balduin Saria. München 1965.

Verfasser

Heinz Dopsch (GND: 122952197)

GND: 104266112

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd104266112.html


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Empfohlene Zitierweise: Heinz Dopsch, Ungnad, Hans III., in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 367-369 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1814, abgerufen am: (Abrufdatum)

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