Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Miloš Obrenovič
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Miloš Obrenovič

 Miloš Obrenović, serbischer Fürst 1817-1839 und 1858-1860, * Dobrinja (Bezirk Užice) 19.03.1780, † Topčider 26.09.1860, Sohn des Bauern Teodor Mihailović und der Višnija, verheiratet (ab 1817) mit Ljubica Vukomanović.

Leben

Der Begründer der serbischen Herrscherdynastie der Obrenovići, Miloš Teodorović, legte sich 1810 den Namen Obrenović nach seinem älteren Stiefbruder und Gönner Milan Obrenović zu (seine Mutter war in erster Ehe mit Obren Martinović verheiratet gewesen). Milan hatte sich als Viehhändler in Brusnica eine Existenz aufgebaut und dem jungen M. mit seinen anderen Brüdern Jovan und Jevrem als Knecht und Handlanger eine Arbeitsmöglichkeit gegeben. Im Schatten Milans stand zunächst auch die politische Karriere M.s nach dem Ausbruch des ersten serbischen Aufstandes von 1804, in dem sich Milan als fähiger lokaler Aufstandsführer (voevoda) bewährte. Unter seinem Kommando kämpfte M. im Raume Rudnik, Požega und Užice. Als Milan 1810 unvermutet im russischen Hauptquartier in Bukarest starb, folgte ihm M. als militärischer Befehlshaber und beteiligte sich in der Folgezeit zum Teil gemeinsam mit Karadjordje an wichtigen Operationen der serbischen Verbände. In den aufbrechenden innenpolitischen Streitfragen schlug er sich auf die Seite der Gegner Karadjordjes um Milenko Stojković, Petar Dobrnjac und Jakov Nenadović. Der Verdacht, Karadjordje habe beim Tode des Stiefbruders die Hand im Spiel gehabt, sollte das beiderseitige Verhältnis nach 1810 auf Dauer belasten. Vorübergehend wurde M. sogar seiner Ämter enthoben. In der Endphase des Aufstandes stellte M. gegenüber dem draufgängerischen und impulsiveren Karadjordje, der schließlich angesichts der ausweglosen Situation kapitulierte und sich auf österreichisches Territorium begab (03.10.1813), sein größeres diplomatisches Geschick unter Beweis. Mit seinen gemäßigten Forderungen erwarb er das Vertrauen der Türken, das er nach der endgültigen Niederschlagung der Erhebung in Unterhandlungen mit den lokalen Instanzen, besonders Süleyman Pascha Skopljak von Belgrad, zugunsten seiner Landsleute (Amnestiegewährung) verwandte. Er fand sich zu einer beschränkten Zusammenarbeit bereit und wurde dafür zum Oberknez (Vrhovni knez) von Rudnik, dann auch von Požega und Kragujevac, bestellt. Ein dauerhafter Erfolg war dieser Politik einer mehr evolutionären Entwicklung der serbischen Freiheit und Eigenstaatlichkeit zunächst nicht beschieden. Türkische Übergriffe zwangen M. noch 1815, an die Spitze eines zweiten Aufstandes zu treten, der am Palmsonntag feierlich in der Kirche von Takovo ausgerufen wurde. Die veränderte internationale Lage nach dem Ende der Napoleonischen Kriege begünstigte diesmal die serbischen Insurgenten in ihren Zielsetzungen mehr als ein Jahrzehnt zuvor. Der Ausbruch des griechischen Freiheitskampfes 1821 steigerte die Interventionsbereitschaft der Großmächte zugunsten der Balkanchristen und zwang Sultan Mahmud II. zu echten Zugeständnissen (im Sinne des Artikels 8 des Bukarester Friedensvertrages von 1812). Noch am 6. November 1815 hatte M. im Abkommen mit Marazlı Ali Pascha die Anerkennung weitgehender Autonomierechte der Serben im Paschalik Belgrad erreicht, ebenso die informelle Bestätigung seiner Stellung als Führer der Serben. Er konnte diese nach der von ihm veranlaßten Ermordung Karadjordjes, der 1817 aus dem Exil zurückgekehrt war, und nach der gewaltsamen Ausschaltung innenpolitischer Gegner weiter festigen. Eine Nationalversammlung (skupština) wählte ihn am 6. November 1817 zum erblichen Fürsten. Obwohl die Wahl 1827 in Kragujevac bestätigt wurde, fand sich die Hohe Pforte erst 1830 zu einer förmlichen Anerkennung bereit. In der Zwischenzeit war dank der tatkräftigen russischen Unterstützung eine Sicherung der serbischen Autonomie in völkerrechtlich verbindlichen Formen und ein weitgehendes Entgegenkommen in den Grenzregulierungen erreicht worden (Konvention von Akkerman 1826, Friede von Adrianopel 1829, Hattischerif von 1830 bzw. von 1833). Die notwendige innere Konsolidierung des Fürstentums sollte M. trotz hoffnungsvoller Ansätze (z. B. auf dem Gebiete der Wirtschaftspolitik, des Rechts- und Bildungswesens) nicht in gleicher Weise gelingen. Dazu fehlten dem machtbesessenen und skrupellosen Herrscher der echte Wille zum Ausgleich mit den unterschiedlichen Interessen innerhalb der politischen Führungskreise. Der wachsende Unmut über sein despotisches Regime, das auch vor brutalen Maßnahmen nicht zurückschreckte, und über die Unverfrorenheit, mit der er persönliche wirtschaftliche Vorteile verfolgte (z. B. Außenhandelsmonopole zu seinen Gunsten) führten zu einer Sammlung oppositioneller Gruppen. Unter dem Eindruck der Unruhen vom Januar 1835 (sog. „Miletina buna“ unter Führung von Mileta Radojković, der Kragujevac besetzte) ließ M. eine erste serbische Verfassung (sog. Sretenjski ustav) ausarbeiten, die weitgehend westlichen konstitutionellen Ideen nachgebildet war. Mit ihren liberalen Grundsätzen erregte sie in gleicher Weise das Mißfallen des Sultans wie Österreichs und Rußlands, so daß sich M. der in ihr enthaltenen Beschränkungen der Fürstengewalt rasch wieder entledigen konnte. Das Vertrauen der Mächte - insbesondere Rußlands - in seine Regierung hatte er aber verspielt. Die „Verfassungshüter“ (ustavobranitelji, geführt von Jevrem Obrenović , Toma Vučić-Perišić und Avram Petronijević) erreichten mit der vom Sultan 1838 erlassenen neuen Verfassung (sog. Turecki ustav) ein starkes oligarchisches Gegengewicht zum Herrscher in Gestalt eines 17köpfigen Staatsrates, dessen Mitglieder auf Lebenszeit bestellt wurden. Am 13. Juni 1839 wurde M. zum Thronverzicht zugunsten seines Sohnes Milan gezwungen und mußte außer Landes gehen. Er lebte zunächst in Wien im Exil, nach 1848 zog er sich auf seine Besitzungen in der Walachei zurück. Am 23. Dezember 1858 beschloß die Skupština - nach den Zwischenregierungen Milan Obrenović († 08.07.1839), Michael Obrenović (1839-1842) und Alexander Karadjordjević (1842-1858) - die Rückberufung des 78jährigen auf den Fürstenthron und ehrte den im Volke immer noch populären Herrscher als „Vater des Vaterlandes“. In seiner kurzen zweiten Regierungszeit, die durch eine rigorose Abrechnung mit den alten Gegnern gekennzeichnet war, sicherte M. seiner Familie erneut die Erblichkeit des Fürstenamtes (Skupština-Beschluß vom 10.10.1859). Sein Ziel, in Unterhandlungen mit der Hohen Pforte den Abzug der verbliebenen türkischen Garnisonen zu erwirken, erreichte er nicht mehr. M. hat seine Herkunft aus bescheidenen Verhältnissen nie verleugnen können. Er ist zeit seines Lebens ein Analphabet geblieben, aber seine unbestreitbare natürliche politische Begabung hat ihn ohne Zweifel zu einem der erfolgreichsten Förderer der serbischen Eigenstaatlichkeit im 19. Jh. werden lassen.

Literatur

Kunibert, Bartol: Srpski ustanak i prva vladavina Miloša Obrenovića 1804-1850. Beograd 1901.
Gavrilović, Mihailo: Miloš Obrenović. 3 Bde. Beograd 1908/12.
Jovanović, Slobodan: Druga vlada Miloša i Mihaila. Beograd 1933.
Stojančević, Vladimir: Knez Miloš i istočna Srbija 1833-1838. Beograd 1957.
Ders.: Miloš Obrenović i njegovo doba. Beograd 1966.
Ćetković, Jovan: Karadjordje i Miloš, 1804-1830. Beograd 1960.
Gladt, Karl: Kaisertraum und Königskrone. Aufstieg und Untergang einer serbischen Dynastie. Graz, Wien, Köln 1972.
Protokol kneza Miloša Obrenovića 1824-1825. Hrsg. Vasilije Krestić u. Nikola Petrović. Beograd 1973.

Verfasser

Edgar Hösch (GND: 105823724)

GND: 119060744

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd119060744.html


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Empfohlene Zitierweise: Edgar Hösch, Miloš Obrenovič, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 214-216 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1371, abgerufen am: (Abrufdatum)

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