Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Mustafa Pascha, Kemankeş Kara

Mustafa Pascha, Kemankeş Kara, osmanischer Großwesir 1638-1644, * um 1592, † Istanbul 22.02.1644.

Leben

Die Knabenlese verpflanze M. aus Albanien oder Ungarn in das Janitscharenkorps, wo er ein meisterlicher Bogenschütze (Kemankeş) wurde. Fleiß, Umsicht, zupackende Tatkraft und Unbestechlichkeit verschafften dem jungen Solak Amt um Amt: (Çorbacı, Kulkethüda, schließlich 1634 Sekban Başi. Als solcher befand er sich bei der Vorbereitung des Polenfeldzugs (1634) in der Umgebung Murads IV. (1623-1640). Der Feldzug nach Eriwan sah ihn bereits als Janitscharenaga (1635). Der Sultan bemerkte M.s ungewöhnliche Tüchtigkeit und wußte sie einzusetzen. Als Wesir und Großadmiral (Kapudan-ı Derya) bewies er militärische, besonders aber organisatorische Begabung. Im Marinewesen stellte er Ordnung her, erzielte Einsparungen und sicherte den Bau von 40 Galeeren jährlich. Unter Beibehaltung seiner Ämter stieg er weiter zum Vertreter des Großwesirs in der Hauptstadt (Sadaret Kaymakamı) auf. Während des Bagdader Feldzugs starb Bayram Pascha, fiel Tayyar Mehmed Pascha, und so ernannte Murad IV. M. am 24. Dezember 1638 zum Großwesir. Seine erste Aufgabe war es, Bagdad wieder verteidigungsfähig zu machen und in der den Persern erneut entrissenen Provinz eine Verwaltung aufzubauen. Im März 1639 brach er nach Persien auf. Am 17. Mai konnte er, nach dreitägigen Verhandlungen in Kasr-ı Schirin, den Krieg durch Vertrag beenden. Ein Mann wie M., von starkem Eigensinn und einer Neigung zu unbedachten Äußerungen, konnte nicht ohne Feinde bleiben. Während seiner Abwesenheit hatten diese versucht, ihn zu stürzen. Doch konnte er im Januar 1640, noch immer als Großwesir, erstmals in Istanbul einziehen. Auch unter Ibrahim (1640-1648) blieb er im Amt. Eine Denkschrift, in der diesem unwissenden Herrscher in einfachster Sprache grundlegendes Wissen über seinen Staat und dessen Würdenträger wie auch Richtlinien für sein Verhalten vermittelt werden, nennt in einigen Handschriften M. als ihren Urheber. Derzeit wird auch diese Schrift meist dem Koçi Bey zugeschrieben. Die Gründe dafür sind allerdings nicht ganz zwingend. Das nach außen durch Verträge, Vertragserneuerungen und den Dreißigjährigen Krieg in Europa gesicherte Reich suchte M. in den folgenden Jahren im Innern zu reformieren. Er strich unnötige Staatsausgaben, suchte die Steuerquellen besser zu erfassen, verbesserte die Münze, um Handel und Wirtschaft anzuregen. Allmählich gelang ihm nicht nur der Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben, er erwirtschaftete einen beachtlichen Einnahmeüberschuß. Diese auf den Vorteil des Staatsganzen gerichtete Politik traf allerdings die Nutznießer der bisherigen Unordnung im Lebensnerv, da sie ihre Einkünfte aus Ansprüchen ohne Leistung verloren. Bei der Durchführung seiner Reformmaßnahmen ging es nicht ohne Härten und Ungerechtigkeiten ab, was das Volk aufbrachte. Die Valide Sultan Kösem entzog ihm ihre Gunst, weil er in einer Heiratsangelegenheit wider ihren Willen entschieden hatte. Auch Leute der engsten Umgebung des Sultans, wie Cinci Hoca, machte er sich zu Feinden und wurde ihrer nicht mehr Herr. Der Versuch, die Pfortentruppen gegen diese Feinde zu mobilisieren, schlug auf ihn selbst zurück: Man verleumdete ihn beim Sultan, der ihn, voll Wut und Mißtrauen, festnehmen und auf dem Weg zum Serail erdrosseln ließ. Der bedeutende Staatserneuerer war und blieb Analphabet.

Literatur

Unat, Faik Reşit: Sadrâzam Kemankeş Mustafa Paşa Lâyihası. In: Tarih Vesikaları 1 (1942) 6, 443-480.
Aktepe, M. Münir: Mustafa Paşa. In: Islâm Ansiklopedisi. Bd 8. Istanbul 1960, 730-732.

Verfasser

Hans Georg Majer (GND: 129740098)

GND: 1017350337

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd1017350337.html


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Empfohlene Zitierweise: Hans Georg Majer, Mustafa Pascha, Kemankeş Kara, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 276-277 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1423, abgerufen am: (Abrufdatum)

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