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Károlyi, Sándor Graf, ungarischer Politiker und Volkswirtschaftler, * Pest 10.11.1831, † Menton (Frankreich) 24.04.1906, Onkel des Grafen Mihály K.
Leben
Die Familie K. gehörte in den dreißiger Jahren des 19. Jh.s zu der politischen Umgebung von István Széchenyi und unterstützte dessen Reformbestrebungen. 1849 nahm K. am ungarischen Freiheitskampf teil und emigrierte nach dem Zusammenbruch der Revolution nach Frankreich. Dort setzte er seine Studien fort und machte sich mit der Theorie des Soziologen Frédéric Le Play vertraut, dessen Anhänger er auch wurde. Nach der Amnestie kehrte K. 1859 nach Ungarn zurück und beschäftigte sich zunächst mit der Leitung seiner Besitzungen. Ende der 1870er Jahre trat er in das politische Leben ein und wurde Führer der Gruppe der sogenannten agrarischen Großgrundbesitzer, die der liberalen Regierung eine Bevorzugung des Großkapitals und der Industrie zuungunsten der Landwirtschaft vorwarf. Zentrum und Förderer der nun formulierten Bestrebungen wurde der bereits seit 1835 bestehende Landesverband der Gutsbesitzer (Országos Magyar Gazdasági Egyesület = OMGE). Auf die Initiative von K. wurde 1879 in Stuhlweißenburg der Landwirtekongreß zusammengerufen. Dieses Jahr kann als Beginn der Agrarierbewegung bezeichnet werden. 1881 wurde K. als Mitglied der Regierungspartei ins Parlament gewählt, doch bereits 1884 trat er zu der von Graf Albert Apponyi geführten „Gemäßigten Opposition“ über, in der er seine Reformvorschläge freier propagieren konnte. 1885 war er Vorsitzender des Internationalen Kongresses der Landwirte in Budapest. Im Unterschied zu den zeitgenössischen Großgrundbesitzern sah K. die Gefahr, die dem System des Großgrundbesitzes drohte und drang deshalb auf soziale Reformen. Im Interesse der Agrarierbewegung wollte er sich einer Massenbasis unter den Bauern versichern. Für dieses Ziel fand er die kreditgenossenschaftliche Bewegung am geeignetsten, zumal er wußte, daß sich breite Schichten des Bauerntums wegen des Wucherkapitals verschuldeten. 1886 organisierte K. im Komitat Pest die erste kommunale Kreditgenossenschaft; einige Jahre später wurde dann mit seiner finanziellen Unterstützung das „Zentrale Kreditinstitut der ungarischen Genossenschaften“ (Hazai Szövetkezetek Központi Hitelintézete) als Zentrale der damals auf dem Lande bereits existierenden Kreditgenossenschaften gegründet. 1898 ging aufgrund eines neuen Gesetzes diese Zentrale in der neugegründeten „Landeszentrale für Kreditgenossenschaft“ (Országos Központi Hitelszövetkezet) auf. In der neuen kreditgenossenschaftlichen Zentrale verlor K. seine leitende Stellung. Danach begann er mit dem Aufbau der Konsum- und Verkaufsgenossenschaft „Hangya“ (Ameise) auf dem Lande, die wiederum unter seiner Leitung stand. Auf K.s Anregung ging auch die Gründung des „Ungarischen Landwirtebundes“ (Magyar Gazdaszövetség) im Jahre 1896 zurück, der zwar eine Organisation des Bauerntums sein sollte, aber von Großgrundbesitzern geleitet wurde. K. war auch publizistisch tätig und versuchte seine wirtschaftspolitischen Vorstellungen in mehreren Veröffentlichungen zu erläutern. Seine Werke beziehen sich u. a. auf die Getreideausfuhr und die Wasserwege (Terménykivitelünk és a vízi utak, 1881), die Arbeiterfrage (Néhány szó a munkáskérdésről, 1895), die Organisation der Genossenschaften (Szervezkedés és szövetkezés, 1899) sowie auf die Umsiedlung von Bauern (A telepítés kérdéseihez, 1900).
Literatur
Kovalovszky, M. und A. Solt: Károlyi Sándor élete és alkotásai. Budapest 1942.
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