Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Süleyman I.
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Süleyman I.

Süleyman I. (Kanunî, „der Gesetzgeber“), osmanischer Sultan 1520-1566, * Trapezunt 06.11.1494, † Szigetvár 07.09.1566, Sohn Selims I. und der Hafsa Hatun.

Leben

S. wuchs in Trapezunt auf, wo sein Vater Sandschakbey war. Im Jahre 1509 wurde dem Fünfzehnjährigen der Sandschak Kaffa übertragen. Nachdem sein Vater den Thron bestiegen hatte, wurde S. Sandschakbey von Saruhan in Manisa, wo er bis zum Tode Selims 1520 blieb. Während der Feldzüge Selims fungierte er stets als Stellvertreter des Sultans in Edirne. Solcherart mit den Grundlagen der praktischen Regierungskunst vertraut, bestieg S. sechsundzwanzigjährig den osmanischen Thron in einer Lage, wie sie kaum ein Sultan vor oder nach ihm vorgefunden hat. Da Selim I. alle potentiellen Rivalen innerhalb der Herrscherfamilie umgebracht hatte, blieb S. ein mörderischer Machtkampf erspart. Von seinem Vater konnte er eine uneingeschränkte Machtkontrolle über die Janitscharen und die Reste der türkischen Aristokratie übernehmen. Hinzu kam, daß Selims Eroberungen dem Reich eine ökonomische und politische Machtbasis bisher nicht dagewesener Größe gebracht hatten. Auf sie gestützt setzte S. die Eroberungspolitik seines Vaters fort. Hatte Selim hauptsächlich muslimisches Gebiet hinzugewonnen, so waren die Hauptkampfstätten osmanischer Expansion nun Ungarn und das Mittelmeer und der Hauptgegner die Habsburger, die der Papst mit religiöser und moralischer Unterstützung versah. Der erste Schlag galt dem unabhängigen ungarischen Königreich, das einen Puffer zwischen den beiden Imperien bildete. Im Jahre 1521 eroberte S. nach einmonatiger Belagerung Belgrad, was fortan einen wichtigen Stützpunkt für weitere Feldzüge bildete. In der Schlacht bei Mohács schlug er 1526 ein ungarisches Heer unter König Ludwig II., dem es nicht gelungen war, ausländische Hilfe herbeizuschaffen. S. verzichtete vorerst auf eine faktische Besitznahme des eroberten Gebietes und sorgte dafür, daß der habsburgfeindliche Fürst von Siebenbürgen Johann Szapolyai zum König gewählt wurde, den er dann zum osmanischen Vasallen machte. Die nördlichen Gebiete Ungarns wurden von dem von habsburgfreundlichen Adligen zum König gewählten Ferdinand I., dem Bruder Karls V., besetzt. Als Szapolyai jedoch von Ferdinands Truppen angegriffen wurde, zog S. nach Ungarn und unternahm 1529 einen Großangriff gegen Wien, der aber wegen des hartnäckigen Widerstandes und der begrenzten osmanischen Nachschubmöglichkeiten erfolglos blieb. Auch in einem zweiten Feldzug 1532 konnte er die Armee Ferdinands nicht zur offenen Feldschlacht zwingen und mußte sich darauf beschränken, die habsburgischen Gebiete zu verwüsten. Da sich an anderen Fronten beunruhigende Entwicklungen anbahnten und er keine militärische Entscheidung herbeiführen konnte, schloß S. 1533 auf der Basis des status quo einen Waffenstillstand. Ferdinand zahlte für den von ihm besetzten Teil Ungarns Tribut und erkannte Szapolyai als osmanischen Vasallen an. Dieser Vertrag hatte bis 1541 Gültigkeit, als Ferdinand nach dem Tode Szapolyais versuchte, dessen Erbe anzutreten, was Szapolyai ihm in einem Geheimvertrag versprochen hatte. Daraufhin rückten S.s Truppen in ganz Ungarn ein und machten es zur osmanischen Provinz. Damit war Ungarn als Pufferstaat zwischen den beiden Großmächten verschwunden, was zu stetigen Grenzkonflikten führte. Die Kämpfe zogen sich bis 1547 hin, als die Grenze in einem neuen Vertrag bestätigt wurde.
Nach Ungarn war das Mittelmeer Hauptaktionsfeld von Sultan S. Er trieb den von Selim begonnenen Ausbau der Flotte voran, um den Versuchen Karls V. zu begegnen, mit dem Niedergang der venezianischen Seemacht die Kontrolle über das Mittelmeer zu gewinnen. Im Jahre 1522 landete S. auf Rhodos und entriß die Insel den Johanniter-Rittern. Diese hatten sowohl die Mamluken als auch den aufständischen Canberdi Gazali unterstützt. Die Ritter erhielten freien Abzug und wurden von Karl V. auf Malta angesiedelt. Karl V. nahm den genuesischen Seehelden Andrea Doria in seine Dienste. Dieser besetzte einige Häfen auf der Morea, führte an osmanischen Ufern Raubzüge durch und störte erfolgreich die osmanische Seeverbindung zwischen Istanbul und Ägypten. Um dem Genuesen wirksamen Widerstand zu bieten, nahm S. den türkischen Freibeuterkapitän Hayreddin Barbarossa, der mit seiner Piratenflotte neben anderen nordafrikanischen Häfen Algier unter seine Kontrolle gebracht hatte, als Großadmiral in seine Dienste. Algerien wurde Provinz mit besonderem Status, die stets dem Großadmiral zugeteilt war. 1537 unternahm S. mit der Flotte einen Überfall auf Süditalien, den er jedoch erfolglos abbrechen mußte, als Venedig, verbittert über die den Franzosen 1536 im ersten türkischen Freundschaftsvertrag (Kapitulation) mit Frankreich zugestandene wirtschaftliche Vorrangstellung, auf seiten der Habsburger in den Krieg eintrat. Dennoch gipfelte der Krieg 1540 in einem bedeutenden osmanischen Seesieg bei Prevesa vor der albanischen Küste, wo die von Andrea Doria geführte Flotte der europäischen Alliierten entscheidend geschlagen wurde. Venedig schloß sofort einen Separatfrieden, in dem es alle Besitzungen in der Ägäis, auf der Morea und in Dalmatien verlor, aber seine Handelsposition im Osmanenreich zurückgewann. Mit dem Sieg bei Prevesa hatte S. die völlige Seeherrschaft im östlichen Mittelmeer, Sicherheit der osmanischen Küsten und Operationsfreiheit im westlichen Mittelmeer gewonnen. 1543 zog Hayreddin Barbarossa raubend an der italienischen Küste entlang und eroberte zusammen mit der französischen Flotte Nizza. Hayreddins Nachfolger eroberten Tripolis (1551) und verstärkten die osmanische Machtbasis im Magrib. Das Expansionsstreben S.s zielte jedoch auch nach Osten. Im Iran waren nach dem Tode Schah Ismā’īls Wirren ausgebrochen, aus denen S. wegen seines Engagements im Westen jedoch wenig Vorteil ziehen konnte. Als die kurdischen Herren von Bitlis den Osmanen den Gehorsam kündigten und zur gleichen Zeit die Statthalter Schah Tahmasps in Täbris und Bagdad S. ihre Unterwerfung anboten, brach S. zu einem Feldzug nach Osten auf. Es gelang ihm, 1534 Täbris und im nächsten Jahr Bagdad zu erobern. In zwei weiteren Feldzügen (1548 bis 1550 und 1554) konnte S. zwar safawidisches Gebiet besetzen, es gelang ihm jedoch nicht, die Armee des Schahs zu stellen. Jedesmal wenn S. im Winter wegen Nachschubschwierigkeiten die eroberten Gebiete räumte, rückte der Schah wieder nach. Schließlich schloß er 1555 in Amasya Frieden. Der Irak und die ostanatolischen Gebiete wurden als osmanisches Land bestätigt. Aserbeidschan und die Kaukasusgebiete mußten aufgegeben werden. Von Basra und Aden aus liefen osmanische Flotten nach Indien aus, um den von den Safawiden unterstützten Portugiesen die Herrschaft im Indischen Ozean streitig zu machen. Unter S. war im wesentlichen der geographische Rahmen des Osmanenreichs, wie es bis zum 19. Jh. bestehen sollte, abgesteckt. S. hatte das Osmanenreich auf den Höhepunkt seiner Macht geführt und durch den Vertrag mit Frankreich in die europäische Politik einbezogen. Der letzte Feldzug des Sultans galt dem neuen Habsburgerherrscher Maximilian II. Drei Tage vor der Eroberung der Festung Szigetvár in Ungarn starb er jedoch.
Was die innere Entwicklung des Reiches anbetraf, so mußte S. bei Regierungsantritt einen Aufstand des syrischen Statthalters Canberdi Gazali niederschlagen lassen und wenig später einer Aufstandsbewegung der schiitischen Kızılbaş in Anatolien Herr werden, die aber bei weitem nicht mehr so gefährlich waren, wie die Unruhen unter Bayezid II. und Selim I. Als die bedeutendste innenpolitische Leistung in der Regierungszeit S. ist wohl die umfangreiche gesetzgeberische Tätigkeit zu werten. Während S. im Abendland wegen seiner Prachtfülle, die er beim Empfang von Gesandten zur Demonstration seiner Macht zu entfalten pflegte, „der Prächtige“ genannt wird, gab ihm die türkische Historiographie den Beinamen „der Gesetzgeber“. In dem großen Gesetzbuch, das seinen Namen trägt, wurden vor allem das Landrecht und das Finanzrecht kodifiziert. Zugleich wurde das örtliche Gewohnheitsrecht mit den damit verbundenen Abgabeverpflichtungen im Rahmen von Steuerkonskriptionen zusammengestellt. Diese katastermäßige Erschließung des Reiches war insofern dringend erforderlich, als es für die Zentralverwaltung des Riesenstaates immer notwendiger wurde, über die Einkünfte des Staates und deren Verteilung zuverlässige Angaben zu haben. Eine hervorragende Gestalt der türkischen Innenpolitik unter S. war sein Großwesir und enger Freund Ibrahim Pascha, ein hochbegabter Politiker, der aus einfachen Verhältnissen aufgestiegen war. S. ließ den bald sehr selbstbewußten Großwesir 1536 töten, was wohl dem Einfluß seiner neuen Frau Hürrem Sultan zuzuschreiben war, die auch die Hinrichtung eines zweiten Großwesirs, des Kara Ahmed, im Jahre 1555 erwirkte. Auf S.s Befehl hin sind zahlreiche Bauwerke entstanden, so der gewaltige Komplex der Süleymaniye-Moschee in Istanbul, ein Werk des berühmten Architekten Sinan. S. „ der im Gegensatz zu seinem jähzornigen und strengen Vater als großmütig, bedacht und gerecht geschildert wird, war auch - der Tradition islamischer Herrscher folgend - ein Förderer von Kunst und Wissenschaft. Er selbst verfaßte unter dem Namen Muhibbî einen Divan.

Literatur

Jacob, Georg: Sultan Soliman des Großen Divan in einer Auswahl, mit sachlichen und grammatischen Einleitungen und Erl. sowie einem vollst. Glossar. Berlin 1903.
Lybyer, Albert Howe: The government of the Ottoman empire in the time of Suleiman the Magnificient. Cambridge 1913.
Mayda, T.: Dywan Muhibbiego. (Diss.) Warschau 1956.
Tauer, Felix: Solimans Wiener Feldzug. In: Archiv Orientálnı 24 (1956) 507-563.
Merriman, Roger Bigelow: Suleiman the Magnificent, 1520-1566. New York 1966.
Gökbilgin, M. Tayyib: „Süleyman I.“ In: Islam Ansiklopedisi Bd 11. Istanbul 1970(2), 99-155.
Matuz, Josef: Das Kanzleiwesen Sultan Süleymāns des Prächtigen. Wiesbaden 1974.
Ders.: Süleyman der Prächtige (Soliman). In: Die Großen der Weltgeschichte. Bd 4. Zürich 1974, 960-976.

Verfasser

Klaus Schwarz (GND: 131706578)

GND: 118619993

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd118619993.html


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Empfohlene Zitierweise: Klaus Schwarz, Süleyman I., in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 228-231 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1718, abgerufen am: (Abrufdatum)

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