Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Auersperg, Karl Wilhelm Fürst
Bild: Wikimedia Commons
Wikidata: Q78692

In den Suchergebnissen blättern

Treffer 
 von 1526

Auersperg, Karl Wilhelm Fürst

Auersperg, Karl („Carlos“) Wilhelm Fürst, österreichischer Staatsmann und Politiker, * Prag 1.05.1814, † ebd. 4.01.1890, Bruder von Adolf A.

Leben

1827 Chef der fürstlichen Linie seines Hauses, trat A. erst in den 1840er Jahren im böhmischen Landtag in der ständischen Opposition gegen Metternich hervor, indem er weiteren Wirkungskreis des Landtages - bei gleichzeitiger Ausdehnung der Städtevertretungen - forderte und Kontakte zum ungarischen Reformadel suchte. 1848 und während des Neoabsolutismus zog er sich ganz zurück. 1859 im nur dreigliedrigen Komitee zur Beratung des böhmischen Gemeindegesetzes stand A. noch an der Seite H. Clam-Martinićs gegen Bachs Bezirksämter und für Organe höherer Selbstverwaltung. Erst die Absage, die Schmerlings Februar-Patent (1861) von der föderalistisch-konservativen Aristokratie erfuhr, trennte A. von seinen bisherigen Weggefährten. In dieser Geburtsstunde der zwei Adelsparteien trat A. auf die Seite der gemäßigt liberalen, mit den Deutschösterreichern sympathisierenden. A. wurde geradezu ihr Begründer. Im böhmischen Landtag war 1861 die Trennung vollzogen. Erbliches Mitglied des österreichischen Herrenhauses, war A., von Schmerling vorgeschlagen, bereits 1861 bis 1865 dessen Präsident und blieb es nach der Sistierungspolitik Belcredis mit kurzer Unterbrechung 1867-1879. Obwohl dem Dualismus nicht gewogen, verwendete sich A. 1867 im böhmischen Großgrundbesitz für ein Wahlresultat, das die Annahme des Ausgleichs- und der Dezembergesetze im ordentlichen Reichsrat sicherte und Beusts ungarische Ausgleichspolitik bestätigte. Nach diesem Erfolg wurde A. am 31. Dezember 1867 erster cisleithanischer Ministerpräsident an der Spitze des sog. „Bürgerministeriums“. Hier stand und scheiterte A. (Schmerling ähnlich) zunächst am Schnittpunkt der nun freigesetzten divergierenden Tendenzen Franz Josephs, der, streng konstitutionell, nach den Maßstäben des „monarchischen Prinzips“ die praktische Macht gegenüber dem Parlament zu behaupten suchte, der im Abgeordnetenhaus dominierenden „Verfassungspartei“ - aus der die Bürgerminister stammten -, die zum parlamentarischen Regierungssystem drängte und der föderalistischen zumeist slawischen Opposition, die die Dezemberverfassung a limine ablehnte.
A. gelang ein Kompromiß zwischen Kaiser und liberaler Partei für das seit dem Konkordat 1855 umstrittene Verhältnis von Staat und Kirche mit den „Maigesetzen“ 1868, er bereitete das Wehrgesetz vor, mit dem die Liberalen eine Armee von hoher Kriegsstärke bewilligten, er hob das böhmische Landesgesetz auf, das das Erlernen beider Landessprachen an Gymnasien obligat gemacht hatte. Als Beust ohne A.s Kenntnis im Juni 1868 mit der föderalistischen Opposition in Böhmen verhandelte, reichte A. seine Demission ein. Während der krisenhaften Beziehungen der im 1. Kabinett Taaffe verbliebenen Bürgerminister zur Krone lancierte A. mehrfach seinen Bruder Adolf als Ministerpräsidenten und unterstützte dessen Regierung ab 1871 im Herrenhaus und im böhmischen Landtag als dessen Oberstlandmarschall und Vorsitzer des Landesausschusses. 1879, bei Adolf A.s Abtreten, führte A. einen Wahlkompromiß der Adelsparteien Böhmens herbei, der die Anfänge des 2. Kabinetts Taaffe sehr erleichterte. Von diesem tief enttäuscht, kritisierte A. es bereits 1881 und wieder gelegentlich der Wahlreform 1882. Seit 1883 zog sich A. aus dem Landtag und praktisch auch aus dem Herrenhaus zurück.
Obwohl bedeutend, ist A.s Wirken im einzelnen unerforscht. Von ganz aristokratischem Zuschnitt, glaubte A. an die politische Zukunft des Adels, den er an der Spitze des Fortschritts, damals des deutsch-österreichischen Liberalismus sah und geriet oft in Konflikt mit der „Verfassungspartei“, besonders ihren Häuptern Herbst und Giskra. Dennoch ebnete A. deren deutschbürgerlichen Liberalismus halbwegs den Weg, indem er ihnen die Unterstützung der sehr gemäßigt liberalen Adelspartei bei den kaum geschwächten Potenzen von Krone und Bürokratie verschaffte. Zwischen 1867-1870 dabei gescheitert, setzte A., im Hintergrund wirkend, diesen Aspekt seiner Politik bei den nach dem inneren Umschwung von 1871 (Regierung Hohenwart) gravierende Abstriche machenden Liberalen in den 70er Jahren durch und wurde damit zu einer der Kräfte, die den Verfassungsrahmen von 1867 unverrückbar machten, in den Tschechen und konservativer Adel 1880 eintreten mußten, um eine neue Regierungspolitik (Taaffe) tragen zu können.

Literatur

Neue Freie Presse, 4., 5., 21., 22.1. 1890.
[Pollak, Heinrich]: Dreißig Jahre aus dem Leben eines Journalisten. 3 Bde. Wien 1894/98.
Schütz, Friedrich: Werden und Wirken des Bürgerministeriums. Mitteilungen aus unbenutzen Quellen und persönlichen Erinnerungen. Leipzig 1909.
Molisch, Paul (Hrsg.): Briefe zur deutschen Politik in Österreich von 1848 bis 1918. Wien, Leipzig 1934.
Fellner, Fritz: Kaiser Franz Joseph und das Parlament. Materialien zur Geschichte der Innenpolitik Österreichs in den Jahren 1867-1873. In: Mitt. österr. Staatsarch. 9 (1956) 287-347.

Verfasser

Alfred Ableitinger (GND: 122101480)

GND: 116377607

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd116377607.html


RDF: RDF

Vorlage (GIF-Bild):  Bild1   Bild2   

Empfohlene Zitierweise: Alfred Ableitinger , Auersperg, Karl Wilhelm Fürst, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 113-114 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=492, abgerufen am: (Abrufdatum)

Druckerfreundliche Anzeige: Druckerfreundlich

Treffer 
 von 1526
Ok, verstanden

Website nutzt Cookies, um bestmögliche Funktionalität bieten zu können. Mehr Infos