Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Kazinczy, Ferenc
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Kazinczy, Ferenc

Kazinczy, Ferenc, ungarischer Schriftsteller und Spracherneuerer, * Érsemlyén (Komitat Bihar) 27.10.1759, † Széphalom (Komitat Abaúj) 23.08.1831, aus einer adeligen Familie.

Leben

 K. wurde von seinem Vater bereits als Kind nach Käsmark geschickt, um deutsch zu lernen. Ab Herbst 1769 besuchte er dann das reformierte Kollegium in Sárospatak. Nach einem Studienaufenthalt in Wien 1777/78 absolvierte er das Jurastudium und war anschließend in Eperjes und Pest im Justizdienst tätig. Unter dem Einfluß literarischer Freunde (János Batsányi, Gergely Berzeviczy, Ferenc Verseghy) und der Kirchenpolitik Josephs II. gehörte er bald zum Lager der protestantischen Anhänger des Kaisers. Dieser Umstand trug mit dazu bei, daß er - nach zweijährigem Dienst in den Komitaten Zemplin und Abaúj Ende 1784 bis Ende 1786 - von Gottfried van Swieten, dem Vorsitzenden der Wiener Studienhofkommission, zum oberungarischen
 Schulinspektor mit dem Sitz in Kaschau ernannt wurde. Die einflußreiche Stellung, in der K. zum Vorkämpfer einer die Religiosität in den Hintergrund drängenden aufgeklärten staatsbürgerlichen Erziehung wurde, behielt er bis zum April 1791, als man ihn nach dem Tode Josephs II. aus dem Staatsdienst entließ. Im Jahre 1788 übersetzte K. die „Idyllen“ von Salomon Geßner und übertrug in den kommenden Jahren als erster mehrere Werke von Goethe, Herder, Lessing, Metastasio und Wieland sowie Rousseaus „Contrat social“ ins Ungarische. Mit Dávid Baráti Szabó und János Batsányi zusammen gründete er 1788 in Kaschau die erste für den adeligen Widerstand und die Aufklärung bedeutende literarische Zeitschrift: „Magyar Museum“. Übersetzungen wie eigene Werke aus dieser Zeit zeugen von seiner politischen Radikalisierung. 1790 begrüßte K. bereits den Sieg des nationalen Widerstandes, von dem er sich die Blüte der Aufklärung und der neuen ungarischen Literatur versprach. Wie auch andere bedeutende Persönlichkeiten seiner Zeit wurde K. Freimaurer (1784) und kam so mit den Führern der ungarischen reformistischen Geheimgesellschaft (József Hajnóczy, Ignaz Martinovics) in Verbindung. Nach Entdeckung dieser von den Jakobinern der Französischen Revolution beeinflußten Gesellschaft wurde am 14. Dezember 1794 auch K. verhaftet. Während deren fünf Führer im folgenden Mai in Ofen hingerichtet wurden, mußte K. in verschiedenen Gefängnissen der österreichischen Monarchie eine Strafe verbüßen und kam erst Ende Juni 1801 frei. 1804 heiratete er die Gräfin Sophie Török, Tochter des früheren Kaschauer Distriktsdirektors, seines ehemaligen Vorgesetzten. Zwei Jahre später ließ er sich mit seiner Frau auf seinem Gut im Komitat Abaúj nieder, das von K. Széphalom (d. h. schöner Hügel) genannt wurde. Eine politische Reformtätigkeit war nicht mehr möglich, und K. widmete sich von nun an hauptsächlich der Reform der ungarischen Sprache. 1808 legte er bereits in seiner unveröffentlicht gebliebenen „Tübingai Pályairat“ (Tübinger Preisschrift) dar, daß die Entwicklung der Nationalsprache zur Hebung des geistigen und materiellen Niveaus des Volkes unerläßlich sei und forderte, daß das Ungarische die offizielle Sprache werden solle. Zwei Gedichtsammlungen K.s lösten schließlich 1811 den Kampf für die Spracherneuerung im engeren Sinne aus. Die ungarische Sprache sollte den Begriffen der westlichen Gedankenwelt und der beginnenden Industrialisierung angepaßt werden. Damit verbunden sollte es auch zu einer stilistischen Umgestaltung der Schriftsprache kommen, wobei K. die klassische Einfachheit und Würde im Stile Goethes vorschwebte. Mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Wirken von Johann Christoph Gottsched hat dieser Kampf nahezu zwei Jahrzehnte gedauert und endete mit einem vollen Erfolg für K., der seine Prinzipien auch durch einen immensen Briefwechsel propagierte (insgesamt 23 Bände, Budapest 1890/1960). Seine Studie „Orthológus és neológus nálunk és más nemzeteknél“ (Orthologe und Neologe bei uns und anderen Nationen) ist eine Zusammenfassung des Kampfes für die Spracherneuerung. Von bleibendem Wert sind K.s drei autobiographische Arbeiten: „Pályám emlékezete“ (Erinnerungen aus meiner Laufbahn, 1879, neueste Ausgabe 1960; reicht bis 1805), „Fogságom naplója“ (Tagebuch meiner Gefangenschaft, 1931) und „Erdélyi levelek“ (Briefe aus Siebenbürgen, 1880). Das Tagebuch aus der Gefangenschaft enthält sein politisches Bekenntnis. Im Jahre 1831 fiel K. der letzten großen Choleraepidemie zum Opfer.

Literatur

Négyesy, László: Kazinczy pályája. Budapest 1931.
Horváth, János: Kazinczy emlékezete. In: Budapesti Szle 223 (1931) 166-190.
Halász, Gábor: Kazinczy emlékezete. In: Ders.: Az értelem keresése. Budapest 1938.
Benda, Kálmán (Hrsg.): A magyar jakobinusok iratai. 3 Bde. Budapest 1952/57.
S. Heksch, Ágnes: Kazinczy és II. József művelődéspolitikája. In: Pedagógiai Szemle 6 (1956) 74-108.
Szauder, József: (Einleitung zu) Kazinczy Ferenc válogatott művei. 2 Bde. Budapest 1960.
Ders.: Kazinczy útja a jakobinus mozgalom felé. In: Ders.: A romantika útján. Budapest 1961.

Verfasser

László Possonyi (GND: 126857636)

GND: 118721429

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd118721429.html


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Empfohlene Zitierweise: László Possonyi, Kazinczy, Ferenc, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 391-393 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1118, abgerufen am: (Abrufdatum)

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