Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Alexander III.  Aleksandrovič
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Alexander III. Aleksandrovič

Alexander III. (Aleksandr) Aleksandrovič, Kaiser von Rußland 1881-1894, * St. Petersburg 10.03.1845, † Livadia 1.11.1894, Sohn von Alexander II. und Maximiliane Wilhelmine Auguste Sophie Marie von Hessen (Marija Aleksandrovna), vermählt 1866 mit Prinzessin Dagmar von Dänemark (Marija Fedorovna).

Leben

A. bestieg den Thron 1881 nach der Ermordung seines Vaters Alexander II. durch eine anarchistische Terroristengruppe. Seine Regierung ist charakterisiert durch den Rückgriff auf die Methoden seines Großvaters Nikolaus I., allen gesellschaftlichen Fortschritt um jeden Preis zu verhindern und die Selbstherrschaft unverletzt zu bewahren. Auf sein Regierungsamt hatte ihn der bedeutende Jurist K. P. Pobedonoscev vorbereitet, die unheilvollste Erscheinung in dieser Epoche der Restauration. A.s Staatsanschauung gründete auf der Lehre von der Trinität Orthodoxie-Autokratie-Patriotismus, die einst Uvarov formuliert hatte, der Minister für Volksaufklärung unter Nikolaus.
Im Mai 1881 verkündete er in einem Manifest die unbedingte Aufrechterhaltung der Selbstherrschaft. Eine seiner ersten Maßnahmen zielte gegen die revolutionäre Opposition, welche sich an den Hochschulen konzentrierte; er gab 1884 den Universitäten ein neues Statut, das die Verwaltungsautonomie der akademischen Lehranstalten beseitigte. Die Folge dieser staatlichen Bevormundung war eine weitere Radikalisierung der Intelligenzschicht. Seit 1882 verschärfte er die Zensurbestimmungen, 1885 hob er den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit fast völlig auf, im Juni 1890 nahm er der Landschaftsselbstverwaltung die Eigenverantwortlichkeit und fügte sie wieder in die allgemeine staatliche Bürokratie ein. Besonders belastet war das Regime A.s durch seine Politik der nationalen und religiösen Intoleranz. In den westlichen und südwestlichen Gouvernements kam es mehrfach zu Ausschreitungen gegen den jüdischen Bevölkerungsteil, in ganz Rußland wurden die Altgläubigen und Sektierer scharfen Maßregelungen unterworfen. Die chauvinistische Politik erreichte ihren Höhepunkt in den Ostseeprovinzen, wo A. bestrebt war, das gesamte öffentliche Leben zu russifizieren. Sein Ziel war es, alle Nationalitäten zu einem Staatsvolk zu verschmelzen und einen Nationalstaat zu schaffen, sein Mittel der orthodoxe Glauben, den im Dienste der Politik auszubreiten Pobedonoscev - seit 1880 Oberprokuror des Heiligen Synod - als eine seiner Hauptaufgaben ansah.
Die Enttäuschung der öffentlichen Meinung über den Berliner Frieden (1878) hatte sich kaum gelegt, als A. mit Wien und Berlin auch schon ein neues Dreikaiserbündnis schloß (Juni 1881). Es verpflichtete die Höfe zur Beachtung der gegenseitigen Interessen auf dem Balkan. In einem Zusatzprotokoll legten die Partner fest, daß sie sich einer Vereinigung von Bulgarien und Ostrumelien nicht widersetzen, daß sie aber die Okkupation Ostrumeliens oder des Balkans als eine Gefahr für den allgemeinen Frieden betrachten würden. Dieser Rückkehr zu den Prinzipien der Legitimität und des Status quo stimmte A. um so befriedigter zu, als sich die Dinge in Bulgarien vollauf im russischen Sinne zu entwickeln schienen. Als aber Alexander von Battenberg, der Bulgarien seit 1878 bis zu diesem Zeitpunkt mit russischen Ministern und nach russischen Direktiven regiert hatte, Ostrumelien 1885 in einer Personalunion mit Bulgarien vereinigte, legte Petersburg im Widerspruch zu den Abmachungen von 1881 schärfsten Protest ein. Auf eine militärische Besetzung Bulgariens verzichtete A. wegen des damit verbundenen Kriegsrisikos mit Wien. Diese Niederlage seiner panslawistischen Außenpolitik war 1887 der Hauptgrund für die Weigerung A.s, das Dreikaiserbündnis zu verlängern. Er ersetzte es im gleichen Jahr durch den Rückversicherungsvertrag mit Bismarck, in dem Deutschland die Rechtmäßigkeit des russischen Einflusses in Bulgarien und Ostrumelien und den territorialen Status quo auf der Balkanhalbinsel anerkannte. Nach der Nichterneuerung des Rückversicherungsvertrages und unter dem Eindruck der deutsch-englischen Annäherung ging A. auf eine „entente cordiale“ mit Frankreich ein (1891-1894). Mit A. starb 1894 Rußlands letzter wahrer Selbstherrscher.

Literatur

Samson-Himmelstjerna, H. von: Rußland unter Alexander III. Leipzig 1891.
Notowitcb (Notovič), N.: Alexander III. und seine Umgebung. Leipzig 1894.
Lowe, C.: Alexander III. of Russia. London 1895.
Vitte, S. Ju.: Vospominanija: Detstvo. Carstvovanie Aleksandra II i Aleksandra III (1849-1894). Berlin 1923.
Pis’ma Pobedonosceva k Aleksandru III. 2 Bde. Moskau 1925/26.
Miljutin, D. A.: Dnevnik, 1873-1882. 4 Bde. Moskau 1947/50.
Seton-Watson, H.: The decline of imperial Russia 1865-1914. London 1964(2).

Verfasser

Klaus Appel

GND: 118647997

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd118647997.html


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Empfohlene Zitierweise: Klaus Appel, Alexander III. Aleksandrovič, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 42-43 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=425, abgerufen am: (Abrufdatum)

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