Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Delijeorjis, Epaminondas
Bild: Wikimedia Commons
Wikidata: Q630181

In den Suchergebnissen blättern

Treffer 
 von 1526

Delijeorjis, Epaminondas

Delijeorjis, Epaminondas, griechischer Politiker, * Tripolis (Peloponnes) 22.1. 1829, † Athen 26.05. 1879, Sohn des Freiheitskämpfers Mitros D. aus Missolunghi.

Leben

Nach dem Besuch des Gymnasiums in Missolunghi und Athen absolvierte D. ein außerordentlich erfolgreiches Jura-Studium an der Universität Athen (1845-1849). Schon als Student machte er von sich reden, als er am 25. März 1848, dem Nationalfeiertag, aus Anlaß der Februar-Revolution an der Spitze einer Studentengruppe in Athen gegen die Monarchie demonstrierte. Als glänzender Redner und Jurist anerkannt, wurde er 1857/58 in die Kommission zur Abfassung neuer Gesetze über väterliche Gewalt, Adoption, Pressedelikte u. a. einberufen.
Zum erstenmal kandidierte er bei den Wahlen vom 29. Oktober 1859 und zog trotz des massiven Druckes seitens des Hofes als Abgeordneter Missolunghis ins Parlament ein. Dort stellte er sich an die Spitze einer die Monarchie radikal bekämpfenden Gruppe junger Parlamentarier und wandte sich journalistisch, in seinen Leitartikeln in der Zeitung „To Mellon tis Patridos“ (Die Zukunft des Vaterlandes), gegen die Mißachtung des Parlaments durch König Otto.
Während des „Nauplia-Aufstandes“ gegen Otto (Februar 1862) wurde D. der antimonarchistischen Umtriebe angeklagt, mit anderen Republikanern verhaftet und nach Kythnos deportiert. Nach Gewährung einer Amnestie begab er sich nach Missolunghi und arbeitete mit anderen oppositionellen Politikern und Militärs auf die Entthronung des Königs hin. Beim Ausbruch des Aufstandes, der zur Absetzung König Ottos führte (10.10. 1862), war D. wieder in Athen als einer der Anführer des Aufstandes und verfaßte selbst die Proklamation der Absetzung Ottos.
An der provisorischen Regierung, die dem Aufstand folgte, nahm D. als Außenminister teil (11.10. 1862 bis 7.02.1863). In der Nationalversammlung (10.12.1862 bis 16.11.1864) betätigte er sich als Führer einer eigenen Gruppe, die dem Einfluß des dänischen Hofrates Wilhelm-Karl Sponnek auf den jungen König Georg I. entgegentrat und postulierte als erster (25.10. 1863) das Prinzip der Respektierung der parlamentarischen Mehrheit bei der Regierungsbildung durch den König.
Nach den Wahlen vom 14. Mai 1865, die keine starke Partei hervorbrachten, wurde D. am 20. Oktober 1865 mit der Regierungsbildung beauftragt. Wegen der Sponnek-Affäre mußte er jedoch ein paar Tage später zurücktreten, um am 13. November 1865 wieder in die Regierung berufen zu werden. Am 28. November 1865 trat er von neuem zurück.
Nach Ausbruch des Aufstandes auf Kreta (28.08.1866), das die Vereinigung mit Griechenland proklamierte, setzte sich D. für die Unterstützung des Aufstandes und die Erweiterung des Krieges gegen die Türkei ein; er entsandte griechische Streitkräfte nach Epirus und Thessalien und richtete zugunsten der Aufständischen ein Memorandum an die Großmächte.
Nach der langen politischen Krise, die die griechische Intervention mit sich brachte, und einem neuen, kurzlebigen D.-Kabinett (9.07.1870 bis 3.12.1870) folgte eine Reihe von ebenso kurzlebigen Regierungen. Bei der Lavrion-Affäre von 1871 (die Minen in Lavrion waren an den italienischen Unternehmer Serpieri abgetreten worden, der auch auf die Auswertung der alten Schlacken Anspruch erhob) nahm D. gegen die italienische Gesellschaft Stellung, was seine Popularität verstärkte.
Am 8. Juli 1872 wurde er mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt, löste darauf das Parlament auf und ging bei den Wahlen vom 27. Januar 1873 als Sieger hervor. Wegen des Lavrion-Skandals (die Lavrion-Affäre hatte zu einer Börsenspekulation auf Kosten der kleinen Aktionäre geführt) mußte er jedoch bereits am 4. Februar 1874 demissionieren. Am 26. November 1876 und 22. Februar 1877 bildete er von neuem die Regierung. Wegen seiner unpopulären Haltung beim russisch-türkischen Krieg (er trat für die Neutralität ein, was der Politik Englands zugute kam, während die von den patriotischen Rednern angestachelte öffentliche Meinung den Eintritt Griechenlands in den Krieg auf der Seite Rußlands verlangte) mußte er jedoch zurücktreten (6.05. 1877). Im nachfolgenden Kabinett Kanaris (24.05. 1877) fungierte er als Wirtschaftsminister. Der russische Sieg brachte dann auch das Ende der politischen Karriere von D. mit sich; bis zu seinem Tode im Jahre 1879 blieb er dem politischen Kampf fern.
D.s Hauptverdienst bestand darin, daß er die Stellung des Parlaments gegenüber dem König stärkte; er kann deshalb in dieser Hinsicht als Wegbereiter von Charilaos Trikupis betrachtet werden. Zu nennen sind auch seine Bemühungen um die wirtschaftliche und industrielle Entwicklung Griechenlands. Seine wankelmütige und abenteuerliche Haltung in der „nationalen Frage“ und der Außenpolitik teilte er schließlich mit fast allen griechischen Politikern seiner Zeit.

Literatur

E. Delijeorjis. Athen 1879 (Nekrolog; Sonderdruck aus „Neologos“, Istanbul).
Delijeorjis, E.: Politika imerolojia, simiosis ke epistole. Athen 1896.
Kordatos, Janis: Istoria tis neoteris Elladas. Bd 3. Athen 1957, 679-684; Bd 4. Athen 1958, 80-83, 270-277, 306-315, 336-341.
Majer, K.: E. Delijeorjis, i psichi tis epanastaseos tu 1862. Athen 1963.  

Verfasser

Georg Veloudis (GND: 124116787)

GND: 1028493207

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd1028493207.html


RDF: RDF

Vorlage (GIF-Bild):  Bild1   Bild2   Bild3   

Empfohlene Zitierweise: Georg Veloudis, Delijeorjis, Epaminondas, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 385-387 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=721, abgerufen am: (Abrufdatum)

Druckerfreundliche Anzeige: Druckerfreundlich

Treffer 
 von 1526
Ok, verstanden

Website nutzt Cookies, um bestmögliche Funktionalität bieten zu können. Mehr Infos