Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Seliminski, Ivan

Seliminski, Ivan (Jordan Georgiev Christov), bulgarischer Arzt und Aufklärer, * Sliven 1799 (?), † Bukarest 21.06.(?)1867.

Leben

S. besuchte in seiner Geburtsstadt Sliven die Klosterschule. Schon als 15jähriger machte er seine erste große Reise: er nahm an einer Wallfahrt nach Jerusalem teil. Zum Erwerb höherer Schulbildung wurde er auf das griechische Gymnasium in der kleinasiatischen Küstenstadt Kidonia geschickt, wo er von 1817 bis 1821 den Unterricht weitgereister und sprachkundiger Lehrer aus Griechenland genoß. Über in Wien und Paris gedruckte Bücher der dortigen Schulbibliothek fand er Zugang zu den Ideen der französischen Aufklärung und Revolution. Die französische Sprache war damals für ihn das „Fenster zur Welt“. Wegen der Niederschlagung des griechischen Aufstandes von 1821 durch die Türken mußte S. Kidonia verlassen. Sein „Fluchtweg“, der aber auch seinem Reise- und Bildungsdrang entsprang, führte ihn zunächst vornehmlich durch den griechischen Kulturbereich - über die Ägäischen Inseln und den Peloponnes, wo er mit griechischen Aufstandsführern Bekanntschaft machte, über den Berg Athos mit seinen Klöstern die Mittelmeerküste entlang bis hin nach Marseille und zurück nach Triest. 1823 weilte er in der Donaumonarchie und machte Station in Wien und Budapest, wo er endlich mit Landsleuten, Bulgaren, zusammenkam. Bis zum Herbst 1825 blieb er im rumänischen Braşov, wegen seiner Kolonie zugleich eine Art bulgarisches Kulturzentrum. Hier unterrichtete er als Privatlehrer den Kindern bulgarischer Händler Griechisch. Im Oktober 1826 kehrte S. endlich nach Sliven zurück. Hier fand er zu seiner eigentlichen Aufgabe, nämlich sein Volk aufzuklären und für die Sache der Befreiung von der Türkenherrschaft zu begeistern. Zu diesem Zweck gründete er die erste Bruderschaft („Bratstvo“) seines Landes, eine Geheimgesellschaft von Handwerkern und Händlern. Den oberflächlichen griechischen Schulen setzte er eine eigene Schule entgegen, die der Jugend eine „aufgeklärte“ Erziehung, Naturwissenschaften, slawisches Schrifttum, die russische Sprache, den slawisch-patriotischen Gedanken und insbesondere die freiheitlichen Ideen seiner Zeit vermitteln sollte. Nach drei Jahren aufklärender Tätigkeit mußte er angesichts des Friedens von Adrianopel (1829) seine Heimat verlassen: der russisch-türkische Krieg (1828/1829) hatte Bulgarien nicht die erhoffte Befreiung gebracht und obendrein die aufklärerische und revolutionäre Betätigung erschwert. - Im Frühjahr 1830 zog er abermals nach Rumänien und verbrachte dort zehn Jahre im Exil. In Bukarest eröffnete er erneut eine Privatschule; er war aber auch in anderen Städten, u. a. in Ploeşti, als Lehrer tätig. Im Herbst 1840 begann S. in Athen Medizin zu studieren. Einen angesehenen Platz nahm er in der dortigen „Slawisch-bulgarischen philosophischen Gesellschaft“ ein. Die Unruhen des Jahres 1844 veranlaßten ihn, Athen zu verlassen. In Italien, in Pisa und Florenz, wo er im Krankenhaus tätig war, schloß er sein Studium mit dem Doktorgrad ab (1845). Nach einem kürzeren Aufenthalt in Paris, wo er mit Petŭr Beron, der ebenfalls Arzt und Aufklärer war und obendrein der gleichen Generation angehörte, zusammentraf, reiste S. über Florenz, Athen und Istanbul zurück nach Bukarest. Hier half er bei der Bekämpfung der Colera-Epidemie des Jahres 1848. Während des Krimkrieges (1853-1856) organisierte er im Aufträge des Oberkommandierenden Fürst Gorčakov eine bulgarische Freiwilligenabteilung (ca. 1000 Mann) zur Unterstützung der russischen Truppen. Zugleich kümmerte er sich um die ärztliche Versorgung der Verwundeten. In den Lazaretten führte er eine besondere Diätküche für Kranke und Verletzte ein. Im übrigen betreute er, als Bezirksarzt bald in Brăila, Bolgrad und wieder in Bukarest, die bulgarische Emigration. Gleichzeitig ging er seinen politischen und aufklärerischen Zielen nach. Am 21. Juni 1867 starb S. nach schwerer Krankheit in Bukarest. Sein medizinisches Instrumentarium und seine reiche Bibliothek vermachte er der Gemeinde in Sliven. Trotz seiner patriotischen Gesinnung und seines Kampfes für die bulgarische Eigenständigkeit auf kirchlichem, kulturellem und politischem Gebiet blieb S. infolge seiner Ausbildung weitgehend im Griechentum verwurzelt. Auch seine Werke verfaßte er vornehmlich in griechischer Sprache, denn seine bulgarische Muttersprache beherrschte er nur mäßig. In der ihm eigenen Kombination von philologischer und naturwissenschaftlicher Bildung ist er seinem berühmteren Landsmann Petŭr Beron sehr nahe.

Literatur

Grozev, Grozju: D-r Ivan Seliminski. Filosofski, sociologičeski, etičeski i pedagogičeski vŭzgledi. In: God.Sof.Univ., filos.-ist. Fak. 55 (1961) 1, 117-189.
Kristanov, Cvetan, Stojan Maslev u. Ivan Penakov: D-r Ivan Seliminski kato učitel, lekar i obštestvenik. Sofija 1962.
Stefanov, Vasil: Ivan Seliminski. In: Beležiti bŭlgari 1396-1878. Bd 3. Sofija 1969, 305-314.

Verfasser

Hans-Joachim Hoppe (GND: 143931040)

GND: 119096811

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd119096811.html


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Empfohlene Zitierweise: Hans-Joachim Hoppe, Seliminski, Ivan, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 112-114 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1645, abgerufen am: (Abrufdatum)

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