Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Crusius, Martin
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 von 1526

Crusius, Martin

Crusius (Kraus), Martin, Professor der klassischen Philologie in Tübingen, Philhellenist, * Grebern (verödet) bei Pottenstein/Ofr. 19.09.1526, † Tübingen 14.02.1607, Sohn eines evangelischen Predigers.

Leben

Nach seiner Schulzeit in Ulm und vier Studienjahren in Straßburg wurde C. 1554 Rektor der Lateinschule in Memmingen. 1559 erhielt er die Professur der lateinischen und griechischen Sprache in Tübingen, die 1564 durch einen Lehrauftrag für Rhetorik erweitert wurde. Er erwarb sich als Gräzist einen bedeutenden Namen, der vor allem mit dem ersten deutschen Kommentar zum ganzen Homer verbunden ist. Einen Schatten auf diese Laufbahn warf der unrühmliche Streit, den er mit seinem ehemaligen Schüler, dem genialen, doch charakterlich umstrittenen Dichterhumanisten Nicodemus Frischlin geführt und selbst nach dem Tode des Gegners fortgesetzt hat.
Der rastlose Sammler und Schreiber („otiari non possum“) hinterließ ein umfangreiches Werk. Die „Annales suevici“ (Frankfurt 1595/96), gewissenhaft bei Adam und Eva beginnend, bieten eine Unmenge von wichtigem, wenn auch unkritisch behandeltem Material nicht nur zur schwäbischen Geschichte; sie gehen z. B. auch auf den Türkenkrieg bis 1596 ein. Sein 1573 einsetzendes „Diarium“, mit neun Quartbänden wohl das ausführlichste Tagebuch seiner Zeit, spiegelt das Leben eines Gelehrten des 16. Jh.s mit seltener Treue wieder; als Quelle für den damaligen Philhellenismus in Tübingen ist es von unschätzbarem Wert. Leider sind von dem in der Tübinger Universitätsbibliothek aufbewahrten Manuskript nur die Bände ab 1596 durch eine Edition zugänglich gemacht worden (für 1596-1599 hrsg. Wilhelm Göz und Ernst Conrad, Tübingen 1927/31, für 1600-1605 hrsg. Reinhold Stahlecker und Eugen Staiger, Tübingen 1958 sowie Gesamtregister vom letzteren, Tübingen 1961). Als Kuriosum gilt die Sammlung von rund 7000 in griechischer Sprache nachgeschriebenen Predigten, um deren teilweise Drucklegung C. einen zähen Kampf geführt hat. Neben verschiedenen Arbeiten über griechische und lateinische Grammatik und Rhetorik sowie Ausgaben griechischer Schriften sind besonders seine Nachrichten über die Verhältnisse in Griechenland unter der türkischen Herrschaft, die „Turcograecia“ (Basel 1584) und „Germano-Graecia“ (Basel 1585) zu nennen.
Bei den Verhandlungen um eine Vereinigung der griechisch-orthodoxen und protestantischen Kirchen, die Tübinger Theologen (Jakob Andreae, Jakoh Herbrand u. a.) über Vermittlung von Mitgliedern der kaiserlichen Gesandtschaft in Istanbul (Stephan Gerlach, Salomon Schweigger) aufgenommen hatten, spielte C. eine maßgebliche Rolle. Auch nach dem Abbruch der dogmatischen Diskussion durch den Patriarchen von Konstantinopel (1581) führte C. seinen freundschaftlichen Briefwechsel mit geistlichen und weltlichen Würdenträgern des griechisch sprechenden Raumes weiter. Er schrieb u. a. an den Patriarchen von Konstantinopel, Jeremias II., an Theodosius Zygomalas, der Professor an der Akademie des Patriarchats von Konstantinopel war, sowie an den „Protosynkellos“ des Patriarchen von Alexandrien, Meletius Pegas. Griechische Flüchtlinge und Gelehrte, die durch Tübingen kamen, fanden bei C. begeisterte Aufnahme. Von ihnen (dem Manuskriptschreiber Andreas Darmarius von Epidaurus, dem Mönch Jonas Paritzios von Kyzikos in Kleinasien, Erzbischof Gabriel von Ohrid u. a.) erfragte er Einzelheiten über die neugriechische Sprache und ihre Dialekte, über die staatliche und kirchliche Organisation, die soziale Ordnung, die kulturelle Lage und den Zustand der Städte im ehemals byzantinischen Reich. Als „Philhellene“, wie er sich bezeichnete, trug er alles zusammen, was er über die Griechen seiner Zeit in Erfahrung bringen konnte; außerdem erwarb er wertvolle griechische Manuskripte und Bücher.

Literatur

Gerstinger, Hans: Martin Crusius’ Briefwechsel mit den Wiener Gelehrten Hugo Blotius und Johannes Sambucus (1581-1599). In: Byzant. Z. 30 (1929/30) 202-211.
Göz, Wilhelm: Martin Crusius und das Bücherwesen seiner Zeit. In: Zbl. Bibl.-Wesen 50 (1933) 717-737 (mit Bibliographie).
Zachariades, George Elias: Tübingen und Konstantinopel im 16. Jahrhundert. Göttingen 1941. = Schr.-Reihe Dt.-Griech. Ges. 7.
Stahlecker, Reinhold: Martin Crusius und Nicodemus Frischlin. In: Z. württ. Landesgesch. 7 (1943) 323-366.
Enepekides, Polychronis K.: Aus Wiener und Pariser Handschriften. Beiträge zu den griechisch-abendländischen Beziehungen im 16. Jahrhundert. In: Jb. Österr. Byzant. Ges. 3 (1954) 67-86.

Verfasser

Ute Monika Schwob (GND: 1050326059)

GND: 118677446

  1. Personenseite in der Deutschen Digitalen Bibliothek (191)
  2. musiXplora - Virtuelles Nachschlagewerk der Organologie und Musikwissenschaft für Personen, Körperschaften, Geographika, Sachen, Werke, Objekte, Titel (via GND, VIAF, Wikidata/Q)
  3. BIBLIOGRAPHY OF THE STUDY OF RELIGION: Publications in RelBib (3)
  4. Wikipedia-Artikel
  5. Melchior Adam: Vitae
  6. Personen in EGO - European History Online www.ieg-ego.eu
  7. Bayerisches Musiker-Lexikon Online (BMLO)
  8. Einrag in: 'Baierisches Musik-Lexikon' (Lipowsky, 1811)
  9. Teuchos ID
  10. Germania Sacra Personendatenbank
  11. Biographien der NDB
  12. Biographische Informationen zu Personen im Index von NDB, ADB und Register [sfz9031]
  13. Biographien der ADB
  14. Allgemeine Deutsche Biographie (Wikisource)
  15. Professorengalerie Tübingen
  16. Personendaten-Repositorium (PDR) an der BBAW
  17. Werke in der Open Library
  18. Erwähnte Personen auf www.geschichtsquellen.de (Repertorium «Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters» )
  19. Personenseite im Archivportal-D (12)
  20. Deutsches Dokumentationszentrum fuer Kunstgeschichte - Bildarchiv Foto Marburg (3)
  21. Wikimedia Commons
  22. 20 Reproduktionen im Digitalen Portraitindex Frühe Neuzeit
  23. Répertoire International des Sources Musicales (RISM) (3)
  24. Wikisource-Autorenseite
  25. Post-Reformation Digital Library author ID
  26. Open Library - Autorenseite [Martin Crusius (1526-1607)]
  27. CERL Thesaurus
  28. Jahresberichte für deutsche Geschichte - Online [14 über Crusius, Martin (1526-1607)]
  29. MGH-Bibliothek: OPAC [Crusius, Martin]
  30. REGESTA IMPERII RI OPAC GND
  31. INDEX THEOLOGICUS: Publikationen im IxTheo (28)
  32. Leichenpredigten 1550-1800 (GESA) (14)
  33. 229 Titel im VD16
  34. Landesbibliographie Baden-Württemberg
  35. LEO-BW - Landeskundliches Informationssystem Baden-Württemberg
  36. Literatur im Katalog der Universitätsbibliothek Heidelberg (46)
  37. Bayerische Staatsbibliothek (73)
  38. Titelaufnahmen des B3Kat (106)
  39. HBZ-Verbundkatalog (54)
  40. HBZ-Verbundkatalog (55)
  41. HeBIS-Verbundzentrale (79)
  42. SWB-Verbundkatalog
  43. Istituto Centrale per il Catalogo Unico (ICCU) (2)
  44. Slovenian authority file (CONOR.SI) (2)
  45. Kalliope-Verbund für Nachlässe, Autographen und Verlagsarchive
  46. Early Modern Letters Online person ID
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Empfohlene Zitierweise: Ute Monika Schwob, Crusius, Martin, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 337-339 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=686, abgerufen am: (Abrufdatum)

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