Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Herbst, Eduard
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Herbst, Eduard

Herbst, Eduard, österreichischer Politiker, * Wien 1.12.1820, † ebd. 25.06.1892, Sohn des Hof- und Gerichtsadvokaten Karl H., aus einer nordböhmischen Familie aus Saaz (Žatec).

Leben

Durch seine juristische Ausbildung an der Universität Wien (bis 1843) und seine Tätigkeit als Konzeptspraktikant bei der kaiserlich-königlichen Hofkammer gewann H. genaue Kenntnisse der politischen und administrativen Verhältnisse der Monarchie. 1847 wurde er Professor an der Lemberger Universität für Natur- und österreichisches Kriminalrecht, mit der Erlaubnis, die Vorlesungen in deutscher Sprache zu halten. 1858 wurde er als Professor für Strafrecht und Strafrechtsphilosophie nach Prag berufen und nahm 1861 ein Landtagsmandat in Böhmen an, wodurch er auch in den Reichsrat entsandt wurde. H. gehörte von nun an bis 1891 dem Prager Landtag und bis zu seinem Tode dem Reichsrat an und profilierte sich als der erste Parlamentarier der Deutschliberalen, deren Obmann er 1871-1874 war. 1861-1865 arbeitete er an den Gesetzesmaterien bezüglich der Kontrolle des Reichsrates über die Staatsschuld und an der neuen Gemeindeordnung mit. Er war auch Mitglied der Staatsschuldenkommission, die in der Sistierungsperiode tagte, um die parlamentarische Kontrolle zu gewährleisten. Gegen Militär- und Hofkreise forderte er stets die Streichung des Heeresbudgets und Einsparungen in Marine und Verwaltung. Er trat nicht ins Ministerium Beust ein, da er hoffte, die parlamentarischen Vertreter Zisleithaniens würden noch in die Ausgleichsverhandlungen einbezogen. Als Justizminister im Bürgerministerium (1867-1870) setzte er die Trennung von Justiz und Verwaltung, ein Pressegesetz und die Einschränkung der Militärgerichtsbarkeit durch und machte die Aufhebung des Konkordates durch Gesetz, ohne Verhandlungen mit Rom, zu seinem Hauptanliegen (Maigesetze 1868). Doch wie wenig ein unabhängiger Richterstand der Garant des Rechtsstaates war (wie er den Mitgliedern des Wiener Landesgerichts explizierte), bewies er 1869, als die Arbeiterschaft mit Demonstrationen um das Koalitionsrecht das bürgerliche System in Gefahr zu bringen schien. H. brachte den Gesetzesentwurf über das Koalitionsrecht ein, der noch 1869 angenommen wurde, doch 1870 wurde den leitenden Köpfen der Arbeiterbewegung der Hochverratsprozeß gemacht und sämtliche Arbeiterbildungsvereine wurden aufgelöst.
Der feudale föderalistische Adel brachte das deutschliberale Privilegiensystem 1870 vorübergehend zum Sturze, doch dieses konnte seine zentralistische Politik noch bis 1878 fortsetzen. H. hatte entscheidenden Anteil an der Einführung der direkten Reichsratswahlen, wodurch den Landtagen, die bisher das Parlament beschickt hatten, die Möglichkeit der Obstruktion des Reichsrates entzogen wurde. Die liberale Partei und H. stürzten schließlich über die Bosnienfrage, da sie sich aus nationalen und finanziellen Gründen gegen ein Engagement des Reiches stemmten. H. opponierte bis zu seinem Tode gegen das 1878 zur Regierung gelangte Interessenbündnis des Grafen von Taaffe, mit dem in Österreich die Ära des politischen Josephinismus zu Ende war.
Als der leidenschaftlichste Vertreter der josephinisch-liberalen Epoche trat H. stets für die Gleichstellung der Staatsbürger vor dem Gesetz ein, war gegen Kirche und feudale wie ständische Relikte, arbeitete für die juristische und administrative Förderung moderner Produktionsweisen (Eisenbahnen) und erblickte in den Deutschen das gesellschaftliche Element, das die liberalen Reformen durchzuführen hatte und dafür zum Staatsvolk avancierte.
H.s wichtigste Werke sind: „Handbuch des allgemeinen österreichischen Strafrechtes“ (Wien 1855, 7. Auflage 1882/84), „Über die böhmischen Ausgleichs-Verhandlungen im Jahre 1870“ (Rede im Abgeordnetenhaus am 24. November 1870, Wien 1879), „Das deutsche Sprachgebiet in Böhmen“ (Prag, Leipzig 1887).

Literatur

Schütz, Friedrich: Werden und Wirken des Bürgerministeriums. Leipzig 1909.
Wymetal, Elisabeth: Eduard Herbst, sein Werdegang und seine Persönlichkeit vornehmlich auf Grund seiner selbstbiographischen Aufzeichnungen. (Diss.) Wien 1944.

Verfasser

H. Haas (GND: 116752769)

GND: 116729074

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd116729074.html


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Empfohlene Zitierweise: H. Haas, Herbst, Eduard, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 151-152 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=954, abgerufen am: (Abrufdatum)

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