Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Katharina II. (Ekaterina) Alekseevna

Katharina II. (Ekaterina) Alekseevna, Kaiserin von Rußland 1762-1796, * Stettin 2.05.1729, † Carskoe Selo 17.11.1796, ursprünglich Sophie Auguste Friederike Prin zessin von Anhalt-Zerbst, Tochter des preußischen Generals Fürst Christian August von Anhalt-Zerbst und der Johanna Elisabeth von Holstein, vermählt 1745 mit dem späteren Kaiser (1762) Peter III. von Rußland aus dem Hause Holstein-Gottorp.

Leben

K. kam durch einen Staatsstreich mit Hilfe ihr ergebener Gardeoffiziere an die Macht. Die Ermordung ihres Gatten im Juli 1762 hat sie nicht veranlaßt, wohl aber gebilligt. Die Regierungsjahre der im Geiste der Aufklärung hochgebildeten „philosophischen Herrscherin“ mit ausgeprägten intellektuellen Ambitionen und großem Kunstinteresse waren gekennzeichnet von zahlreichen gesetzgeberischen Akten, einer überaus erfolgreichen Expansionspolitik und vielen Kriegen. Im Innern war sie zunächst bestrebt, ihre dürftig legitimierte Herrschaft zu festigen. Diesem Zweck diente die von ihr 1767 einberufene Gesetzgebende Kommission, für die die „weise Mutter des Vaterlandes“ selbst eine „Instruktion zur Aufstellung eines Projektes für ein neues Gesetzbuch“ verfaßte. In der politischen Praxis stärkte sie, die sich nach außen so gern der Sprache der Neu- und Umgestaltung bediente, die überkommene Ordnung. Sie lieferte die leibeigenen Bauern mehr denn je den Gutsherren aus, deren Privilegien sie im „Gnadenbrief für den Adel“ (1785) zusammenfaßte. Die zunehmenden sozialen Spannungen führten zu vielen Erhebungen, deren tragischste mit dem Namen Pugačevs (1773/74) verbunden ist. Ihre Außenpolitik, die sie zunächst von Nikita Panin und ab 1780 von Aleksandr Bezborodko ausführen ließ, war vor allem gegen das Osmanische Reich gerichtet. Die bis zu ihrer Regierungszeit für Rußland wenig erfolgreichen Türkenkriege hatten K. bewogen, bewaffnete Auseinandersetzungen mit den Osmanen zu vermeiden. 1768 erklärte ihr jedoch die Pforte den Krieg. Die Ursache des Konflikts zwischen Rußland und der Türkei war vor allem in der wachsenden Einflußnahme Rußlands in Polen zu suchen. Hier war 1764 der russische Protégé Poniatowski als Stanislaus II. August zum König gewählt worden, der 1768 in einem Vertrag die polnische Verfassung ausdrücklich unter russische Garantie stellen mußte. Vermehrt wurde das türkische Mißtrauen durch eine wachsende Zahl auf dem Balkan tätiger russischer Agenten sowie durch einen Abenteurer unbekannter Herkunft, Šćepan Mali, der sich für den ermordeten Zaren Peter III. ausgab und sich von 1767 bis 1773 als Herrscher von Montenegro behaupten konnte. Als auch noch russische Truppen bei der Verfolgung polnischer Aufständischer die osmanische Grenze überschritten, marschierte das türkische Heer in Richtung Donau. K. war nun geneigt, die „Orientalische Frage“ einer gewaltsamen, für Rußland natürlich günstigen Lösung entgegenzuführen. Sie ging sogar so weit, sich die Vertreibung der Türken aus Europa zum Ziele zu setzen. Im Juni 1770 vernichteten die Admiräle Samuel Greig und John Elphinston unter der offiziellen Führung des Generaladmirals Aleksej Orlov die osmanische Flotte in der Bucht von Çeşme. 1771 gelang die Besetzung der Donaufürstentümer und die Eroberung der Küste des Azovschen Meeres und der Krim. Die Pläne für einen Aufstand der Balkanchristen und für die Befreiung Griechenlands scheiterten jedoch. K. unterbrach nun den Krieg, um mit Maria Theresia und Friedrich dem Großen die preußisch-österreichisch-russischen Konflikte auf Kosten Polens zu lösen. Die Österreicher betrachteten nämlich Rußlands Vordringen an die Donau als ein Risiko für die eigene Sicherheit, und auch Preußen war über die russische Machtausweitung auf Kosten der Türkei besorgt, da es nicht an das Osmanische Reich grenzte und keine Kompensationsforderungen an die Türkei stellen konnte. Das Resultat war die erste Polnische Teilung (1772). Danach setzte K. den Krieg gegen die Türken fort. Am 21. Juli 1774 waren diese, zu Lande noch mehrfach besiegt, gezwungen, den Diktatfrieden von Küçük Kaynarca zu unterzeichnen. Er brachte Rußland Kerč und Yenikale, den Distrikt zwischen Bug und Dnepr, die beiden Kabardeien, Fort Kim- burn und Azov. Die Mündungen von Don, Dnepr und Bug waren damit in russischer Hand. Zudem gewährte der Frieden Rußland freie Schiffahrt auf dem Schwarzen Meer und freie Durchfahrt durch die Meerengen. K. verschaffte sich das Recht, für die Donaufürstentümer und für Bessarabien bei der Pforte vorstellig werden zu dürfen. Die Krim wurde von beiden Mächten als unabhängig anerkannt. K. hatte es schon während des Krieges in ihrem illusionären „griechischen Projekt“ als „historisches Ziel“ bezeichnet, Konstantinopel dem christlichen Glauben zurückzugewinnen und auf die Hagia Sophia wieder das Kreuz zu setzen. Der im April 1779 geborene zweite Enkel der Zarin war ganz offensichtlich als künftiger Herrscher eines geplanten „Bosphoranischen Reiches“ ausersehen, worauf schon sein Name Konstantin hinweisen sollte. K. gründete außerdem in St. Petersburg ein Institut für griechische Kadetten, zog Griechen in den russischen Staatsdienst und berief griechische Geistliche zu hohen russischen kirchlichen Würdenträgern. Im Frühjahr 1780 trafen sich K. und Joseph II. in Mohilev zu Verhandlungen, die die Aufteilung der Türkei unter Rußland und Österreich zum Ziel hatten. Sie endeten 1781 in einem - aus einem Briefwechsel entstandenen - Geheim vertrag, der hauptsächlich die von beiden Ländern geschlossenen Verträge garantieren sollte und im Kriegsfall gegenseitige Hilfe zusicherte. Am 8. April 1783 verkündete K. die Annexion der Krim, doch die Pforte griff trotz dieses eindeutigen Bruchs des Friedens von Küfük Kaynarca nicht ein. Anlaß für die erneute Kriegserklärung der Pforte an Petersburg im August 1787 war vermutlich die Krimreise der Kaiserin, in der die Türken eine Provokation sahen. Die Kämpfe nahmen für Rußland und seinen Verbündeten Österreich zunächst einen glücklichen Verlauf. Nach dem Tode Josephs II. (20.11.1790) schloß dessen Nachfolger Leopold II. jedoch Frieden mit der Türkei (Sistowa/Svištov 1791), und Rußland setzte den Krieg allein fort. Nach dem Sieg des Generals Aleksandr Suvorov bei Izmail (Dezember 1790) nahm K. Friedensverhandlungen auf, da sie erkannt hatte, daß sie ohne österreichische Hilfe und gegen den spürbaren Widerstand der übrigen europäischen Mächte ihr großes Ziel - Konstantinopel und das Fürstentum Dazien - nicht erreichen konnte. Der Vertrag von Jassy (9.01.1792) bestätigte nicht nur den Frieden von 1774, sondern auch die Konvention von Aynali Kavak von 1779 und jene Akte vom Dezember 1783, die die Einverleibung der Halbinseln Krim und Taman’ in das Russische Reich und den Kuban als Grenze festsetzte. K. war jetzt freie Hand gegeben, die zweite und dritte Teilung Polens in Angriff zu nehmen. Als sie starb, war das Zarenreidi eine respektierte Großmacht im europäischen Staatensystem geworden.

Literatur

Arneth, Alfred von: Joseph II. und Katharina von Rußland. Ihr Briefwechsel. Wien 1869.
Brückner, Alexander: Katharina II. Berlin 1883.
Bil’basov, Vasilij Alekseevič: Istorija Ekateriny Vtoroj. 2 Bde. Petersburg 1890/91 (deutsch Berlin 1891/93).
Larivière, Charles de: Catherine la Grande d’après sa correspondance. Paris 1895.
Uebersberger, Hans: Rußlands Orientpolitik in den letzten zwei Jahrhunderten. Stuttgart 1913.
Thomson, Gladys Scott: Catherine the Great and the expansion of Russia. London 1950.
Družinina, Elena Ioasafovna: Kjučuk-Kajnardžijskij mir 1774 goda. Moskva 1955.
Hösch, Edgar: Das sog. „griechische Projekt“ Katharinas II. In: Jb. Gesch. Osteuropas N. F. 12 (1964) 168-206.

Verfasser

Klaus Appel

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  14. Germania Sacra Personendatenbank
  15. Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie (NL)
  16. Biographie in der Ostdeutschen Biographie (Kulturportal West-Ost) [Katharina II. die Große, (russ. Jekaterina II. Alexejewna) (russische Zarin; * 1729, 02.05.; † 1796, 17.11.)]
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  21. Mitglieder der Vorgaengerakademien der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
  22. 11 Plenarsitzungen der Preussischen Akademie 1746-1786 [Zarin von Rußland Katharina II.]
  23. Personendaten-Repositorium (PDR) an der BBAW (3)
  24. Bio-bibliographisches Register zum Archiv der Franckeschen Stiftungen
  25. edition humboldt digital hg. von Ottmar Ette
  26. August Wilhelm Ifflands dramaturgisches Archiv
  27. Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert
  28. MEGAdigital - Online-Angebot der historisch-kritischen Gesamtausgabe von Karl Marx und Friedrich Engels
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Empfohlene Zitierweise: Klaus Appel, Katharina II. (Ekaterina) Alekseevna, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 381-383 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1112, abgerufen am: (Abrufdatum)

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