Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Mehmed VI.
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Mehmed VI.

Mehmed VI. Vah(i)deddin, osmanischer Sultan 1918-1922, * Istanbul 02.02.1861, † San Remo 16.05.1926, Sohn von Sultan Abdülmecid I.

Leben

 M. erhielt im Gegensatz zu seinen Vorgängern keine ordentliche Ausbildung und war bereits 57 Jahre alt, als er als Nachfolger seines Bruders Mehmed V. Reşad am 4. Juli 1918 den osmanischen Thron bestieg. Sein Ziel war es zunächst, die drohende Niederlage der Mittelmächte durch Nachgiebigkeit gegenüber den Alliierten und im Vertrauen auf die Vierzehn Punkte Wilsons für die Türkei erträglich zu gestalten und dabei den Fortbestand seiner Dynastie zu sichern. Nach dem Zusammenbruch Bulgariens schickte er durch Vermittlung des 1916 bei Kūt al-‘Amāra gefangenen englischen Generals Townshend unter Marineminister Rauf Bey eine Delegation zu Admiral Galthrope, dem Befehlshaber der britischen Mittelmeerflotte, und ließ am 30. Oktober 1918 den harten Waffenstillstand von Mondros/Moudros (auf der Insel Limnos) unterschreiben. Die Jungtürken wurden nach der Flucht ihrer führenden Köpfe Enver, Talât und Cemal Pascha aus den Ämtern entfernt und verfolgt. Während die Italiener am 29. April 1919 in Antalya und die Griechen am 15. Mai des gleichen Jahres in Izmir landeten, bildeten sich in den Provinzen Vereinigungen zur Wahrung der Rechte der türkischen Bewohner, die sich meist auf verbliebene Armeeeinheiten stützen konnten. Die Entsendung Mustafa Kemal Paschas als Armeeinspekteur zur Überwachung der Demobilisierung in Anatolien (Mai 1919) sollte sich für die osmanische Herrschaft verhängnisvoll auswirken, denn dieser trat von seinen militärischen Aufgaben zurück und gründete auf den Kongressen von Erzurum und Sivas eine nationale Gegenbewegung, die in fast allen Provinzen Gefolgschaft fand und zunächst eine Neueinberufung des Parlaments in Istanbul erzwang. Dessen Tätigkeit erregte das Mißfallen der Alliierten, die am 16. März 1920 die Hauptstadt offiziell besetzten und führende Nationalisten und Intellektuelle nach Malta deportierten. Mustafa Kemal nahm dies zum Anlaß, das Ende des osmanischen Staates zu erklären und in Ankara zum 23. April 1920 die Große Türkische Nationalversammlung einzuberufen, die prompt eine Gegenregierung aufstellte und den am 16. August 1920 von der osmanischen Regierung Unterzeichneten Friedensvertrag von Sèvres nicht anerkannte. In Thrazien besetzten die Griechen am 25. Juli 1920 Edirne, zwangen die verbliebenen türkischen Truppen zum Übertritt über die bulgarische Grenze und richteten eine neue Verwaltung ein. Die türkische Politik wurde nun von Ankara aus gemacht und war vor allem vom militärischen Kampf gegen die griechischen Besatzungstruppen geprägt (10.01. und 23.03. - 01.04.1921 Schlachten bei Inönü, 30.08.1922 entscheidender Sieg bei Dumlupinar, 09.09. Einzug in Izmir). Ab Mai 1922 setzte von bulgarischem Boden aus die Tätigkeit türkischer Banden in Thrazien ein. Die Konferenz von Mudanya (03.-11.10. 1922; Inkrafttreten des Vertrages am 15.10.) brachte u. a. die Räumung der europäischen Türkei durch die Griechen, denen zuerst alliierte, dann türkische Truppen unter Refet Pascha folgten. Jetzt gelangte auch Istanbul in den Machtbereich der Regierung von Ankara (19.10. 1922). Man beschloß eine Teilung zwischen Sultanat und Kalifat und bezeichnete ersteres als in die Geschichte eingegangen (01.11.1922). Am 4. November trat die letzte osmanische Regierung unter Tevfik Pascha zurück. M. hoffte zunächst, als Kalif weiter im Amt bleiben zu können, fürchtete dann jedoch um seine Sicherheit und verließ am 17. November auf einem britischen Kriegsschiff Istanbul. Uber Malta reiste er auf Einladung des hāšimitischen Großšerifen und seinerzeitigen Königs des Hedschas Ḥusain (einem Urgroßvater des Königs Ḥusain von Jordanien) nach Mekka und verkündete dort eine wirkungslose Erklärung über die Ungesetzlichkeit einer Teilung von Sultanat und Kalifat nach islamischem Recht. Uber Genf ging er schließlich nach San Remo, wo er seinen letzten Wohnsitz nahm.

Literatur

Jäschke, Gotthard: Die Türkei seit dem Weltkriege. Geschichtskalender 1918-1932. In: Die Welt des Islams 10 (1927-29) 1-154; 12 (1930-31) 1-50, 137-166; 15 (1933) 1-33.
Howard, Harry N.: The Partition of Turkey: A Diplomatic History, 1913-1923. Norman, Oklahoma 1931.
Türkgeldi, Ali Fuad: Görüp işittiklerim. Ankara 1951(2).
Bıyıklıoğlu, Tevfık: Trakya’da millî mücadele. 2 Bde. Ankara 1955/56.
Akşin, Sina: Istanbul hükümetleri ve millî mücadele. Istanbul 1976.

GND: 119160641

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd119160641.html


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Empfohlene Zitierweise: Hans-Jürgen Kornrumpf, Mehmed VI., in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 144-145 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1324, abgerufen am: (Abrufdatum)

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