Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Hoxha, Enver
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Hoxha, Enver

Hoxha, Enver, albanischer Politiker, Organisator und Führer der albanischen kommunistischen Partei, * Gjirokastra (Südalbanien) 16.10. 1908, muslimischer Herkunft.

Leben

Nachdem H. vier Klassen Grundschule in seinem Heimatort absolviert hatte, zog er nach Korça, um dort seine schulische Ausbildung fortzusetzen. 1930 begann er in Montpellier, Frankreich, Naturwissenschaften zu studieren. Wahrscheinlich aufgrund finanzieller Schwierigkeiten brach er das Studium ab und versuchte, in Paris Fuß zu fassen. Dort kam er in Kontakt mit Mitarbeitern der „L’Humanité“ und begann, für diese Zeitung Artikel zu schreiben, die oft eine Kritik an den albanischen Verhältnissen beinhalteten. Da er in Paris jedoch keine gesicherte Stellung fand, ging er nach Belgien, wo er einige Zeit als Sekretär des albanischen Konsulats in Brüssel arbeitete. Neben dieser Tätigkeit hörte H. juristische Vorlesungen und scheint beabsichtigt zu haben, ein regelrechtes Jurastudium zu absolvieren. Dieses Vorhaben wurde aber durch seine Entlassung aufgrund der Tatsache, daß er weiterhin Artikel für die „L’Humanité“ schrieb, zum Scheitern gebracht.
1936 kehrte H. nach Albanien zurück. Nachdem er vier Monate als Lehrer am Lyzeum in Tirana tätig gewesen war, wurde er an das Lyzeum von Korça versetzt. Dort nahm er Kontakt mit einer kommunistischen Gruppe auf, die sich unter direkter Anleitung Ali Kelmendis entwickelt hatte. Diese Verbindung führte zu seiner Entlassung aus dem Schuldienst. Wahrscheinlich im Auftrag dieser Gruppe ging H. darauf nach Tirana, wo er versuchte, Aufstände gegen die italienischen Besatzer und ihre Helfer zu organisieren. Der kleine Tabakladen, den er in Tirana betrieb, wurde bald zum Treffpunkt revolutionärer Kreise. Neben seinen Aufrufen an das albanische Volk ist vor allem seine Kontaktaufnahme mit einer kommunistischen Gruppe in Skutari von Bedeutung. Am 8. November 1941 schlossen sich die verschiedenen kommunistischen Gruppen unter der Regie der jugoslawischen KP zur „Kommunistischen Partei Albaniens“ (Partia Komuniste e Shqipërisë, abgekürzt PKSH) zusammen. Obwohl die entscheidenden Kontakte zur jugoslawischen KP über die Skutarigruppe gelaufen waren, wurde H., als Angehöriger der Korçagruppe, zum „Ersten Provisorischen Sekretär“ bestimmt. Die Bevorzugung eines Südalbaners erklärt sich vielleicht daraus, daß die Jugoslawen einen Mann an der Spitze der albanischen KP sehen wollten, für den das Kosovoproblem einen vergleichsweise geringeren Stellenwert hatte als für einen Nordalbaner. Die politische Linie der Partei wurde bald danach von der Zeitung „Zëri i Popullit“ (Volksstimme) propagiert, deren erste Nummer am 25. August 1942 erschien.
Die von H. geführte PKSH wurde bald zur bedeutendsten Kraft innerhalb der am 16. September 1942 in Peza gebildeten „Nationalen Befreiungsbewegung“ (Lufta Nacional-Çlirimtare, abgekürzt LNÇ). Nach dem Ausscheren einiger nichtkommunistischer Gruppen aus der LNÇ - als diese de facto völlig von der PKSH dirigiert wurde - fand vom 24. bis 28. Mai 1944 in Përmeti der „1. Antifaschistische Nationale Befreiungskongreß“ statt. Dabei wählte man einen aus 121 Mitgliedern bestehenden „Antifaschistischen Nationalen Befreiungsrat“, der seinerseits ein aus 13 Mitgliedern bestehendes „Antifaschistisches Nationales Befreiungskomitee“ wählte, dessen Präsident H. wurde. Dieses Komitee wurde auf der Konferenz von Berat am 22. Oktober 1944 zur „Demokratischen Regierung Albaniens“ erklärt, so daß H., als ein Jahr nach dem Abzug der Deutschen (5.1.1945) am 11. Januar 1946 die Volksrepublik Albanien ausgerufen wurde, automatisch die Stelle des Ministerpräsidenten einnahm. Schon in dieser Zeit wandte er sich gegen alle „Großalbanien“-Pläne, das heißt gegen Überlegungen, die den Zusammenschluß mit dem Kosovogebiet beinhalteten, weil ein solcher Zusammenschluß nur als Anschluß Albaniens an Jugoslawien denkbar war. Die Gruppe, die diesen Zusammenschluß um den Preis der Aufgabe der nationalen Unabhängigkeit betrieb, wurde von dem damaligen Vizeministerpräsidenten und Innenminister Koçi Xoxe, H.s mächtigstem Rivalen, angeführt. Ohne den Ausbruch des Kominformstreites 1948 hätte sich Xoxe - mit jugoslawischer Hilfe - sicher durchgesetzt, wäre der Anschluß vollzogen und H. entmachtet worden.
Im Zuge gewisser im ganzen Ostblock in dieser Zeit zur Geltung kommender Entstalinisierungstendenzen trat H. im Juli 1953 vom Amt des Außen- und Innenministers zurück. Die damals zu beobachtende Annäherung Jugoslawiens und Griechenlands zwang H. dazu, die Anlehnung Albaniens an die Sowjetunion immer weiter zu verstärken, das heißt zum Zwecke der Sicherung der nationalen Unabhängigkeit diese in gewissem Sinne neu zu gefährden. Diese Anlehnung an die Sowjetunion fand ihr Ende, als spätestens nach der Verdammung Stalins auf dem 20. Parteitag der KPdSU im Februar 1956 eine Aufwertung Jugoslawiens durch die Sowjetunion immer deutlicher wurde und H. nicht gewillt war, diese sowjetische Politik mitzumachen. Als weitere Stufe der Entfremdung vor allem zwischen H. und Chruschtschow ist eine erbitterte persönliche Auseinandersetzung zwischen beiden auf einem Parteitreffen im November 1960 sowie eine Rede H.s auf dem 4. Kongreß der PPSH (die albanische KP heißt seit 1948 „Partei der Arbeit Albaniens" = Partia e Punës e Shqipërisë) zu nennen, in der er Chruschtschow hart angriff. Dieser Kongreß markierte den endgültigen Sieg H.s über die schon verhältnismäßig schwachen prosowjetischen Gruppierungen und leitete die spektakuläre Anlehnung Albaniens an China ein.
Ab 1966 etwa profilierte sich H. zunehmend als der ideologische Führer Albaniens. So leitete er den ab 1966 einsetzenden Kampf gegen „Bürokratismus und Formalismus“, trieb die Emanzipation der Frau praktisch und theoretisch weiter voran und hob entscheidend die politische Bedeutung der Rolle der Jugend. Auch die unter dem Begriff „kulturelle Revolution“ bekanntgewordene Bildungs- und Ausbildungskampagne der zweiten Hälfte der sechziger Jahre verdankt H. wichtige Impulse.
Seit 1948 steht H. mehr oder weniger unangefochten im Zentrum der Macht. In seiner Person vereinigen sich großes taktisches Geschick und ein zäher Wille zum Durchhalten. Seine Politik, in der die nationale Unabhängigkeit eine Priorität besitzt, war aber immer dem Widerspruch ausgesetzt, der darin besteht, daß sich ein kleines Land nur durch Anlehnung an ein größeres behaupten kann, was aber früher oder später immer eine neue Gefährdung eben dieser nationalen Unabhängigkeit bedeuten muß.

Literatur

Enver Hoxha. Biografí e shkurtër. Tiranë 1947.
Ingber, David: Enver Hoxha, Albanian dictator. In: The Contemporary Review 176 (August 1949) 86-93.
Dedijer, Vladimir: Jugo-slovensko-albanski odnosi (1939-1948). Beograd 1949.
Geschichte der Partei der Arbeit Albaniens. Tirana 1971.
Hoxha, Enver: Vepra. Bd 1-17. Tiranë 1968-1974.

Verfasser

Klaus Lange (GND: 130508721)

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Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd118553879.html


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Empfohlene Zitierweise: Klaus Lange, Hoxha, Enver, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 186-188 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=978, abgerufen am: (Abrufdatum)

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