Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Auersperg, Adolf Wilhelm Daniel Fürst
Bild: Wikimedia Commons
Wikidata: Q364689

In den Suchergebnissen blättern

Treffer 
 von 1526

Auersperg, Adolf Wilhelm Daniel Fürst

Auersperg, Adolf Wilhelm Daniel Fürst, österreichischer Staatsmann, * Prag 21.07.1821, † Goldegg bei St. Pölten (N.-Ö.) 5.01.1885, jüngerer Bruder von Karl („Carlos“) A.

Leben

A. studierte zuerst Jura, dann trat er in die Armee ein und machte 1848 die Belagerung Wiens, 1848-1849 den Winterfeldzug gegen Ungarn und 1859 den Krieg in Oberitalien mit.
Seine politische Laufbahn begann mit seiner Wahl in den böhmischen Landtag 1867 (verfassungstreuer Großgrundbesitz). Bald - für drei Jahre - Oberstlandmarschall und Landesausschußbeisitzer, verschaffte er sich Verwaltungserfahrung, um im März 1870 zum Landespräsidenten (Statthalter) von Salzburg ernannt zu werden. Im böhmischen Landtag schon in Opposition zur Regierung Potocki, stand er in offener Gegnerschaft zum föderalistischen Ministerium Hohenwart. Sein Einfluß bewirkte, daß der Salzburger Landtag, anders als der zu Linz und Bregenz, eine liberale Mehrheit behielt. Über die Deklarantenpolitik, die gegen die „Dezemberverfassung“ von 1867 das böhmische Staatsrecht stellte, äußerte sich A. sehr scharf, Ausgleichschancen zwischen Wien und Prag sah er nicht vor der Aufgabe der föderalistischen Prinzipien. Seit 1869 war A. Mitglied des Herrenhauses. Bei jeder Erschütterung des „Bürgerministeriums“ wurde A. als Regierungschef genannt, scheiterte aber, namentlich im Januar 1870, an mangelnder Übereinstimmung mit der deutschliberalen "Verfassungspartei“ des Abgeordnetenhauses.
Nach Hohenwarts Sturz und dem ihm zugrundeliegenden Zusammenbruch aller Versuche, Cisleithanien im Augenblick der deutschen Reichsgründung föderalistisch umzugestalten und dadurch den Slawen mehr Einfluß zu verleihen, wurde A. am 25. November 1871 Ministerpräsident. Dem zeitlichen Zusammenhang mit dem Wechsel von Beust zu Andrássy im Amt des Außenministers entsprach dabei ein sachlicher. A. verpflichtete die bei seinem Scheitern ein neues föderalistisches Ministerium befürchtenden Liberalen auf ein zwischen dem Kaiser und ihm vereinbartes Programm, das sie nur wenig befriedigte. Es verbürgte nur die zentralistische Verfassung und vertagte weiterführende Reformen in freiheitlicher und konfessioneller Richtung. Die Auflösung und anschließende Neuwahl der Landtage mit föderalistischer Mehrheit schuf durch energische Regierungshilfe in den Kurien des Großgrundbesitzers und infolgedessen im Plenum der Landtage und des Reichsrates liberale Majoritäten. 1872 wurde ein Notwahlgesetz perfekt, 1873 die Wahlrechtsreform, die mittels direkter (aber nicht allgemeiner, gleicher) Wahlen den Reichsrat von den Landtagen unabhängig machte. Im Mai 1873 folgte auf die Eröffnung der Weltausstellung in Wien wenig später der große Börsenkrach, der u. a. das Abbröckeln der Liberalen bei den folgenden Wahlen einleitete. 1874 wurden durch vier konfessionelle Gesetze mehr josephinisch-staatlichen als liberalen Charakters die Konsequenzen aus der Aufhebung des Konkordats (1870) gezogen, womit die Regierung, zum Ärger der „Verfassungspartei“ und zur Befriedigung des Kaisers, die kirchenpolitische Gesetzgebung für abgeschlossen erklärte. Die Spannungen zwischen Regierung und Reichsratsmehrheit nahmen seitdem zu, ermöglichten aber 1875-1876 mit der Gründung des Verwaltungsgerichtshofes noch einen Akt von bleibender Bedeutung. Die Auseinandersetzung um das Notenbankstatut bei der Erneuerung des wirtschaftlichen Ausgleichs mit Ungarn und Andrássys Balkanpolitik mit ihrer Konsequenz, der Okkupation Bosniens und der Herzegowina, entzweiten Regierung und Liberale endgültig. Im Februar 1879 trat die Regierung zurück. A. war danach bis zu seinem Tod Präsident des „Obersten Rechnungshofes“.
Geschickter in der Menschenbehandlung, war A. als Regierungschef überhaupt glücklicher als sein bedeutenderer, allerdings unter komplizierteren Verhältnissen wirkender Bruder Karl. A.s Ministerwahl, die nicht wie vordem auf Einbeziehung der parlamentarischen Führer des Liberalismus sah, sicherte die wichtige Einheit des Ministeriums, seine enge Kooperation mit Andrássy verschuf diesem Dauer und Kraft. Derart wurde A. gewissermaßen zum personellen Medium, das, den Kaiser für die direkte Reichsratswahl und im Gegenzug die Liberalen für die relative Befriedigung der Polen gewinnend, die tiefe Zäsur von 1873 ermöglichte, diesseits derer die bisherigen zentralistisch-föderalistischen Verfassungskämpfe endeten und neuen Charakter annahmen.

Literatur

Rogge, Walter: Österreich seit der Katastrophe Hohenwart-Beust. 2 Bde. Leipzig, Wien 1879.
Beust, Friedrich Ferdinand Graf von: Aus drei Viertel-Jahrhunderten. Erinnerungen und Aufzeichnungen. Bd 2: 1866-1885. Stuttgart 1887.
[Pollak, Heinrich]: Dreißig Jahre aus dem Leben eines Journalisten. 3 Bde. Wien 1894/98.
Wertheimer, Eduard von: Graf Julius Andrássy. Bd 2. Stuttgart 1913.
Czedik, Alois Freiherr von: Zur Geschichte der k. k. österreichischen Ministerien. 1861-1916. Bd 1: 1861-1893. Teschen, Wien, Leipzig 1917.
Plener, Ernst Freiherr von: Erinnerungen. 3 Bde. Stuttgart, Leipzig 1911/21. = Politische Bücherei.
Molisch, Paul (Hrsg.): Briefe zur deutschen Politik in Österreich von 1848 bis 1918. Wien, Leipzig 1934.
Eder, Karl: Der Liberalismus in Altösterreich. Geisteshaltung, Politik und Kultur. Wien, München 1955. = Wiener historische Studien. 3.
Fellner, Fritz: Kaiser Franz Joseph und das Parlament. Materialien zur Geschichte der Innenpolitik Österreichs in den Jahren 1867-1873. In: Mitt. österr. Staatsarch. 9 (1956) 287-347.
Felder, Cajetan, Erinnerungen eines Wiener Bürgermeisters. Wien, Hannover, Bern (1964).
Kielmansegg, Erich Graf: Kaiserhaus, Staatsmänner und Politiker. Aufzeichnungen des k. k. Statthalters. Wien, München 1966.

Verfasser

Alfred Ableitinger (GND: 122101480)

GND: 135916887

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd135916887.html


RDF: RDF

Vorlage (GIF-Bild):  Bild1   Bild2   

Empfohlene Zitierweise: Alfred Ableitinger , Auersperg, Adolf Wilhelm Daniel Fürst, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 110-111 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=490, abgerufen am: (Abrufdatum)

Druckerfreundliche Anzeige: Druckerfreundlich

Treffer 
 von 1526
Ok, verstanden

Website nutzt Cookies, um bestmögliche Funktionalität bieten zu können. Mehr Infos