Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Géza
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Géza

Géza (Geysa), Großfürst von Ungarn 972-997, * 940/45, † 1.02.997, Sohn von Taksony, Urenkel von Árpád.

Leben

Der junge G., der nach dem Tode seines Vaters die großfürstliche Würde über Ungarn erlangte, fand sich einer äußerst schwierigen außenpolitischen Lage gegenübergestellt. Seit dem Sieg Ottos I. über die Ungarn im Jahre 955 war das Ungarntum, auf seine westlichen Grenzen zurückgeworfen, einer konstanten Bedrohung ausgesetzt, die durch die Entfaltung des Reiches von Jahr zu Jahr zunahm. Hatte die Schlacht bei Augsburg den westlichen Expansionsmöglichkeiten ungarischer Politik in entscheidender Form den Riegel vorgeschoben, so setzte die Schlacht von Adrianopolis den ungarischen Expansionsmöglichkeiten auch im Süden - gegenüber Byzanz - ein jähes Ende (969). Im selben Jahr führte die junge russische Macht den Untergang des Chasarenreiches herbei, womit jene osteuropäische reiternomadische Kulturprovinz, der auch die landnehmenden Ungarn angehörten, zusammenbrach. Dadurch verlor Ungarn nicht nur seinen Import- wie Exportmarkt, sondern es isolierte sich auch auf geistigkultureller Ebene.
Diese Wende stellte den schon seit langem vorhandenen Einfluß der christlichen Missionen auf das Ungarntum nur noch stärker in den Vordergrund. Es ist bekannt, daß die Ostkirchen eine Bekehrung der Ungarn schon in deren früheren Siedlungsgebieten nicht ohne jeden Erfolg versucht hatten. Ähnliche Versuche hörten in der neuen Heimat nicht auf. Der Zweitfürst Gyula unterstützte diese Mission; 951 richtete man sogar unter der Obhut von Byzanz ein Bistum in Ostungarn ein. Die Mission der bulgarischen Kirche nahm wiederum Südungarn in Angriff. Nach Zeugnis des katholischwestslawisch beeinflußten Wortschatzes der ungarischen Kirchensprache bestand gleichzeitig auch eine westlich orientierte Mission in Ungarn. Diese schien vor G. - einem Fürsten, dessen Reich in seinen ersten Regierungsjahren vornehmlich im Westen besiedelt war - die ausschlaggebende gewesen zu sein. Eine persönliche Initiative zeichnete sich in G.s Wendung zum Westen ab. Am Osterfest 973, bei der Begrüßung des greisen Kaisers Otto, waren auch G.s Gesandte in Quedlinburg. Mit dem Sieger von Augsburg kam eine Verständigung zustande: offiziell öffnete nun G. sein Land der christlichen Mission und dem Einfluß der Kultur des Westens.
Indem der junge Großfürst auf diese Weise mit der sich als Verhängnis abzeichnenden Isolation seiner Lage gebrochen hatte, griff er auch im Innern des Landes durch. Sein Vater war als Großfürst kaum mehr als primus inter pares. G. heiratete schon in jungen Jahren die Tochter des erwähnten Gyula, Sarolt, und verheiratete nun deren Schwester Karold mit einem der Häuptlinge, der ihm bedingungslos hörig war und band durch diese Ehe Ostungarn stärker an die von ihm unmittelbar beherrschte Mitte seines Reiches. In einer zweiten Ehe verband er sich mit der polnischen Fürstentochter Adelhaid, wodurch sich die erste dynastische Verbindung seines Hauses mit einem ausländischen christlichen Herrschergeschlecht verzeichnen läßt. Dem mächtigen Häuptling Nordungarns Aba vermählte er seine jüngste Tochter; den anderen Töchtern suchte er in den benachbarten Ländern Polen und Venedig den seiner Politik entsprechenden Gemahl. Mit Hilfe seiner neuen Verbündeten wie es ausdrücklich gesagt wird - setzte sich G. als Alleinherrscher durch. Die anderen Zweige des Arpadengeschlechts mußten seinem Machtwillen weichen: allein der Zweig G.s überlebte. Seinem Erstgeborenen, Stephan, galt nun die letzte, gewiß wichtigste dynastische Verbindung, die noch G.s Politik zeitigte: 996 heiratete Stephan eine Enkelin Heinrichs, des Bruders Ottos I., Prinzessin Gisela von Bayern.
Als G. starb, vermachte er seinem Sohn ein zum Teil schon christianisiertes und den westlichen Lebens-, Kultur- und Wirtschatftsformen zugeführtes Land, eine starke zentrale Macht und eine gesicherte zwischenstaatliche Stellung im ottonischen System Mittel- und Westeuropas.

Literatur

Fehér, Géza: A bolgár egyház kísérletei és sikerei hazánkban. In: Századok 61 (1927) 1-20.
Csóka, J. Lajos: A magyarok és a kereszténység Géza fejedelem korában. In: Szent István emlékkönyv. Bd 1. Budapest 1938, 212-264.
Vajay, Szabolcs de: Großfürst Geysa von Ungarn, Familie und Verwandtschaft. In: Südost-Forsch. 31 (1962) 45-101.
Ders.: Der Eintritt des ungarischen Stämmebundes in die europäische Geschichte. Mainz 1968. = Studia Hungarica. 4.
Ferdinandy, Michael de: Der heilige Kaiser Otto III. und seine Ahnen. Tübingen 1969.

Verfasser

Miguel de Ferdinandy (GND: 118686771)


GND: 130402532

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Empfohlene Zitierweise: Miguel de Ferdinandy, Géza, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 43-45 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=874, abgerufen am: (Abrufdatum)

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