Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Hurban-Vajanský, Svetozár Miloslav

Hurban-Vajanský, Svetozár Miloslav, slowakischer Schriftsteller und politischer Journalist, * Hlboké (Hluboká, Komitat Neutra) 16.1.1847, † Turčiansky Svätý Martin 17.08.1916, Sohn von Jozef Miloslav Hurban.

Leben

Zur Zeit der härtesten politischen Kämpfe seines Vaters wurde H. nach Stendal (Preußen) aufs Gymnasium gebracht; er studierte anschließend in Preßburg und Pest Rechtswissenschaft. 1874-1878 war er in Anwaltskanzleien in Skalitz, Námestov und Liptovský Svatý Mikuláš tätig und veröffentlichte ab 1873 Zeitungsbeiträge und ein Bändchen zeitkritischer Essays sowie Übersetzungen von Liedern Viktor Scheffels. Bei den Josef-Jungmann-Feiern in Prag 1878 gehörte er schon zu den Literaten der slowakischen Delegation. Die Teilnahme am Einmarsch österreichisch-ungarischer Truppen in Bosnien im selben Jahr bewog ihn endgültig, in die politische Journalistik einzusteigen. Nach dem Tode Viliam Pauliny-Tóths übernahm er daher die Schriftleitung der von Pest nach Turčiansky Svätý Martin verlegten „Národnie Noviny“ (Volkszeitung), die 1870 die Tradition der 1845-1848 von L’udovít Štúr herausgegebenen „Slovenské Národnie Noviny“ (Slowakische Volkszeitung) aufgegriffen hatte. 1870 war auch die einstige Beilage bzw. Zeitschrift „Orol Tatranski“ (Tatra-Adler, 1845-1848) wiedererschienen, nun als selbständige Monatsschrift „Orol“, und zählte ab 1873 auch H. zu ihren Dichtern und Novellisten. H. wurde in seiner Lyrik von Puškin beeinflußt und behauptete seine Stellung innerhalb der großslawisch-romantischen und eigenständig-slowakischen Größen der Gruppe von Turčiansky Svätý Martin. Mit seinen Berichten „Kotorská boka“ (Die Bucht von Kotor) und „Jaderské listy“ (Adria-Briefe), die er im Herbst 1878, zur Zeit der bosnischen Krise, in den „Národnie Noviny“ veröffentlichte, erregte er mit einem Schlag weithin Aufmerksamkeit. 1881 griff er, nunmehr eindeutig als der führende Kopf der „Jungen“, das Programm seines Vaters von 1846-1852 in den „Slovenské Pohl’ady (Slowakische Rundschau) auf, die er in Turčiansky Svätý Martin in enger Verbindung mit dem jungen Historiker Jozef Škultéty herausgab. In dieser kulturkritischen Monatsschrift wurde die Entwicklung in Deutschland und Italien sowie die Wirkung der russischen und besonders der slowakischen Literatur mit großem Interesse verfolgt. Der Einfluß Turgenevs wuchs nicht nur bei H. Das Eigenbewußtsein slowakischen Wesens gewann im gesamtslawischen Zusammenhang und wurde kulturpolitisch durch den Widerstand gegen magyarische Konzepte gestützt. H.s Lyrik und Prosa wirkten durch Sammelbände wie „Tatry a more“ (Die Tatra und das Meer, 1880), „Zpod jarma“ (Unter dem Joch, 1884) bzw. „Besedy a dumy“ (Gespräch und Überlegung, 1883/84). Von seinen Romanen sei „Koren a výhonky“ (Wurzel und Triebe, 1895) erwähnt. Gewaltig war die sprachbildnerische Kraft des Dichters. Einige seiner Erzählungen und Romane erschienen in der Übertragung Miloslav Medveckýs auch in Prag oder Olmütz.
Die publizistische Tätigkeit brachte H. immer wieder in Konflikte mit den staatlichen Organen; auch wegen der Verurteilung der polizeilichen Eingriffe anläßlich einer Gedenkfeier am Grabe seines Vaters in Hlboké 1892 als „Hyänismus“ wurde er  streng bestraft. Seine frühe Stellungnahme für die rumänischen Angebote zur Solidarisierung der Nationen innerhalb Ungarns (1894) und das Eintreten für den in Budapest gemaßregelten Studenten Milan Hodža (1897) bewiesen die Stellung des „Patriarchen“ H. über die Komitatsgrenzen hinaus.
Turčiansky Sväty Martin als literarisches Zentrum und Sitz der „Slowakischen Volkspartei“ erhielt im eigenen Komitat Mitte der achtziger Jahre einen Gegenpol. Der Prager Professor Tomáš G. Masaryk hatte mit dem Kauf eines Anwesens in Bystricka und der Gründung der slowakischen Studentengruppe „Dětan“ (1882) eine Heimkehr in die westliche Slowakei gewagt, wo er auf die romantische Russophilie der „Hurbansippe“ stieß und seinen pragmatisch-politischen Realismus gegen den literarisch-frisierenden Realismus der Anhänger H.s setzte. Der langwierige Streit um den „echten Realismus“ wurde dann als Generationsprogramm in der 1898 in Skalitz gegründeten Zeitschrift „Hlas“ (Die Stimme) ausgefochten. Die Zeitschrift stützte sich auf einen in aller Stille entstandenen großen Kreis stürmisch aufbegehrender Studenten; Vavro Šrobár und Milan Hodža führten die schärfste Feder. In die Fehde, die H.s Roman „Kotlin“ mit seiner Sozialkritik 1901 ausgelöst hatte, griff auch Masaryk ein, vor allem mit der noch im selben Jahr in Göding (Hodonín, Mähren) anonym erschienenen Flugschrift „Co hatí Slováky?“ (Was hemmt die Slowaken?). Den „Hlasisten“, wie sich die junge Gruppe nannte, wurde „Progressismus" und „Antiklerikalismus“ vorgeworfen. H. verlor in dieser Auseinandersetzung seine Sonderstellung, und erst 1913 kam es zu einer Aussöhnung zwischen den Gegnern. H.s großes und bleibendes Verdienst ist, daß er nach der gewaltsamen Schließung der drei Gymnasien der „Matica Slovenská“ durch die ungarischen Behörden im Jahre 1875 zur Überwindung der Lethargie des slowakischen nationalen Lebens beigetragen hat.

Literatur

Kabelík, Jan: Jozef Svetozár Hurban Vajanský. In: Časopis Matice Moravské 21 (1897) 239-249, 297-317.
Pražák, Albert: Hurbanovia vo väženiach. Žilina 1923.
Mráz, Andrej: Svetozár Hurban-Vajanský. Bratislava 1926.
Ders.: Svetozár Hurban Vajanský. In: Slov. Pohl’. 72 (1956) 729-736.
Hviezdoslav, P[avol] O[rszágh], Svetozár Hurban Vajanský a Jozef Škultéty: Korešpondencia. Hrsg. Stanislav Šmatlák. Bratislava 1962.
Gogolák, Ludwig von: T. G. Masaryks slowakische und ungarländische Politik. Ein Beitrag zur Vorgeschichte des Zerfalls Ungarns im Jahre 1918. In: Bohemia 4 (1963) 174-227.
Angyal, Endre: „Konzervativny modernista“ Svetozár Hurban Vajanský. In: Slov. Lit. 12 (1965) 175-184.
Kusý, Ivan: Svetozár Hurban-Vajanský. In: Dejiny slovenskej literatúry. Bd 3. Bratislava 1965, 596-655 (mit Bibliographie).
Gogolák: Bd 3, 95-97.

Verfasser

Kurt Oberdorffer (GND: 105126594)

GND: 118775340

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd118775340.html


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Empfohlene Zitierweise: Kurt Oberdorffer, Hurban-Vajanský, Svetozár Miloslav, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 198-199 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=986, abgerufen am: (Abrufdatum)

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