Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Miladinov, Dimitŭr

 Miladinov, Dimitŭr, mazedonischer Volksaufklärer, * Struga 1810, † Istanbul 23.01.1862.

Leben

 M. wurde als ältestes von acht Kindern eines armen Töpfers geboren. Ursprünglich ebenfalls zum Töpfer bestimmt, wurde er nach der Entdeckung seiner Begabung Diener des Abtes von Sv. Naum, Kozma, bei dem er Griechisch lernte. Nach dem Tode seines Vaters 1830 mußte er vorübergehend eine Lehrerstelle in Ohrid annehmen. 1832 ging er als Angestellter einer Handelsfirma nach Durazzo, um das Geld für den weiteren Schulbesuch zu verdienen. Hier kam er über italienische Emigranten zum ersten Male mit den nationalen Ideen der europäischen Romantik in Berührung, die ihn stark und dauerhaft beeinflußten. Von 1833 bis 1836 besuchte er das griechische Gymnasium in Janina und kehrte als Griechischlehrer nach Ohrid zurück. In der Überzeugung, daß die Bekämpfung der Unwissenheit Voraussetzung für jeden Fortschritt sei, beschränkte er seine Tätigkeit nicht auf die Schule, sondern strebte auch eine Bildung der Erwachsenen an, wodurch er sich die Feindschaft des höheren griechischen Klerus zuzog, der darin eine Gefährdung seiner Gräzisierungspolitik erblickte. Deshalb mußte M. 1839 Ohrid verlassen. Er wirkte in den folgenden Jahren in verschiedenen Orten Mazedoniens als Lehrer, in zunehmendem Maße den Verfolgungen durch die griechische Geistlichkeit ausgesetzt, da er immer energischer für die nationale Selbständigkeit durch Einführung der Muttersprache in der Schule und des Altkirchenslawischen in der Kirche eintrat. In diesem Streben wurde er von dem russischen Slawisten Viktor Ivanovič Grigorovič bestärkt, dem er im Frühjahr
 1845 in Ohrid begegnete und der ihn zum Sammeln mazedonischer Volkslieder anregte. Im Herbst 1847 nahm M. eine Lehrerstelle in dem pelagonischen Dorf Magarevo und 1852 eine solche in Bitola an. Er kämpfte nun nicht mehr nur gegen die geistige Bevormundung durch die Griechen, sondern auch gegen die türkische politische Herrschaft. Sein Interesse für Rußland war erwacht, und er begeisterte sich für die Idee einer südslawischen Vereinigung auf der Grundlage der politischen und kulturellen Wiedergeburt der Balkanvölker. Da viele seiner ehemaligen Schüler inzwischen selbst Lehrer geworden waren, gelang es ihm ab Mitte der fünfziger Jahre, an zahlreichen Schulen die mazedonische Mundart als Unterrichtssprache durchzusetzen. Während des Krimkrieges warb er öffentlich um Sympathien für Rußland und sah sich deshalb Ende 1855 gezwungen, Mazedonien zu verlassen, um Repressalien zu entgehen. Über Mostar, Sarajevo und Neusatz kam er nach Belgrad, wo er sich vergeblich um finanzielle Unterstützung für die Sammlung von Volksliedern und Kulturschätzen in seiner Heimat bemühte. Nach Abschluß des Pariser Friedens wagte er sich im Oktober 1856 wieder nach Mazedonien zurück. Hier trat er nun mit Entschiedenheit für die Ablösung der griechischen Bischöfe durch slawische ein, und als es im Frühjahr 1860 zu einer Volksbewegung gegen die Ernennung des Griechen Melentije zum Metropoliten von Ohrid kam, stellte er sich an deren Spitze, wodurch er sich jedoch den tödlichen Haß des Bischofs zuzog. Den Auftrag, für den Bau einer bulgarischen Kirche in Istanbul in Mazedonien Beiträge zu sammeln, nutzte M., um seine Ideen im Stil eines Wanderpredigers im ganzen Land zu verbreiten. Da er den Aufruf um Beiträge mit nationalen Argumenten untermauerte, trug er viel zur mazedonischen Wiedererweckung bei, lieferte aber auch Melentije die Handhabe dafür, ihn bei den Türken als gefährlichen Staatsfeind anzuklagen. Daraufhin wurde er im Februar 1861 unter größten Sicherheitsvorkehrungen in Struga verhaftet und über Bitola in das Gefängnis von Istanbul gebracht, wo er nach zahlreichen Verhören im Januar 1862 vermutlich an Typhus starb.

Literatur

Šapkarev, Kuzman A.: Materijah za životopisanieto na bratja H. Miladinovi Dimitrija i Konstantina. Plovdiv 1884.
Dinekov, Petŭr: Deloto na Dimitŭr i Konstantin Miladinovi. Sofija 1961.
Polenakovik', Haralampie: Brak’ata Miladinovci i Vasil D. Čolakov. In: Godišen zbornik na Filozofskiot fakultet na Univerzitetot Skopje 14 (1962) 205-238.
Miladinovci. Zbornik 1861-1961. Skopje 1962.
Tabakov, Nikola: Bratja Miladinovi. Biografičen očerk. Sofija 1963.
Arnaudov, Mihail: Bratja Miladinovi. Život i dejnost. (1810, 1830-1862). Sofija 1943, 1969(2).  

Verfasser

Gottfried Prunkl (GND: 172322057)

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Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd118970828.html


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Empfohlene Zitierweise: Gottfried Prunkl, Miladinov, Dimitŭr, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 203-204 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1364, abgerufen am: (Abrufdatum)

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