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Jelačić von Bužim, Josip (Josef) Graf, österreichischer Feldzeugmeister und kroatisch-slawonisch-dalmatinischer Banus 1848-1859, * Peterwardein (Petrovaradin) 16.10. 1801, † Zagreb 20.05.1859.
Leben
J., der älteste Sohn des Feldmarschalls Franz Baron von J., entstammte einer kroatischen Adelsfamilie, die seit dem 16. Jh. zahlreiche Offiziere und Grenzsoldaten gestellt hatte und im kroatischen Turopolje auf den Besitzungen Buzim, Kurilovec und Mala Mlaka beheimatet war. Nach dem Tod des Vaters (1810) besuchte J. das Wiener Theresianum und wurde 1819 Leutnant in einem Dragonerregiment in Galizien. Infolge einer Erkrankung mußte er sich 1824 vorübergehend aus dem Dienst zurückziehen und schrieb während der Genesungszeit deutsche Gedichte, die 1825 (und abermals 1851) veröffentlicht wurden. Anschließend kehrte er zu seiner Einheit zurück und hielt sich von 1826 bis 1830 wieder in Galizien auf. 1831 wurde er Hauptmann im Oguliner Grenzregiment 3 und war bis 1835 in Italien eingesetzt. Zwei Jahre später stieg er zum Major im Infanterieregiment 48 auf und war dem Kommandanten für Dalmatien als Adjutant zugeteilt, 1841 wurde er Oberstleutnant und Kommandeur des Gliner Grenzregiments, am 23. März 1848 - während der sich überstürzenden Ereignisse - folgte seine Ernennung zum Generalmajor und 14 Tage später zum Feldmarschall und Geheimen Rat. Mit dem Sturz des Metternichschen Systems und der magyarischen Unabhängigkeitsbewegung vom März 1848 war die staatsrechtliche Stellung Kroatiens gegenüber Ungarn bei J. und seinem illyrischen Freundeskreis in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Die magyarischen Bestrebungen beeinträchtigten nicht nur die Interessen des Wiener Hofes und der Gesamtmonarchie, sondern gefährdeten auch - zumindestens aus Zagreber Sicht - die nationale und wirtschaftliche Emanzipation der Kroaten, so daß sich Wien und Zagreb in einer Art negativer Interessenkonvergenz gegen den revolutionären magyarischen Nationalismus zusammenfanden. Da die Kroaten in dieser Situation weder durch einen Banus noch durch einen Landtag politisch repräsentiert waren, wurde J. auf den unterschiedlich motivierten Vorschlag Baron Franz Kulmers (aus dem Kreis der Konservativen) und Ljudevit Gajs (des „Führers“ der illyrischen Bewegung) hin am 23. März ohne Wissen des am 18. März zum ungarischen Ministerpräsidenten bestellten Ludwig Batthyány von König Ferdinand zum kroatischen Banus ernannt und zwei Tage später durch Akklamation in der Zagreber Volksversammlung (Narodna skupština) in seinem Amt bestätigt. Obwohl sich J. an die Beschlüsse der Volksversammlung (Aufhebung der Feudalbeziehungen auf dem Lande u. a.) hielt, betrachtete er nicht die Wahl, sondern allein den königlichen Willen als gesetzliche Grundlage seiner Banalwürde. Ganz im Sinne des Austroslawismus der illyrischen Volkspartei (Narodna stranka) sah er in der Aufrechterhaltung eines verfassungsmäßigen Österreich die Grundlage für die Freiheit der slawischen Völker in der Monarchie. Nachdem sich seine Hoffnung auf Verständigung mit den Magyaren auf der Basis nationaler Gleichberechtigung und „per pacta“ an der fehlenden Kompromißbereitschaft der Pester Regierung zerschlagen hatte, ordnete J. durch Rundschreiben vom 19. April den Abbruch der amtlichen Beziehungen Kroatiens und Slawoniens zu Ungarn bis zur Einberufung des kroatischen Landtags (Sabor) an. Auf das Betreiben der Pester Regierung mußte der König jedoch am 6. Mai - wider seinen Willen, aber gebunden an die Vorschriften der durch die Aprilgesetze sanktionierten ungarischen Verfassung - den Palatin Erzherzog Stephan ermächtigen, einen königlichen Kommissar in Kroatien (vorgesehen war Feldmarschall-Leutnant Baron Johann Hrabovszky von Hrahova) einzusetzen. Getrieben von der heftigen Reaktion der kroatischen Öffentlichkeit und in der festen Überzeugung, daß die künftigen staatsrechtlichen Beziehungen Kroatiens zu Ungarn allein durch den Sabor geregelt werden könnten, veröffentlichte J. dennoch am 18. Mai eine Anordnung über den Zusammentritt des Sabor. Abermals gelang es der Pester Regierung, den König zu einem Verbot der vorgesehenen Maßnahmen zu veranlassen. Gleichzeitig wurde J. durch königliches Handschreiben vom 29. Mai aufgefordert, sich persönlich am Hof zu verantworten. Erst die Androhung der kroatischen Banalkonferenz, die Abreise J.s notfalls mit Gewalt zu verhindern, ermöglichte die Eröffnung des Landtags am 5. Juni, der J. auf seiner ersten Sitzung in der Banalwürde bestätigte und mit der Ausarbeitung einer neuen Verfassung für die Gesamtmonarchie auf der Grundlage „vollständiger Gleichheit aller Nationalitäten“ begann. Der wenige Tage zuvor in Kroatien eingetroffene Hrabovszky war bereits nach einer ersten Besprechung mit dem Banus am 30. Mai in Gradec bei Križevci aus bisher ungeklärten Gründen wieder nach Österreich zurückgekehrt, so daß J. - durch den Beschluß des Landtags legitimiert, jedoch in offenem Ungehorsam gegenüber dem König und dem ungarischen Ministerium - die volle Gewalt in Kroatien innehatte. Nachdem ein Banalrat institutionalisiert und die weiteren Tagungen des Sabor auf den 26. Juni verschoben worden waren, reiste J. an der Spitze einer Sabor-Delegation zu seiner Rechtfertigung nach Innsbruck ab. Obgleich er vom dortigen Hof mit Wohlwollen empfangen worden war, erfuhr er auf der Heimreise von zwei durch Batthyány am 18. Juni im ungarischen Amtsblatt „Közlöny“ veröffentlichten königlichen Manifesten (vom 10. Juni), die ihn wegen Unbotmäßigkeit seiner Ämter und Würden enthoben und in den Anklagezustand versetzten. Der kroatische Landtag war allerdings nicht bereit, sich mit diesem Stand der Dinge abzufinden (er erwog sogar, das Haus Habsburg abzusetzen), und verlieh J. am 29. Juni diktatorische Vollmachten. Kurz zuvor (am 19. Juni) war Erzherzog Johann vom König zum Vermittler zwischen Ungarn und Kroatien ernannt worden, ohne daß die königliche Entscheidung vom 10. Juni formal zurückgenommen worden wäre. Die anschließend mit Vertretern der Pester Regierung in Wien geführten Gespräche über die staatsrechtlichen Beziehungen zwischen Kroatien und Ungarn zerschlugen sich abermals an der Weigerung der Magyaren, den Kroaten (und südungarischen Serben) Konzessionen in der Frage der politischen und territorialen Integrität aller Länder der Stephanskrone zu machen. Die Situation spitzte sich damit auf eine militärische Entscheidung zwischen beiden Lagern zu. Nach den Erfolgen der kaiserlichen Heere in Prag und Oberitalien entschloß sich auch der König, offensiv gegen die magyarischen Revolutionäre vorzugehen. Am 4. September wurde J. neu in seiner Würde als Banus bestätigt. Am 11. überschritt er mit seinen Truppen (ca. 40 000 Mann) die Drau nach Ungarn, verzichtete jedoch nach einer unentschiedenen Schlacht bei Päkozd am 29. September auf den weiteren Vormarsch nach Pest und wandte sich der unruhigen Kaiserhauptstadt im Westen zu. Fast gleichzeitig waren ihm durch königliches Manifest kommissarische Vollmachten in Ungarn und der Oberbefehl über alle dortigen Truppen der Länder der Krone verliehen worden. J. stand damit auf dem Höhepunkt seiner Macht. An seine Stellung knüpften sich die Hoffnungen der österreichischen Slawen (vor allem der Tschechen) auf eine föderative Umgestaltung der Monarchie. Den reaktionären Kreisen am Hof gelang es jedoch rechtzeitig, J. dem Oberkommando ihres Kandidaten, des Fürsten Alfred zu Windisch-Graetz, beim Sturm auf das aufständische Wien zu unterstellen. Am 30. Oktober besiegte J. das magyarische Heer bei Schwechat und besiegelte damit auch das Schicksal der Wiener Revolution, die von den slawischen Repräsentanten als großdeutsch und gefährlich für die kleinen slawischen Völker betrachtet worden war. Es folgten weitere Schlachten in Ungarn unter dem formalen Oberkommando von Windisch-Graetz, der mehr als einmal versuchte, die Pläne des zum Feldzeugmeister beförderten J. zu durchkreuzen. . Das ständige Erstarken der Reaktion (vor allem nach der Thronbesteigung Franz Josephs I.) machte auch bald deutlich, daß die Erwartungen der österreichischen Slawen und J.s auf Föderalisierung und Demokratisierung der Monarchie einer realen Grundlage entbehrten. Zwar wurde J. am 2. Dezember zum Gouverneur von Fiume und Dalmatien ernannt und vereinte damit in seiner Macht erstmals seit Jahrhunderten wieder die Mehrheit der kroatischen Länder, doch belastete sein loyales - wenngleich problematisches - Verhältnis zu Windisch-Graetz sein Ansehen bei den übrigen slawischen Völkern. Obwohl er sich einerseits (vergeblich) für die Durchführung der Beschlüsse des kroatischen Landtags und die Vereinigung der südslawischen Länder in einem Königreich Illyrien einsetzte, so führte er doch andererseits die Anordnungen der Wiener Regierung und ihren zunehmend absolutistischen Kurs ohne tatsächlichen Widerstand durch. Nachdem es ihm noch gelungen war, die Ernennung Josip Juraj Strossmayers zum Bischof von Djakovo und die Erhebung des Zagreber Bistums zum unabhängigen Erzbistum durchzusetzen (1852), sank er in der Folgezeit trotz seines anhaltenden Widerstands gegen die Einführung der deutschen Amtssprache resigniert zum bloßen Werkzeug des Bachschen Absolutismus herab. Alles in allem ist J.s Rolle in der Revolution von 1848/49 in der Historiographie noch immer umstritten. Während Jaroslav Sidak, Ferdo Hauptmann u. a. in ihm den kroatisch-illyrischen Patrioten sehen, kritisieren Vaso Bogdanov und die Mehrheit der ungarischen Historiker seine konservative Anhänglichkeit gegenüber dem Hause Habsburg bzw. seine „konterrevolutionäre“ Interventionspolitik in Ungarn und Wien.
Literatur
Horvat, Rudolf: Ban Jelačić. 2 Bde. Zagreb 1909.
Hartley, M.: The Man who saved Austria. The life and times of Baron Jellačić. London 1912.
Šišić, Ferdo: Kako je Jelačić postao banom. Beograd 1937.
Neustädter, Joseph: Le ban Jellačić et Ies événements en Croatie depuis l’an 1848. 2 Bde. Zagreb 1940/42.
Hauptmann, Ferdo: Banus Jellačić und Feldmarschall Fürst Windischgrätz. In: Südost-Forsch. 15 (1956) 372-402.
Rothenberg, Günther Erich: Jelačić, the Croatian Military Border, and the Intervention against Hungary in 1848. In: Austrian Hist. Yearb. 1 (1965) 45-68.
Horvat, Josip: 1848. 2 Bde. Zagreb 1973.
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