Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Irányi, Dániel
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Irányi, Dániel

Irányi (vor 1842 Halbschuh), Daniel, ungarischer Politiker, * Toporc (Toporec) 24.02.1822, † Nyíregyháza 2.11.1892, aus einer deutschen Bürgerfamilie der Zips.

Leben

I. gehörte derjenigen ungarländisch-deutschen Generation an, die ohne Widerstände in die in voller Entwicklung befindliche ungarische Kultur hineinwuchs. Er studierte Philosophie und Jura in Eperjes, wo er auch Vorsitzender des ungarischen Jugendvereins war. Nach dem Studium ging er 1842 nach Pest und arbeitete in einem Anwaltsbüro. Er betätigte sich zuerst im „Pester Verein“ (Pesti Kör), dann im daraus entstandenen „Oppositionsklub“ (Ellenzéki Kör); diese Vereine stellten das liberale außerparlamentarische Kampffeld des ungarischen Mitteladels und der Intellektuellen dar. An den Ereignissen vom März 1848 nahm I. bedeutenden Anteil. Er wurde nach der Aufstellung des ersten verantwortlichen ungarischen Ministeriums Ministerial- sekretär im Justizministerium. Einer der Wahlbezirke der Stadt Pest schickte ihn ins Parlament. Nach dem Angriff des kroatischen Bans Jelacic meldete er sich freiwillig zu den Honvéds. Er wurde dann auf Wunsch von László Újházi, dem Obergespan des Komitates Sáros, zum Regierungskommissar von Oberungarn ernannt, wo er mit Schärfe gegen die aulischen (dem Wiener Hof ergebenen) Freischaren vorging. Als die Regierung und das Parlament wegen der österreichischen Besetzung von Pest nach Debreczin fliehen mußten, ging I. mit. Im Reichstag bekämpfte er die „Friedenspartei“ und schloß sich der „Radikalpartei“ an, die über die 1848er Gesetze hinausging und die Ausrufung der Republik forderte. Nach der Zurückeroberung der Hauptstadt wurde I. am 25. April 1849 Regierungskommissar von Pest und Vorsitzender des Revolutionstribunals. Nach der Niederwerfung der Revolution mußte I. emigrieren. Er ging nach Paris und wurde einer der führenden Männer der ungarischen Emigration. Er wählte nun die Presse zu seinem Kampffeld und schrieb u. a. für die Zeitschriften „Siede“, „Presse“, „Opinione“ und „Alleanza“. Zusammen mit Charles-Louis Chassin verfaßte er eine politische Geschichte der ungarischen Revolution (Histoire politique de la révolution de Hongrie, 2 Bände, Paris 1859/60). 1859 wurde I. Sekretär des von Kossuth in Paris gegründeten „Ungarischen Nationaldirektoriums“ (Magyar Nemzeti Igazgatóság), das die Befreiung Ungarns vom Ausland aus vorbereitete. I. führte in dieser Eigenschaft 1866 im Aufträge Kossuths Verhandlungen mit Bismarck. Die Stadt Fünfkirchen wählte I. noch während seiner Emigration zu ihrem Abgeordneten (Juli 1868). Der Ausgleich von 1867 ermöglichte für I. die Rückkehr nach Ungarn. Er wurde 1869 Vorsitzender der „Achtundvierziger-Partei“ und verkündete in seinem Programm die Ideen der europäischen Demokratie: das allgemeine, geheime und gleiche Wahlrecht, die Gleichheit der Religionen; nicht zuletzt war er einer der Hauptver- fechter der weltlichen Eheschließung. Zu Beginn jeder Legislaturperiode brachte er im Abgeordnetenhaus einen entsprechenden Antrag ein. I. war bestrebt, seiner Partei auf parlamentarischem Wege zur Mehrheit zu verhelfen und bejahte die Zusammenarbeit mit den oppositionellen Fraktionen der Nationalitäten. Er stellte sich gegen den Kossuthschen Standpunkt, daß die habsburgische Macht durch eine neue revolutionäre Welle bezwungen werden müßte und bestand auf der Personalunion. Anstelle eines zentralistischen Staatsaufbaus hielt I. die Komitatsautonomie für wichtig, die in der Reformära die Unabhängigkeitstendenzen gegenüber der zentralistischen Macht des Wiener Hofes stärkte, aber mit dem wirtschaftlichen Fortschritt nunmehr im Widerspruch stand. 1874 wurde die „Achtundvierziger-Partei“ in „Unabhängigkeitspartei“ umbenannt, wobei die „Achtundvierziger“-Fraktion mit I. in die Isolation geriet. In I.s politischer Laufbahn ist die Tragik eines radikalen Politikers zu erkennen, der mit der durch die Revolution entstandenen Evolution sein politisches Gewicht verlor. I. nahm zwar weiterhin am politischen und kulturellen Leben teil, fand aber nicht mehr den Weg von der politischen Auseinandersetzung in die Praxis. Ein starkes Anliegen blieb für ihn die Machteinschränkung der katholischen Kirche; im Namen der Religionsfreiheit unterstützte er verschiedene Sekten wie die Nazarener und die Baptisten. I. selbst schrieb keine Memoiren, reagierte aber mit zwei kürzeren Schriften auf die Erinnerungen von Baron Zsigmond Kemény und József Madarász (Megjegyzések br. Kemény Zsigmond emlékirataira, Budapest 1883; Megjegyzések Madarász József emlékirataira, ebd. 1884).

Literatur

Hoitsy, Pál: Régi magyar alakok. Budapest 1923.
Hóman és Székfű: Bd 7, passim.
Déry, Suzanne: Un émigré hongrois en France. Daniel Irányi (1822-1892). Szeged 1943. = Etudes Françaises publiées par l’Institut Français de l’Université François-Joseph. 23.
Tóth, Ede: A Függetlenségi Párt megalapítása. In: Századok 97 (1963) 985-1016.

Verfasser

O. Zobel

GND: 12457422X

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd12457422X.html


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Empfohlene Zitierweise: O. Zobel, Irányi, Dániel, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 236-237 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1014, abgerufen am: (Abrufdatum)

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