Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Mocsáry von Bocsár, Lajos

 Mocsáry von Bocsár, Lajos, ungarischer Publizist und Politiker, * Kurtány (Komitat Nógrád; heute Fil’akovské Kováče, Slowakei) 26.10. 1826, † Andornak (Komitat Heves) 08.01.1916, Sohn des Imre M. und der Sréter Franciska M., aus einer angesehenen Mitteladelsfamilie.

Leben

 M. studierte zur Zeit der ungarischen Reformbewegung 1841-1843 in Pest Jura, wo ihn die Atmosphäre der damaligen politischen Kämpfe zwischen der Kossuth-partei und der Regierung stark beeinflußte. Seine Begeisterung für die Sache der ungarischen Oppositionsbewegung kann als ein wichtiges Moment seiner späteren politischen Laufbahn erkannt werden. Die Idee der ungarischen Unabhängigkeit, die Auffassung vom ungarischen Komitatssystem als Schule der politischen Demokratie und seine Konzeption der Nationalitätenfrage können vielfach durch die vormärzlichen politischen Diskussionen verstanden werden. Durch ein schweres gichtisches Fußleiden behindert, mußte M. die Revolutionsjahre 1848/49 als Kurgast in den Bädern Freiwaldau und Gräfenberg (Österreichisch-Schlesien) untätig verbringen. Deshalb beginnt seine politische Tätigkeit als Publizist in der ungünstigen Zeit der Bachregierung. Zwei bedeutende Schriften dieser Jahre, „Nemzetiség“ (Nationalität, Pest 1858) und „Programm a nemzetiség és a nemzetiségek tárgyában“ (Programm in Angelegenheit der Nationalität und der Nationalitäten, Pest 1860), bestimmen die Richtschnur seiner zukünftigen Politik. Beide Werke entstanden zum Teil als Kritik der Auffassung von Joseph Freiherr von Eötvös über die Gefahren des Nationalismus, die in dessen grundlegendem Werke „Der Einfluß der herrschenden Ideen des 19. Jahrhunderts auf den Staat“ (Wien, Leipzig 1851/54) begründet wurde. M. betonte den Wert der Nationalität als Träger der Kulturgemeinschaft und bestritt die These Eötvös’ daß die Verherrlichung der Nationalität zur Unterdrückung nationaler Minderheiten führen könnte. Demgemäß entwickelte er in seinem zweiten Werk Vorschläge zur Lösung der ungarischen Nationalitätenfrage. Er empfahl den freien Sprachgebrauch im Komitatssystem, eine liberale Schul- und Kulturpolitik und die Beibehaltung der ungarischen Sprache als Verständigungssprache im ungarischen Landtag. Diese Auffassungen können nur in Verbindung mit seiner allgemeinen politischen Konzeption und Tätigkeit nach dem Ausgleich gewürdigt werden. M. vertrat nämlich
zwei grundsätzliche Prinzipien, die seine Auffassung in der Nationalitätenfrage bestimmten. Erstens bekannte er sich zur ungarischen Unabhängigkeit gegenüber Wien und verwarf den Ausgleich als verfassungswidrige Einschränkung der ungarischen Selbstregierung. Zweitens befürwortete er die Selbstverwaltung des Komitatssystems als Garantie der persönlichen und kommunalen Rechte gegen die Budapester und Wiener Zentralisierungspolitik. Die Nationalitätenrechte bildeten den dritten Bestandteil seiner politischen Auffassung. M. war davon überzeugt, daß die Lösung dieser drei großen Fragen nur durch die Selbstverwaltung der Komitate und durch die politische Mitwirkung der Nationalitäten im Komitatsleben zu erreichen wäre. Dieser Standpunkt, besonders deutlich in seinem Artikel vom 28. Februar 1867 in „A Hon“ (Das Vaterland) und in seiner Schrift „Az állami közigazgatás“ (Die Staatsverwaltung, Pest 1891) ausgedrückt, kann als seine wichtigste politische Einsicht bezeichnet werden, denn er lieferte eine effektive Kritik der ungarischen Zentralisierungspolitik, die schließlich zum Scheitern führte. M. wurde bekannt und international berühmt durch seine zielbewußte Kritik der ungarischen Nationalitätenpolitik, als Parlamentsmitglied (ab 1861) und als Mitbegründer und erster Führer der 1874 aus der „Achtundvierziger Partei“ hervorgegangenen ungarischen „Unabhängigkeitspartei“. Er scheute sich nicht, im Gegensatz zu seinen Parteigenossen und der ungarischen politischen Führung, die Assimilationspolitik zu verurteilen. Seine scharfe Kritik am Svetozar Miletić-Prozeß 1876, des Gesetzentwurfes über Volkserziehung 1879 und der Kulturvereine zur Verbreitung der ungarischen Sprache 1886 führten zur allgemeinen Verurteilung seiner Tätigkeit und bereits 1884 zu seinem Austritt aus der „Unabhängigkeitspartei“. Dafür wurde er aber von Vertretern der nationalen Minderheiten gefeiert und kandidierte 1887 für die rumänische Nationalpartei im Siebenbürgischen Caransebeş. 1892 zog er sich aus der Politik zurück und betätigte sich nurmehr als Journalist, u. a. beim „Le Courrier Européen“.

Literatur

Steinacker, Edmund: Eine magyarische Kassandra. In: Preußische Jahrbücher 115 (1904) 489-502.
Ders.: Eötvös und Mocsáry. In: Nation und Staat 1 (1927/28) 489-502.
Gogolák, Lajos: Mocsáry Lajos és a nemzetiségi kérdés. Budapest 1943.
Kemény, G. Gábor (Hrsg.): Mocsáry Lajos válogatott írásai. Budapest 1958.
Tóth, Ede: Lajos Mocsáry über die Außen- und Innenpolitik der Österreichisch-Ungarischen Monarchie in den Jahren 1870-71. In: Ann. Univ. Budapest., Sect. hist. 7 (1965) 109-126.
Ders.: Mocsáry Lajos élete és politikai pályakezdete, 1826-1874. Budapest 1967.
Kemény, G. Gábor: Mocsáry Lajos a népek barátságáért. Bucureşti 1972.

Verfasser

Paul Bődy (GND: 151711976)

GND: 104331801

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd104331801.html


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Empfohlene Zitierweise: Paul Bődy, Mocsáry von Bocsár, Lajos, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 229-230 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1380, abgerufen am: (Abrufdatum)

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