Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Pulszky, Ferenc
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Pulszky, Ferenc

Pulszky, Ferenc, ungarischer Politiker, Publizist und Archäologe, * Eperjes (Komitat Sáros) 17.09.1814, † Budapest 9.09.1897, aus einer wohlhabenden nordungarischen Adelsfamilie.

Leben

Der junge P. erhielt eine ausgezeichnete Bildung in den Geistesströmungen der französischen Aufklärung und der deutschen Romantik. Das evangelische Kollegium von Eperjes vermittelte den Ansporn zu vielfältigen geistigen Interessen, und die Stadt selbst, ein Treffpunkt des nordungarischen Mitteladels, bot Ansätze zu frühen politischen Tätigkeiten. Seine politische Laufbahn begann P. als Jurist beim Reichstag in Preßburg (1834-1835) und als Reichstagsmitglied (1839-1840). Seine wichtigste politische Rolle aber spielte er im Vormärz als Publizist für die ungarische Nationalbewegung. P. vertrat in polemischen Schriften entschieden die Auffassung der extremen Nationalisten, insbesondere die Stellung Lajos Kossuths, derzufolge die Minderheitenbewegungen in Ungarn keine Berechtigung hätten. Besonders scharf verurteilte er die tolerante Politik des Grafen István Széchenyi. Diese Einstellung bestimmte grundsätzlich seine zukünftige Politik und erklärt den wichtigsten Bestandteil seines Programms: die Erkämpfung des ungarischen Nationalstaates gegenüber Wien und den Minderheitenbewegungen.
Während der ungarischen Revolution und danach leistete P. hauptsächlich diplomatische Dienste für Kossuth. Bis Oktober 1848 wirkte er als Staatssekretär des Fürsten Paul Anton Eszterházy, der als Mitglied der im April 1848 gebildeten ungarischen Regierung von Lajos Batthyany zwischen dieser und König Ferdinand V. zu vermitteln versuchte. Im Dezember 1848 ging P. als Botschafter der revolutionären ungarischen Regierung nach England. Nach der Niederwerfung des ungarischen Freiheitskampfes wurde er der engste Mitarbeiter Kossuths und unterstützte dessen publizistische und revolutionäre Tätigkeit im Exil.
Trotz seiner lebenslangen Verehrung für Kossuth erkannte P. schon 1861 die Aussichtslosigkeit von dessen Politik. Er gab seine Rolle als Revolutionsführer in jenem Jahre auf und kehrte 1866 nach Ungarn zurück, um der Ausgleichspartei von Ferenc Deák seine Unterstützung anzubieten. Nach dem Ausgleich von 1867 konnte P. aber keinen besonderen Einfluß mehr auf die ungarische politische Entwicklung ausüben, da seine konsequent reformliberale Auffassung wenig Anklang im dualistischen, konservativ geprägten Ungarn fand. Dagegen leistete er als langjähriger Präsident des ungarischen Nationalmuseums (1869-1894) große Dienste für die ungarische Altertumswissenschaft. 1897 erschien sein zweibändiges Werk „Magyarország archeológiája“ (Die Archäologie Ungarns).
Trotz seiner bekannten liberalen Oppositionshaltung spielte P. eine beträchtliche Rolle im dualistischen Ungarn. Er verkörperte den Prototyp der ungarischen liberalen Führung im 19. Jh. Von den Ideen der Aufklärung beeinflußt, befürwortete seine politische Schule die Reform der veralteten ungarischen Verfassung nach dem Muster des französischen doktrinären Konstitutionalismus (François Guizot, Benjamin Constant de Rebecque). Ein wertvolles Zeugnis seines Lebenswerkes bildet die vierbändige Ausgabe seiner Erinnerungen „Életem és korom“ (Budapest 1880/82; Neuauflage in zwei Bänden Budapest 1958; deutsche Ausgabe: Meine Zeit, mein Leben. Preßburg, Leipzig 1880/83). Als liberaler Politiker scheute P. sich nicht, seine Meinung gegen die konservative Regierungspolitik offen auszusprechen und Erscheinungen, wie jene des Antisemitismus zu bekämpfen. Doch befaßte er sich mit den fundamentalen Fragen der modernen gesellschaftlichen und politischen Entwicklung im Flabsburgerreiche, wie z. B. mit der sozialen Frage, der Nationalitätenfrage, der Volkserziehung und den Problemen der Demokratie, nur am Rande oder gar nicht, eine Unzulänglichkeit, die überhaupt ein Kennzeichen des damaligen ungarischen Liberalismus war.

Literatur

Pulszky Ferenc kisebb dolgozatai. Hrsg. Antal Lábán. Budapest 1914.
Berzeviczy, Albert, Henrik Marczali, Geza Nagy: Pulszky Ferenc százados emlékünnepe. Budapest 1915.
Oltványi, Ambrus: Pulszky Ferenc. In: Pulszky, Ferenc: Életem és korom. Bd 1. Budapest 1958, 5-33.
Fenyő, István: Egy reformkori polihisztor. Pulszky Ferenc indulása. In: Ders.: Haza és tudomány. A hazai reformkori liberalizmus történetéhez. Budapest 1969, 125-319.

Verfasser

Paul Bődy (GND: 151711976)

GND: 11892575X

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd11892575X.html


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Empfohlene Zitierweise: Paul Bődy, Pulszky, Ferenc, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 496-498 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1563, abgerufen am: (Abrufdatum)

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