Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Rechberg, Bernhard Johann Graf
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Rechberg, Bernhard Johann Graf

Rechberg-Rothenlöwen, Bernhard Johann Graf, österreichischer Diplomat und Staatsmann, * Regensburg 17.07.1806, † Wien/Schwechat 26.02.1899.

Leben

 Nach Studien der Rechts- und Staatswissenschaften zu Straßburg und München ging R. nach Wien und wurde dort in den Kreis um den Staatskanzler Fürst Metternich aufgenommen, den er sich zu seinem politischen Lehrmeister erwählte. Aus der durchschnittlichen Diplomatenlaufbahn fiel R. erst im Revolutionsjahr 1848 heraus, als er den für seine weitere Entwicklung entscheidenden Schritt unternahm, Metternich nach seinem Sturz rückhaltlos zu unterstützen. Er begleitete den Fürsten auf seiner mühevollen Flucht bis nach Haag. Nach seiner Rückkehr nach Wien wurde R. zum Mittler zwischen Metternich und jenem Teil Österreichs, der diesem und seinem System die Treue hielt. R. gewann rasch das Vertrauen des Ministerpräsidenten Fürsten Felix zu Schwarzenberg, der in R. gerne seinen unmittelbaren Nachfolger gesehen hätte. Doch erst der inmitten der allgemeinen politischen Krise Österreichs stark angestiegene Einfluß Metternichs auf den jungen Kaiser Franz Joseph I. brachte R. als erfolgreichen Experten in den deutschen und italienischen Angelegenheiten in die österreichische Regierung. Am 13. Mai 1859 zum Außenminister ernannt, übernahm R. am 17. Mai auch den Vorsitz des Ministerrates. Im Bestreben, bewußt auf die inneren Verhältnisse Einfluß zu nehmen, erreichte R. die faktische Auflösung des Reichsrates und damit die politische Aufwertung des Ministerrates, womit er an frühere Bestrebungen Schwarzenbergs angeknüpft hat. Obwohl R. zweifellos ein überzeugter Konservativer war und blieb, wußte er seiner politischen Einsicht in eine höchst dringende Revision des absolutistischen Regimes auch beim Kaiser Gehör zu verschaffen. Entschlossen, an der Zentralisierung des Reiches festzuhalten, näherte er sich der Gruppe der ungarischen Altkonservativen, mit denen er ganz darin übereinstimmte, die alte ungarische Verfassung, die alte absolutistische Verwaltung und die territoriale Integrität des Königreiches wiederherzustellen. Das daraufhin in direktem Kontakt mit R. von den Grafen György Apponyi und Antal Szécsen ausgearbeitete Oktoberdiplom von 1860 entsprach in seinem feudalistischautonomen Grundzug ganz den allgemeinen Auffassungen R.s und stellte nach R. zugleich die äußerste Grenze des Entgegenkommens gegenüber Ungarn dar. Außenpolitisch trat R. - nach Abgabe des Ministerratsvorsitzes (1861) - in Hinblick auf die innere Schwäche des Kaiserstaates sehr geschickt für eine kontinentale Friedenspolitik ein, mit der es ihm im Rahmen der infolge des polnischen Aufstandes von 1863 erhöhten Spannungen zwischen Rußland, Österreich und den Westmächten gelang, vermittelnd einzugreifen und eine militärische Zuspitzung der Krise zu verhindern. Durch seine Neutralitätspolitik versuchte R. in Anlehnung an die Westmächte die Beziehungen zu Rußland zu verbessern, lehnte aber jedes Bündnisangebot nicht nur von russischer Seite sondern auch von seiten der anderen Großmächte ab. In der Orientalischen Frage bemühte er sich, den Status quo des Osmanischen Reiches zu erhalten. Diese Politik des ständigen Lavierens und Zuwartens entsprang der Grundüberzeugung von R., daß sich für Österreich die Staatsräson und das Legitimitätsprinzip deckten und das von ihm angenommene Interesse aller Mächte an der Aufrechterhaltung der Großmachtstellung Österreichs diese konservative Rechtsordnung gleichsam von selbst durchsetzen und auch international zur Geltung bringen würde. Dieses starre politische Grundkonzept, mit dem R. für einige Jahre die Stellung Österreichs nach außen zu festigen verstand, führte am 21. Oktober 1864 zu seinem Sturz, als sich beim Kaiser die Vertreter (um Anton Schmerling) einer dynamischeren Deutschlandpolitik durchzusetzen vermochten. In den folgenden dreieinhalb Jahrzehnten trat R. politisch nicht mehr in Erscheinung.

Literatur

Friedjung, Heinrich: Graf Bernhard von Rechberg. In: Historische Aufsätze. Stuttgart, Berlin 1919, 294-321.
Engel-Janosi, Friedrich: Graf Rechberg. München 1927.
Ders.: Die Krise des Jahres 1864 in Österreich. In: Historische Studien, Festschrift für A. F. Pribram. Wien 1929, 141 ff.
Franz, Eugen: Graf Rechbergs deutsche Zollpolitik. In: Mitt. Inst. österr. Gesch.-Forsch. 46 (1932) 143-187.
Goldinger, Walter: Von Solferino bis zum Oktoberdiplom. In: Mitt. österr. Staatsarch. 3 (1950) 106-126.

Verfasser

Gerhard Seewann (GND: 1069961280)

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Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd116391154.html


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Empfohlene Zitierweise: Gerhard Seewann, Rechberg, Bernhard Johann Graf, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 41-42 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1596, abgerufen am: (Abrufdatum)

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