Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Preveza, Abidin Pascha

Preveza, Abidin Pascha (in türkischen Quellen Abidin Pascha, Abidin Pascha Dino und Prevezeli Abidin Pascha), türkischer Politiker und Schriftsteller, albanischer Patriot, * Preveza 1846, † Istanbul 09.05.1906, Sohn des Großgrundbesitzers Ahmed Dino und der Saliha Dino.

Leben

P. erhielt seine Grundausbildung in seinem Heimatort und besuchte danach das griechische Zosimea-Gymnasium in Janina. Von hier aus ging er nach Istanbul, wo er in den türkischen Militärdienst eintrat. Nach kürzerer Zeit begab er sich wieder nach Preveza, und zwar in der Eigenschaft eines stellvertretenden Mutesarifs und Kajmakams der Stadt. Danach wurde er als Kajmakam nach Narda versetzt, und von dort nach Izmir, wo er kurze Zeit die Pflichten eines stellvertretenden Vorsitzenden des Appellationsgerichtes versah. Obwohl kurz darauf zum Mutesarif von Sofia ernannt, reiste er nicht dorthin, da er kurzfristig aufgefordert wurde, Posten in Tekfurdag und dann in Varna zu übernehmen. Später wurde er Direktor der Börse von Galata in Istanbul, einen Posten, den er über fünf Jahre innehatte. Damals schrieb und veröffentlichte er ein Buch (mit unbekanntem Titel) über die Schulden des Osmanischen Reiches, über Börsenoperationen und finanzielle Geschäfte. Auf Anordnung des Sultans stellte er einen Gesetzentwurf über die Wahl von Volksvertretern auf. Damals und auch später, als er Gouverneur des Athener Wilajets war, veröffentlichte er eine Reihe von lyrischen und Prosaarbeiten in griechischer Sprache in der Istanbuler griechischen Zeitung „Neologos“ (Das neue Wort) und in verschiedenen anderen griechischen Zeitschriften. Einigen Quellen zufolge war er auch Mitglied der griechischen wissenschaftlichen Gesellschaft „Sillogos“ (Der Verein) in Istanbul.
1877, während des russisch-türkischen Krieges, wurde P. Kommissar von Bursa. Ende 1878 kehrte er als Mitglied einer Grenzfestsetzungskommission, an deren Spitze der Kommandant der türkischen Truppen des Wilajets von Janina, Gazi Ahmed Muhtar Pascha stand, nach Albanien zurück. Die Kommission, die sich am 5. Februar 1879 in Preveza mit Vertretern der griechischen Regierung traf, hatte die Aufgabe, über Probleme der türkisch-griechischen Grenze in Epirus und Thessalien und die Abtretung einiger Territorien an Griechenland nach den Beschlüssen des Berliner Kongresses zu verhandeln. Zu dieser Zeit war P. schon, wie auch sein Bruder Vejsel Bey Dino, in der Führung des südlichen Teils der Albanischen Liga, zusammen mit Abdyl Frashëri, Mehmed Ali Bey Vrioni und anderen. Er sammelte damals in Preveza die bedeutendsten Männer Südalbaniens um sich und einigen Quellen zufolge auch 30 000 albanische Freiwillige, die entschlossen waren, ihr Territorium gegen Griechenland zu verteidigen. Gleichzeitig schickte man einige Memoranden an die Großmächte und Sultan Abdülhamid II., die den Entschluß betonten, das eigene Land zu verteidigen. Daß weder damals noch später das Wilajet von Janina an Griechenland fiel, ist u. a. P. zu verdanken. Gerade wegen dieser seiner Aktivität wurde er nach Istanbul zurückbeordert und 1879 als Vorsitzender einer Kommission für die Durchführung von Reformen in Kurdistan nach Diyarbakir geschickt; danach wurde er Ober-Kommissar und Wali von Sıvas. Hier blieb P. ca. sechs Monate, - danach wurde er im Rang eines Beylerbey von Rumelien Wali von Saloniki. Im Juni 1880 wurde er als Wesir und Minister für Auswärtige Angelegenheiten nach Istanbul gerufen. Es gibt gewisse Anzeichen dafür, daß der Sultan durch die Ernennung P.s und durch die Verleihung von hohen Posten in Südalbanien an andere Landsleute die Albaner gefügig machen wollte, damit sie in eine Grenzrevision mit Griechenland und Montenegro einwilligten. Inzwischen beschwerten sich aber die ausländischen Gesandten in Istanbul über P., daß er beständig die Ausführung der Bestimmungen des Berliner Kongresses aufschob. Als es zur Umbildung der Regierung Kadri Pascha kam, wurde auch P. abgelöst und zum Wali des Athener Wilajets ernannt. In Athen blieb er vier Jahre und neun Monate. Zu dieser Zeit schrieb er eine türkische Übersetzung nebst Kommentar des berühmten Werkes von Celaleddin Rumi „Mesnevi“ in sechs Bänden, die erst später, als er Wali von Sıvas war, herauskam (Istanbul 1887/88) und dann erneut in zwei großen Bänden mit 1668 Seiten und mit einer von P. verfaßten Biographie gedruckt wurde (Terceme ve şerh-i Mesnevi-i şerif, Istanbul: Kütüphane-i Irfan 1324/1906). Da P. selbst dem Derwischorden der Halvetije angehörte, ist seine Auffassung und Deutung des Werkes besonders interessant.
Aus Athen wurde P. als Wali nach Sıvas versetzt, wo er im Januar 1886 ankam. Nach einem Jahr wurde er Wali von Ankara, wo er sieben Jahre und sieben Monate blieb. Anläßlich der Cholera in Ankara, bei der auch sein Vater Ahmed starb, schrieb er eine Broschüre, in der er dem Volk Anweisungen gab, wie es sich bei Cholera schützen und heilen sollte (Kolera hakkında mekale-i nafia. Ankara: Matbaa-i Vilayet o. J.). Von Ankara wurde P. als Wali des griechischen Archipelags (Vilayet-i Bahr-i Sefid) nach Rhodos versetzt. Hier wurde ihm die höchste Auszeichnung der französischen Akademie, die „Palme“, verliehen. Während er auf Rhodos war, veröffentlichte er ein Werk aus dem Gebiet der Ethik (Dünya-i saadet. Rhodos: Matbaa-i Vilayet 1312/1894/95), das später in Istanbul nachgedruckt wurde. In diesem Werk polemisiert P. mit den Atheisten und Darwinisten und stellt fest, daß sich Seelenfriede und Glück des Menschen nur im Glauben finden lassen. In der Verteidigung seiner Ansichten berief er sich auf Blaise Pascal, Camille Nicolas Flammarion, Paolo Mantegazza u. a. Von Rhodos wurde P. als Großwesir nach Istanbul gerufen, wo er plötzlidi am 9. Mai 1906 verstarb.
Neben den bereits erwähnten schrieb P. noch eine Reihe anderer Werke, von denen folgende veröffentlicht wurden: „Terceme ve serh-i kasideti l-burda“ (Übersetzung und Kommentar von „Qasīdatu l-Burda“ des arabischen Dichters al-Būşīrī-ja, Istanbul 1324/1906), „Alem-i islâmiyeti müdafaa“ (Verteidigung der islamischen Welt, Istanbul 1315/1897/98), in dem er mit einem christlichen Missionar polemisiert, der in Kairo ein Buch auf Arabisch gegen den Islam veröffentlicht hatte; dann „Mesnevi-i şerifteki arabi kisasi şerhi“ (Kommentar zu den arabischen Mesnevi-Legenden) wie auch „Ber tarz-i nevin nahv-i arabi“ (Arabische Grammatik nach neuer Methode, Rhodos 1894). Wahrscheinlich benutzte P. zu letzterem Werk auch einige europäische Lehrbücher, denn sein Buch unterscheidet sich wesentlich von den türkischen Lehrbüchern der damaligen Zeit. P.s Rolle in der albanischen Nationalbewegung ist nicht ganz geklärt, obwohl in der „Historia e popullit shqiptar“ (Ausgabe Priština, Bd 2, S. 154/156) von ihm gesagt wird, daß er eine zweideutige Politik führte, daß er gegen die Autonomie Albaniens war, da er um seinen Grundbesitz fürchtete usw. Jedoch kann man auf Grund anderer Quellen darauf schließen, daß P. zusammen mit Abdyl Frashëri sicher in der Führungsspitze des südlichen Teils der Albanischen Liga war, daß er in seinem Haus in Preveza Zusammenkünfte der albanischen Elite organisierte, daß er für die Sicherung der Grenzen Südalbaniens kämpfte, daß er ein Vorkämpfer für das albanische Alphabet mit lateinischen Lettern war, daß er die Bildung eines einheitlichen albanischen Wilajets verlangte mit Albanern als Walis und Beamten usw. Daß er gegen eine Autonomie Albaniens war, ist mehr Anzeichen politischen Realitätsdenkens als Angst um seine Besitzungen. Für die Bewahrung des Status quo auf dem Balkan trat auch Ismail Qemal Bey Vlora 1907 in einem Interview mit der italienischen Zeitung „Tribuna“ (Rom, 27.07.1907, Nr. 207) ein: Die Albaner seien immer noch zur schwach, um ihr Land gegen die Aspirationen ihrer mächtigeren Nachbarn zu schützen.

Literatur

Abidin Pasha: [Autobiographie in:] Dünya-i saadet. Rhodos 1894/95 und Terceme ve şerh-i Mesnevi-i şerif. Istanbul 1906.
Müsavver Arnavud. Hrsg. Dervish Hima. Istanbul 1911, 6-8.
Skendi, Stavro: The Albanian National Awakening 1878-1912. Princeton, N. J. 1967.

Verfasser

Hasan Kaleshi (GND: 1084144948)


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Empfohlene Zitierweise: Hasan Kaleshi, Preveza, Abidin Pascha, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 477-479 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1553, abgerufen am: (Abrufdatum)

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